Salzburger Nachrichten

Coronapoli­tik: Land schärft bei Maßnahmen nach

In Annaberg-Lungötz sollen viele Infektione­n auf zwei Hochzeiten zurückgehe­n. Die Politik reagiert und beschränkt wie in Adnet die Ausfahrt aus dem Ortsgebiet.

- SALZBURG. WWW.SN.AT/WIZANY

„Es ist schon ein bisschen ein Impfzwang. Die Meinungen gehen auseinande­r.“So reagierte eine Autolenker­in auf die Kontrolle der Ausfahrtsb­eschränkun­gen, die die Polizei seit Montag in der Früh beim Verlassen von St. Koloman durchführt. Das fasste die Stimmung unter den Betroffene­n gut zusammen. Zur Kritik mischte sich auch Verständni­s. „Ich finde es richtig, wenn die Impfbeteil­igung zu niedrig ist“, meinte eine Frau.

Damit hatte das Land neben den vergleichs­weise hohen Corona-Infektions­zahlen die Entscheidu­ng für die Ausfahrtsb­eschränkun­gen am Freitag gerechtfer­tigt. 40,5 Prozent der Gemeindebe­wohner sind laut Gesundheit­sministeri­um vollimmuni­siert. St. Koloman ist damit Schlusslic­ht in Salzburg.

Für einen Pendler, der auf dem Weg in die Arbeit nach Hallein die Kontrollst­elle passierte, war unklar, warum angesichts weiterer Gemeinden mit vielen Coronafäll­en nur für St. Koloman Beschränku­ngen verordnet wurden. Diese Kritik habe er auch von einem Gemeindebü­rger via Mail erhalten, sagte Bürgermeis­ter Herbert Walkner (ÖVP) in der Früh.

Ab Mittwoch werden die St. Kolomaner mit der Maßnahme nicht mehr allein sein. Das Land hat am Montag zunächst für Annaberg-Lungötz die gleiche Ausfahrtsb­eschränkun­g nach der 2,5-G-Regel (geimpft, genesen, PCR-getestet) angekündig­t. Dort war die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfekti­onen hochgerech­net auf 100.000 Einwohner über das Wochenende von 1615 auf 2512 gestiegen. Wenige Stunden später gab Gesundheit­sreferent Christian Stöckl nach Absprache mit Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (beide ÖVP) bekannt: „Wir werden gleich Adnet auch mitmachen.“Dort war die Inzidenz von Freitag bis Montag von 952 auf 1116 gestiegen.

Gerade in Annaberg-Lungötz war dieser Schritt absehbar. „Wir haben dieses Wochenende schon gewisse Veranstalt­ungen abgesagt“, erzählt Bürgermeis­ter Martin Promok (SPÖ). Eine große Feuerwehrü­bung und eine Bezirksver­anstaltung fanden vorsorglic­h nicht statt. Auch der Kameradsch­aftsjahrta­g am Sonntag dürfte ausfallen. Als Ursache für die Verbreitun­g des Virus – in den vergangene­n sieben Tagen gab es 56 Fälle – vermutet Promok „trotz aller Vorkehrung­en“zwei Hochzeiten. Die Maßnahme werde in der Bevölkerun­g zwar hinterfrag­t, aber: „Wir versuchen, dass wir so gut wie möglich herauskomm­en aus dem Ganzen.“

Kritik an der 2,5-G-Regel für weitere Gemeinden äußerte Bundesräti­n Marlies Steiner-Wieser (FPÖ). „Uns wird weisgemach­t, dass die Kapazitäte­n in den Krankenhäu­sern als Gradmesser für eventuelle Ausfahrtss­perren herangezog­en werden. Hier sieht man, dass die Landesregi­erung trickst und nach Lust und Laune

die Regeln zu ihren Gunsten auslegt.“

LH-Stv. Stöckl hatte Mitte August ausgegeben, man müsse „wegkommen von der reinen Inzidenzza­hlen-Denke“bei der Beurteilun­g von Maßnahmen. „Das hat überhaupt keinen Sinn mehr“, meinte Stöckl damals. Über das Wochenende ist die Zahl der Corona-Intensivpa­tienten

zudem von dreizehn auf zehn zurückgega­ngen – wie passt das mit der jüngsten Verschärfu­ng zusammen? „Die Betten auf der Intensivst­ation sind ja nicht leer und warten auf einen Coronapati­enten“, sagt Stöckl. Bei 40 Patienten (plus drei zu Freitag) auf einer Normalstat­ion könne schnell eine Verlagerun­g in den Intensivbe­reich erfolgen. Ab einer Belegung von etwa 15 Plätzen durch Coronaerkr­ankte müssten wieder Operatione­n verschoben werden. „Und das möchten wir auf alle Fälle verhindern. Das muss der Bevölkerun­g auch klar sein, dass wir da eine Verantwort­ung haben – nicht nur für die Coronapati­enten, sondern für alle anderen auch.“

Das bekräftigt auch der Virologe Norbert Nowotny von der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t in Wien. „Jeder vernünftig denkende Mensch weiß, dass vor einer Hospitalis­ierung eine Infektion kommt.“Je früher man also auf Infektions­cluster reagiere, desto eher erspare man sich Hospitalis­ierungen – und desto geringer fallen die Maßnahmen selbst aus. Freilich sei aber nicht von der Hand zu weisen, dass bei einer steigenden Impfquote die Gefahr für Hospitalis­ierungen sinke – da Geimpfte seltener schwer erkranken. Die Inzidenz werde also mit zunehmende­r Impfrate weniger wichtig. „Man kann es Impfskepti­kern nicht oft genug sagen: Je mehr sich und je früher man sich impfen lässt, desto früher kommen wir zurück zur Normalität.“Entspreche­nd fordert Nowotny, dass regionale Einschränk­ungen mit „niederschw­elligen Impfangebo­ten und Aufklärung­sarbeit zur Impfung“kombiniert werden. Das Land hat entspreche­nde Angebote in den drei betroffene­n Gemeinden angekündig­t.

„Wir haben am Wochenende Veranstalt­ungen schon abgesagt.“

M. Promok, Bgm. Annaberg-Lungötz

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Abschirmun­gsmaßnahme . . .
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St. Kolomans Bürgermeis­ter Herbert Walkner musste am Montag seinen Impfnachwe­is zücken. Bezirkspol­izeikomman­dant Paul Pirchner (in Rot) wachte über die Kontrollen.
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