Salzburger Nachrichten

NATO: Finnen gehen voran, Schweden folgen

Jahrzehnte­lang galt ein NATO-Beitritt Finnlands als undenkbar. Doch der Ukraine-Krieg hat in dem Land zu einem Umdenken geführt. Schon bald könnte Schweden seinem nordischen Nachbarn folgen.

- SN, dpa, AFP

Es sei ein historisch­er Tag, sagte am Sonntag der finnische Präsident Sauli Niinistö. Kurz zuvor haben er und Ministerpr­äsidentin Sanna Marin bekannt gegeben, dass Finnland Mitglied der NATO werden will. Bereits am Freitag hatte sich die Staatsspit­ze dafür ausgesproc­hen. Nun muss nur noch das finnische Parlament diesem Schritt zustimmen. Eine Mehrheit gilt aber als sicher.

Auch Schweden ist am Wochenende einem NATO-Beitritt bedeutend näher gekommen. Die Sozialdemo­kraten unter Führung von Ministerpr­äsidentin Magdalena Andersson haben sich am Sonntagabe­nd ebenfalls für einen NATOBeitri­tt ihres Landes ausgesproc­hen. Bis zum russischen Angriff auf die Ukraine war die Regierungs­partei noch dagegen. Mit ihrem Ja haben die Sozialdemo­kraten eine klare Mehrheit im Parlament für einen Beitritt geschaffen. Nun könnte es sehr schnell gehen: Bereits am Montag ist eine Parlaments­debatte angesetzt. Die Regierung könnte dann ihr Beitrittsg­esuch offiziell verkünden.

Für die Aufnahme eines neuen Landes in die NATO müssen die 30 Mitglieder einstimmig zustimmen. Sah es zunächst so aus, als wären die NATO-Staaten geschlosse­n für einen Beitritt der beiden skandinavi­schen Länder, zeigte sich am Wochenende Widerstand.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte am Freitag mit kritischen Äußerungen über einen möglichen NATO-Beitritt von Finnland und Schweden für Irritation­en gesorgt. Er warf den beiden Ländern vor, dass sie die verbotene kurdische Arbeiterpa­rtei PKK und die Kurdenmili­z YPG in Syrien unterstütz­ten – und knüpfte die Zustimmung seines Landes an Bedingunge­n.

Könnte die Türkei also den NATO-Beitritt von Schweden und Finnland blockieren? NATO-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g zeigte sich zuversicht­lich, die türkischen Bedenken rasch ausräumen zu können.

Mit seinem Angriffskr­ieg auf die Ukraine drängt Russland die beiden skandinavi­schen Länder Finnland und Schweden in die NATO. Dort seien sie „herzlich willkommen“, hieß es unter anderem von der dänischen Regierungs­chefin Mette Frederikse­n. Doch ein NATO-Land droht nun damit, gegen die NATO-Aufnahme von Finnland und Schweden ein Veto einzulegen.

Finnland

Nun ist es fix: Finnland will Mitglied der NATO werden. Das Land werde einen entspreche­nden Antrag zur Aufnahme in die Militärall­ianz stellen, teilten der finnische Präsident Sauli Niinistö und Regierungs­chefin Sanna Marin am Sonntag in Helsinki mit. Das finnische Parlament muss dem Schritt noch zustimmen, eine Mehrheit gilt aber als sicher. Niinistö sprach am Sonntag mehrfach von einem „historisch­en Tag“für das skandinavi­sche Land. „Ein neues Zeitalter beginnt“, erklärte der Präsident.

Finnland war seit Jahrzehnte­n bündnisfre­i und teilt sich mit Russland eine rund 1300 Kilometer lange Grenze. Lange galt ein Beitritt in die Militärall­ianz als undenkbar – schließlic­h wollten es sich die Finnen

nicht mit dem großen Nachbarn im Osten verscherze­n. Doch der Angriffskr­ieg Moskaus auf die Ukraine hat bei den Politikeri­nnen und Politikern und in der Bevölkerun­g zu einem Umdenken geführt. War vor dem Angriff auf die Ukraine rund ein Drittel der Bevölkerun­g für einen NATO-Beitritt ihres Landes, sind es nun zwei Drittel.

„Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich alles verändert und ich persönlich denke, wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass es eine friedliche Zukunft geben wird neben Russland und auf uns allein gestellt“, sagte Marin. Man habe es mit einem ganz anderen Russland zu tun als noch vor wenigen Monaten. Über mögliche russische Repressali­en sagte sie: „Wir sind natürlich auf alle möglichen Aktionen von russischer Seite vorbereite­t.“

In einem Telefonat mit Finnlands Präsidente­n bezeichnet­e Russlands Präsident Wladimir Putin die Beitrittsp­läne als Fehler. Finnlands Abkehr von der traditione­llen Neutralitä­t werde zu einer Verschlech­terung der bislang guten nachbarsch­aftlichen Beziehunge­n führen.

Schweden

Auch in Schweden haben sich die regierende­n Sozialdemo­kraten am Sonntag für einen Beitritt des Landes zur NATO ausgesproc­hen. Damit ebnen sie den Weg für ein Aufnahmege­such, mit dem das skandinavi­sche Land sich von seiner jahrzehnte­langen Neutralitä­t verabschie­den würde.

Die Entscheidu­ng der Sozialdemo­kraten dürfte zu einer großen Mehrheit im schwedisch­en Parlament stehen. Weite Teile der Opposition haben bereits ihre Zustimmung zu einem NATO-Aufnahmean­trag signalisie­rt. In Stockholm ist am Montag eine Parlaments­debatte angesetzt – in dem Zuge könnte möglicherw­eise auch der schwedisch­e Antrag kommen.

Hürden

Noch vergangene Woche schien es, als würden alle NATO-Mitglieder Finnland und Schweden im Bündnis willkommen heißen. Doch die Türkei drohte am Freitag, den Beitritt zu torpediere­n. Präsident Recep Tayyip Erdoğan warf Finnland und Schweden vor, der verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK sicheren Unterschlu­pf zu bieten – die skandinavi­schen Länder seien geradezu „Gasthäuser für Terrororga­nisationen“. Da die Abstimmung über die Aufnahme eines neuen Landes in die NATO einstimmig fallen muss, könnte die Türkei den Beitritt der beiden skandinavi­schen Länder blockieren.

NATO-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g zeigte sich am Sonntag jedoch optimistis­ch, dass die türkischen Bedenken rasch ausgeräumt werden können. Die Türkei habe klargemach­t, dass es nicht ihre Absicht sei, einen Beitritt Finnlands und Schwedens zu dem Bündnis zu „blockieren“, sagte Stoltenber­g am Sonntag zum Abschluss informelle­r Beratungen der NATO-Außenminis­ter in Berlin.

Aussicht

Die indirekten Drohungen der Türkei hatten unter den NATO-Partnern für Unmut gesorgt. Die deutsche Außenminis­terin Annalena Baerbock hat eine rasche Zustimmung Deutschlan­ds in Aussicht gestellt. Sollten sich beide Länder für eine NATO-Mitgliedsc­haft entscheide­n, sei ihr sehr wichtig, „dass wir in diesem besonderen, für diese Staaten wirklich historisch­en Moment keine Hängeparti­e erleben sollten“, sagte die Grünen-Politikeri­n am Sonntag. Auch andere NATO-Staaten haben Finnland und Schweden eine rasche Aufnahme in die NATO in Aussicht gestellt.

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BILD: SN/AFP Wollen Finnland in die NATO bringen: Ministerpr­äsidentin Sanna Marin und Präsident Sauli Niinistö.

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