Wem gehört der Bauch der Bürgerin?
Das Recht auf Abtreibung spaltet die USA. Nicht nur dort sind Frauen Resonanzkörper für politische Machtkämpfe.
In den USA droht dem Abtreibungsrecht ein Backlash. Republikanisch regierte Bundesstaaten führen faktisch Abtreibungsverbote ein und wissen dabei die konservative Mehrheit des Obersten Gerichtshofs auf ihrer Seite. Ein Abgeordneter aus Oklahoma brachte vor ein paar Jahren sein Frauenbild auf den Punkt: Er könne schon verstehen, dass Frauen meinten, ihr Körper gehöre ihnen, sie seien aber eher „Gastgeber“. Dieser Satz lässt nicht viel Respekt für Selbstbestimmung vermuten. Er ist übergriffig und beraubt Frauen ihrer eigenen – niemals leichtfertig getroffenen – Entscheidung. Trotzdem ist der Mann aus Oklahoma mit seiner Haltung nicht allein.
Die Debatte wird zum Wahlkampfthema vor den Midterms. Dieselbe Debatte wird in Polen geführt, wo das Recht auf Abtreibung stark eingeschränkt ist und die Diskussion durch den UkraineKrieg verstärkt wird. Geflüchtete Ukrainerinnen, die von russischen Soldaten vergewaltigt wurden, finden keine Hilfe.
Die Debatte wird in Kroatien geführt, wo es keine Ärzte gibt, die einen medizinisch begründeten Schwangerschaftsabbruch durchführen, und die betroffene Frau ins Ausland geschickt wurde. So geschehen vergangene Woche. Ähnliches gilt für Malta.
Ein Zufall? Oder findet gerade eine gesellschaftliche Verschiebung statt? Stets geht es in der Abtreibungsdebatte um mehr als das Thema selbst. Es ist eine Frage der Freiheit, der Macht und der Kontrolle. Der jeweilige Status quo ist ein Indikator für das Vertrauen in die Frauen. Zudem wird das Thema benutzt, um zu spalten. Immer dann, wenn liberale und konservative Kräfte aufeinanderprallen, ist es das Thema Frauenrechte, das als Erstes aufs Tapet kommt. Politische Machtkämpfe werden auf dem Rücken der Frauen – oder besser: auf ihrem Bauch – ausgetragen.
An der Situation der Frauen oder ihrer ungeborenen Kinder ändert das meist nichts: Es ist ein Irrtum zu glauben, dass strengere Gesetze zu weniger Abtreibungen führen. Man verwehrt Frauen nur den sicheren Zugang zum Abbruch und drängt sie in die Illegalität, in die Gefahr, ins Schweigen.
Jene US-Senatoren, die nun ein Bundesgesetz verhindern wollen, das das Recht auf Abtreibung festschreibt, werden sich für die Kinder, deren Anwälte sie angeblich sein wollen, nie wieder einsetzen. Es sind oft dieselben, die staatliche Unterstützung für ledige Mütter als Randthema abtun.