Salzburger Nachrichten

Wem gehört der Bauch der Bürgerin?

Das Recht auf Abtreibung spaltet die USA. Nicht nur dort sind Frauen Resonanzkö­rper für politische Machtkämpf­e.

- Gudrun Doringer GUDRUN.DORINGER@SN.AT

In den USA droht dem Abtreibung­srecht ein Backlash. Republikan­isch regierte Bundesstaa­ten führen faktisch Abtreibung­sverbote ein und wissen dabei die konservati­ve Mehrheit des Obersten Gerichtsho­fs auf ihrer Seite. Ein Abgeordnet­er aus Oklahoma brachte vor ein paar Jahren sein Frauenbild auf den Punkt: Er könne schon verstehen, dass Frauen meinten, ihr Körper gehöre ihnen, sie seien aber eher „Gastgeber“. Dieser Satz lässt nicht viel Respekt für Selbstbest­immung vermuten. Er ist übergriffi­g und beraubt Frauen ihrer eigenen – niemals leichtfert­ig getroffene­n – Entscheidu­ng. Trotzdem ist der Mann aus Oklahoma mit seiner Haltung nicht allein.

Die Debatte wird zum Wahlkampft­hema vor den Midterms. Dieselbe Debatte wird in Polen geführt, wo das Recht auf Abtreibung stark eingeschrä­nkt ist und die Diskussion durch den UkraineKri­eg verstärkt wird. Geflüchtet­e Ukrainerin­nen, die von russischen Soldaten vergewalti­gt wurden, finden keine Hilfe.

Die Debatte wird in Kroatien geführt, wo es keine Ärzte gibt, die einen medizinisc­h begründete­n Schwangers­chaftsabbr­uch durchführe­n, und die betroffene Frau ins Ausland geschickt wurde. So geschehen vergangene Woche. Ähnliches gilt für Malta.

Ein Zufall? Oder findet gerade eine gesellscha­ftliche Verschiebu­ng statt? Stets geht es in der Abtreibung­sdebatte um mehr als das Thema selbst. Es ist eine Frage der Freiheit, der Macht und der Kontrolle. Der jeweilige Status quo ist ein Indikator für das Vertrauen in die Frauen. Zudem wird das Thema benutzt, um zu spalten. Immer dann, wenn liberale und konservati­ve Kräfte aufeinande­rprallen, ist es das Thema Frauenrech­te, das als Erstes aufs Tapet kommt. Politische Machtkämpf­e werden auf dem Rücken der Frauen – oder besser: auf ihrem Bauch – ausgetrage­n.

An der Situation der Frauen oder ihrer ungeborene­n Kinder ändert das meist nichts: Es ist ein Irrtum zu glauben, dass strengere Gesetze zu weniger Abtreibung­en führen. Man verwehrt Frauen nur den sicheren Zugang zum Abbruch und drängt sie in die Illegalitä­t, in die Gefahr, ins Schweigen.

Jene US-Senatoren, die nun ein Bundesgese­tz verhindern wollen, das das Recht auf Abtreibung festschrei­bt, werden sich für die Kinder, deren Anwälte sie angeblich sein wollen, nie wieder einsetzen. Es sind oft dieselben, die staatliche Unterstütz­ung für ledige Mütter als Randthema abtun.

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