Zähes Ringen mit Orbán ums Öl Neue Waffenhilfe für die Ukraine
Der ungarische Regierungschef blockiert das sechste Sanktionspaket gegen Russland.
Zehn Tage sind vergangen, seit Ursula von der Leyen das sechste Sanktionspaket der Europäischen Union gegen Russland vorgelegt hat. „Dabei geht es um ein vollständiges Einfuhrverbot für sämtliches russisches Öl“, hatte sie erklärt. Doch seither geht nichts weiter. Vor allem Ungarns nationalkonservativer Regierungschef Viktor Orbán blockiert eine Einigung der 27 EU-Staaten.
Das Paket komme einer „Atombombe“gleich, die auf die ungarische Wirtschaft abgeworfen werde, verlautete aus seiner Regierung. Montagabend flog die Kommissionschefin extra nach Budapest, um Orbán umzustimmen. Tags darauf telefonierte der französische Staatschef Emmanuel Macron als derzeitiger Vorsitzender im Europäischen Rat mit dem Ungarn. Beide Male war der Versuch vergebens.
Nun hofft man in Brüssel, dass Europas Sanktionsmaschine gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, die bisher so reibungslos lief, kommende Woche wieder flottgemacht werden kann. Am Montag verhandeln die 27 Außenminister. Am Mittwoch will die Kommission ihren mit Spannung erwarteten Stufenplan „REPowerEU“zum völligen Ausstieg aus fossiler russischer Energie vorstellen. Allein in den kommenden fünf Jahren sollen dafür zusätzliche Investitionen von 195 Milliarden Euro notwendig sein, wie vorab verlautete.
Viel Geld ist eine Möglichkeit, um Ungarn und eine Reihe anderer Länder mit hoher Abhängigkeit von russischem Öl – vor allem die Slowakei und Tschechien – vom Embargo zu überzeugen. Sie müssen Infrastruktur neu oder ausbauen. Es geht um Pipelines, damit Öl von anderen Anbietern fließen kann.
Das braucht Zeit. Daher sind im Kommissionsentwurf bereits Übergangsfristen vorgesehen. Ungarn und die Slowakei sollen das Embargo erst bis Ende 2023 erfüllen müssen. Alle anderen sollen russische Rohöleinfuhren binnen sechs Monaten und die von raffinierten Produkten bis Ende des Jahres stoppen.
Die Frist reicht Ungarn und der Slowakei nicht. Sie sagen, der Umbau der Lieferstruktur dauere mehrere Jahre. Weitere Staaten wie Tschechien drängen auf Ausnahmen. Für sie trifft es sich gut, dass Viktor Orbán den starken Mann gibt. Das erspart ihnen, selbst in die erste Reihe zu treten.
Für den Ungarn dürfte es im Konflikt mit der EU-Kommission und den liberalen nordischen und westeuropäischen Staaten nicht nur um die Energiesicherheit seines Lands gehen. Orbán hat eine Rechnung mit ihnen zu begleichen. Sie werfen ihm die schrittweise Aushebelung des Rechtsstaats in Ungarn vor. Deswegen hat die Kommission unlängst den neuen Rechtsstaatsmechanismus gegen das Land ausgelöst. Die Brüsseler Behörde befürchtet den Missbrauch von EU-Geld durch korrupte Strukturen in Ungarn. Seit Monaten hält sie zudem die Milliarden aus dem CoronaWiederaufbaufonds zurück.
Laut Josep Borrell, dem Außenbeauftragten der EU, zahlen die EUStaaten derzeit eine Milliarde Euro täglich für Energie aus Russland. Mit dem Geld kann Präsident Wladimir Putin den Krieg gegen die Ukraine weiter finanzieren. Doch Europa ist nicht nur Abnehmer russischer Energie, sondern auch ihr Transporteur. Griechenland, Zypern und Malta verschiffen Öl aus Russland und wehren sich dagegen, dass sie das laut sechstem Sanktionspaket nicht mehr tun dürfen. Sie argumentieren damit, dass das Geschäft dann die Türkei übernehmen werde. So wie es aussieht, wird das Transportverbot daher wieder aus dem Paket gestrichen.
Rascher als das Ölembargo gegen Russland kommt die Militärhilfe für die Ukraine voran. Das angegriffene Land kann mit weiteren 500 Milliarden Euro aus der Friedensfazilität der EU zum Kauf von Waffen rechnen. Das kündigte EU-Chefdiplomat Borrell am Freitag an. Damit summiert sich die Waffenhilfe der EU auf zwei Milliarden Euro. Am Montag dürften die Außenminister grünes Licht geben.