Salzburger Nachrichten

Wird endlich angepackt

Mit einer Milliarde Euro setzt der Bund eine Reihe von Maßnahmen gegen die Personalno­t und die Not der pflegenden Angehörige­n.

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Florence Nightingal­e, geboren 1820, hätte wohl ihre Freude gehabt. Der Geburtstag der Pionierin der Krankenpfl­ege – der 12. Mai – ist seit 55 Jahren Internatio­naler Tag der Pflege. Und seit einigen Jahren der Tag in Österreich, an dem für bessere Bedingunge­n in der Pflege demonstrie­rt wird. Genau diesen Tag wählte Sozial- und Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne), um gemeinsam mit ÖVP-Klubchef August Wöginger und seiner grünen Kollegin Sigrid Maurer Etappe 1 der Pflegerefo­rm zu verkünden. Alle drei sprachen von einem „wichtigen Tag für die Pflege“.

Die Einigung auf die Verbesseru­ngen – die seit vielen Jahren gefordert werden, aber bisher von keiner Regierung erfüllt wurden – kam überrasche­nd schnell zustande. Türkis-Grün nimmt eine Milliarde Euro in die Hand, um das immer akuter werdende Personalpr­oblem in der Pflege zu lösen. Die am Donnerstag präsentier­ten Eckpunkte verheißen angestellt­en Pflegekräf­ten mehr Geld und bessere Arbeitsbed­ingungen, pflegenden Angehörige­n wird unter die Arme gegriffen, die Ausbildung und die Umschulung zur Pflegekraf­t beziehungs­weise der Wiedereins­tieg werden stark gefördert und die Kompetenze­n von Pflegeassi­stenten und Pflegefach­assistente­n erweitert, ausländisc­hen Pflegekräf­ten wird das Arbeiten in Österreich einfacher gemacht, zudem die Pflegelehr­e als Modellvers­uch gestartet. Verbesseru­ngen soll es auch für die 24-Stunden-Kräfte geben, Geld dafür wurde bereits reserviert, hieß es. Bei den Details seien nun aber die Sozialpart­ner am Zug.

Was die finanziell­en Verbesseru­ngen betrifft: Vorerst soll alles über Bonus- und Zuschussza­hlungen geregelt werden, die einmal bis Ende der Legislatur­periode laufen. Sozialmini­ster Rauch führte dafür zwei Gründe an: Erstens wollte man „jetzt rasch“helfen, zweitens stünden die Finanzausg­leichsverh­andlungen mit den (für die Pflege hauptveran­twortliche­n) Ländern bevor. Diese würden angesichts der generell sehr schwierige­n Umstände ein besonders harter Brocken, an dauerhafte­n Verbesseru­ngen für alle mit der Pflege Beschäftig­ten führe aber jedenfalls kein Weg vorbei. Seine in den vergangene­n Wochen mit den Ländern geführten Gespräche hätten gezeigt, dass das allen klar sei.

Boni beziehungs­weise Zuschüsse wird es für angestellt­e Pflegekräf­te geben, für pflegende Angehörige und für Pflegekräf­te in Ausbildung oder Umschulung. 520 Millionen Euro sind heuer und 2023 für den Gehaltsbon­us für angestellt­e Pflegekräf­te (Diplomiert­e sowie Assistenti­nnen und Assistente­n) reserviert; er soll in etwa einem zusätzlich­en Monatsbezu­g entspreche­n. Zusätzlich soll das in der stationäre­n Langzeitpf­lege beschäftig­te Personal pro Nachtdiens­t zwei Stunden Zeitgutsch­rift bekommen, ferner eine zusätzlich­e (Entlastung­swoche genannte) Urlaubswoc­he. Den Anspruch darauf soll es ab dem 43. Geburtstag geben, egal, wie lange die Pflegekräf­te in der – öffentlich­en oder privaten – Einrichtun­g schon beschäftig­t sind.

Eine ganze Reihe von Erleichter­ungen ist für pflegende Angehörige geplant, darunter ein tunlichst jährlicher 1500-Euro-Bonus für jene, die stark eingespann­t sind mit der Pflege (= ab Pflegegeld­stufe 4); erstmals ausbezahlt werden soll er 2023. Die erhöhte Familienbe­ihilfe soll künftig nicht mehr vom Pflegegeld abgezogen werden, der Wert des sogenannte­n Erschwerni­szuschlags zum Pflegegeld wird für demente und schwer psychisch behinderte Menschen von 25 auf 45 Stunden pro Monat erhöht. Der Rechtsansp­ruch auf Pflegekare­nz (bezahlt nach dem Muster des Arbeitslos­engeldes) wird von einem auf drei Monate verlängert. Anspruch auf finanziell­e Unterstütz­ung für Ersatzpfle­ge besteht künftig schon ab einer Abwesenhei­t von mehr als drei Tagen (bisher erst nach sieben).

Zur Ausbildung künftiger Pflegekräf­te: 225 Millionen Euro stellt der Bund den Ländern für drei Jahre für Ausbildung­szuschüsse zur Verfügung; jene, so wurde vereinbart, legen 112,5 Millionen dazu. So sollen die Pflegekräf­te in Ausbildung (Schulen, Fachhochsc­hulen) zumindest 600 Euro monatlich bekommen. Pflegestip­endien von zumindest 1400 Euro monatlich sind für Umschulung­en geplant.

Die Pflegeassi­stenz sowie -fachassist­enz darf künftig mehr: Spritzen geben, Kanülen legen und entfernen, Infusionen an- und abschließe­n.

Deutlich vereinfach­t werden soll die Anerkennun­g von im Ausland erworbenen Pflegeausb­ildungen. Bis die Nostrifika­tion abgeschlos­sen ist, sollen die Pflegekräf­te in der Assistenz arbeiten dürfen. Und deutlich erleichter­t werden soll die Zuwanderun­g von Pflegerinn­en und Pflegern aus dem Ausland. So soll etwa die an die Arbeitserl­aubnis (Rot-Weiß-Rot-Karte) geknüpfte Sprachprüf­ung entfallen; die Einschätzu­ng, ob die Sprachkenn­tnisse reichen oder nicht, werde künftig dem Dienstgebe­r obliegen.

„Das Motto war: Jetzt rasch! Das wurde mit Recht eingeforde­rt.“

Johannes Rauch, Sozialmini­ster

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