Von der Straße zurück in die eigene Wohnung
Florian schlief jahrelang auf der Straße oder auf dem Kapuzinerberg. Er sagt, dass viel mehr Menschen in Salzburg obdachlos seien, als die Statistiken zeigten.
SALZBURG-STADT. Der Alkohol begleitet Florian (Name geändert) schon lange. Als er 13 war, hat er das erste Mal getrunken. Jetzt ist er 38 Jahre alt und trocken. Vor einem Jahr hat er eine Entziehungskur in der ChristianDoppler-Klinik absolviert. Er wollte sein Leben in den Griff kriegen, in eine eigene Wohnung ziehen. Dafür, das wusste er, musste er weg vom Alkohol.
Mehr als zehn Jahre – mit Unterbrechungen – hat Florian in Salzburg auf der Straße gelebt. Eine Zeit lang habe er in den alten Wehrtürmen auf dem Kapuzinerberg geschlafen. Kalt sei es dort gewesen, aber zumindest nicht einsam. „Ich war mit einer Gruppe Punks aus Deutschland unterwegs. Am Tag haben wir in der Linzer Gasse geschnorrt, am Abend haben wir uns zusammengekuschelt, damit uns nicht kalt wird.“Im Winter ging das in den Wehrtürmen nicht mehr. Einige sind in Notschlafstellen ausgewichen. „Andere haben Kleinigkeiten angestellt, etwa Diebstähle, damit sie über den Winter ins Gefängnis kommen.“Er selbst habe das nie gemacht, sagt Florian. Dafür hat er schon an allen möglichen und unmöglichen Orten geschlafen. „Das Schlimmste war ein Haus, das nur drei Wände hatte, weil es kurz vor dem Abriss stand. Der Besitzer wollte trotzdem Geld von uns.“
168 Personen waren bei der Erhebung des Forums Wohnungslosenhilfe im Herbst des Vorjahres in Salzburg obdachlos. Gezählt wurden Personen, die auf der Straße leben und zumindest ein Mal im Monat Kontakt mit einer sozialen Einrichtung hatten. Florian glaubt aber, dass diese Zahl noch viel höher ist. „Viele, vor allem Ältere, schämen sich, so eine Einrichtung aufzusuchen.“Andere würden etwa in Höhlen im Untersberg schlafen, sagt er. „Die scheinen in der Statistik auch nicht auf.“Er habe auf der Straße auch immer wieder Menschen getroffen, die lieber Mülltonnen durchsuchten, anstatt zu einer Ausspeisung zu gehen. „Aus Scham“, sagt Florian.
Er selbst hat seit einem Jahr eine eigene Wohnung. Das Projekt VinziDach hat ihm zu der Sozialwohnung verholfen. Die Initiative der VinziWerke vermittelt Wohnungen an obdachlose Personen, die Sucht- oder psychische Probleme haben. Die Wohnungen, die von der Stadt Salzburg gestellt werden, sind dabei nur ein Baustein des Projekts. VinziDach betreut die Personen vor dem Einzug und auch noch vier Monate danach.
Man erinnere die Personen an Termine und gebe Hilfestellungen, sagt der stellvertretende Leiter Peter Linhuber. „Wenn wir länger nichts hören, suchen wir die Leute und schauen, was los ist.“Seit dem Jahr 2012 gibt es VinziDach in Salzburg. Mit Ende des Jahres läuft die Finanzierung über die Essl-Sozialstiftung aus, danach übernimmt das Land Salzburg die Finanzierung.
100 Salzburgern hat VinziDach bisher zu einer Wohnung verholfen. Nur in drei Fällen ist es zu Delogierungen gekommen. Wie wichtig die Betreuung nach der erfolgreichen Vermittlung der
Wohnung ist, weiß Florian auch aus seinem Bekanntenkreis. „Bevor es VinziDach gab, hat ein Bekannter von mir von der Stadt eine Wohnung bekommen. Davor hatte er jahrelang auf der Straße gelebt. Der wusste gar nicht mehr, dass man eine Heizung einschalten kann. Stattdessen hat er den Parkettboden herausgerissen und ein Feuer gemacht. Die Wohnung war er dann los.“
Florian will seine Wohnung, die er von der Sozialhilfe bezahlt, jedenfalls weiter behalten. „Auf der Straße kommt man vom Alkohol nicht weg.“Außerdem will er für seinen Neffen, der im Vorjahr auf die Welt kam, da sein. Auch für Obdachlose will er sich einsetzen: in einem Beirat, der für VinziDach gegründet wurde. Und er sammelt Unterschriften. Er will, dass Menschen mit geringem Einkommen Ermäßigungen für den Bus bekommen.
„Viele suchen aus Scham in Mülltonnen, statt zur Ausspeisung zu gehen.“
Florian, ehem. Obdachloser