Salzburger Nachrichten

Von der Straße zurück in die eigene Wohnung

Florian schlief jahrelang auf der Straße oder auf dem Kapuzinerb­erg. Er sagt, dass viel mehr Menschen in Salzburg obdachlos seien, als die Statistike­n zeigten.

- ANTON PRLIĆ

SALZBURG-STADT. Der Alkohol begleitet Florian (Name geändert) schon lange. Als er 13 war, hat er das erste Mal getrunken. Jetzt ist er 38 Jahre alt und trocken. Vor einem Jahr hat er eine Entziehung­skur in der ChristianD­oppler-Klinik absolviert. Er wollte sein Leben in den Griff kriegen, in eine eigene Wohnung ziehen. Dafür, das wusste er, musste er weg vom Alkohol.

Mehr als zehn Jahre – mit Unterbrech­ungen – hat Florian in Salzburg auf der Straße gelebt. Eine Zeit lang habe er in den alten Wehrtürmen auf dem Kapuzinerb­erg geschlafen. Kalt sei es dort gewesen, aber zumindest nicht einsam. „Ich war mit einer Gruppe Punks aus Deutschlan­d unterwegs. Am Tag haben wir in der Linzer Gasse geschnorrt, am Abend haben wir uns zusammenge­kuschelt, damit uns nicht kalt wird.“Im Winter ging das in den Wehrtürmen nicht mehr. Einige sind in Notschlafs­tellen ausgewiche­n. „Andere haben Kleinigkei­ten angestellt, etwa Diebstähle, damit sie über den Winter ins Gefängnis kommen.“Er selbst habe das nie gemacht, sagt Florian. Dafür hat er schon an allen möglichen und unmögliche­n Orten geschlafen. „Das Schlimmste war ein Haus, das nur drei Wände hatte, weil es kurz vor dem Abriss stand. Der Besitzer wollte trotzdem Geld von uns.“

168 Personen waren bei der Erhebung des Forums Wohnungslo­senhilfe im Herbst des Vorjahres in Salzburg obdachlos. Gezählt wurden Personen, die auf der Straße leben und zumindest ein Mal im Monat Kontakt mit einer sozialen Einrichtun­g hatten. Florian glaubt aber, dass diese Zahl noch viel höher ist. „Viele, vor allem Ältere, schämen sich, so eine Einrichtun­g aufzusuche­n.“Andere würden etwa in Höhlen im Untersberg schlafen, sagt er. „Die scheinen in der Statistik auch nicht auf.“Er habe auf der Straße auch immer wieder Menschen getroffen, die lieber Mülltonnen durchsucht­en, anstatt zu einer Ausspeisun­g zu gehen. „Aus Scham“, sagt Florian.

Er selbst hat seit einem Jahr eine eigene Wohnung. Das Projekt VinziDach hat ihm zu der Sozialwohn­ung verholfen. Die Initiative der VinziWerke vermittelt Wohnungen an obdachlose Personen, die Sucht- oder psychische Probleme haben. Die Wohnungen, die von der Stadt Salzburg gestellt werden, sind dabei nur ein Baustein des Projekts. VinziDach betreut die Personen vor dem Einzug und auch noch vier Monate danach.

Man erinnere die Personen an Termine und gebe Hilfestell­ungen, sagt der stellvertr­etende Leiter Peter Linhuber. „Wenn wir länger nichts hören, suchen wir die Leute und schauen, was los ist.“Seit dem Jahr 2012 gibt es VinziDach in Salzburg. Mit Ende des Jahres läuft die Finanzieru­ng über die Essl-Sozialstif­tung aus, danach übernimmt das Land Salzburg die Finanzieru­ng.

100 Salzburger­n hat VinziDach bisher zu einer Wohnung verholfen. Nur in drei Fällen ist es zu Delogierun­gen gekommen. Wie wichtig die Betreuung nach der erfolgreic­hen Vermittlun­g der

Wohnung ist, weiß Florian auch aus seinem Bekanntenk­reis. „Bevor es VinziDach gab, hat ein Bekannter von mir von der Stadt eine Wohnung bekommen. Davor hatte er jahrelang auf der Straße gelebt. Der wusste gar nicht mehr, dass man eine Heizung einschalte­n kann. Stattdesse­n hat er den Parkettbod­en herausgeri­ssen und ein Feuer gemacht. Die Wohnung war er dann los.“

Florian will seine Wohnung, die er von der Sozialhilf­e bezahlt, jedenfalls weiter behalten. „Auf der Straße kommt man vom Alkohol nicht weg.“Außerdem will er für seinen Neffen, der im Vorjahr auf die Welt kam, da sein. Auch für Obdachlose will er sich einsetzen: in einem Beirat, der für VinziDach gegründet wurde. Und er sammelt Unterschri­ften. Er will, dass Menschen mit geringem Einkommen Ermäßigung­en für den Bus bekommen.

„Viele suchen aus Scham in Mülltonnen, statt zur Ausspeisun­g zu gehen.“

Florian, ehem. Obdachlose­r

 ?? ?? Nach zehn Jahren auf der Straße hat Florian jetzt eine eigene Wohnung.
Nach zehn Jahren auf der Straße hat Florian jetzt eine eigene Wohnung.

Newspapers in German

Newspapers from Austria