Bald weniger abhängig vom Kunstdünger?
Weil sie ihn sich nicht mehr leisten können, hinterfragen Bauern den Kunstdüngereinsatz. In der Krise liegt eine Chance, aber auch das Risiko, in alte Muster zurückzufallen. gut – alles gut?
44 mal 46 Meter lang ist der Vierkanter der Haselbergers – ein schönes Erbe, das aber auch eine gewisse Schwerfälligkeit und Verantwortung mit sich bringt. Die Schweinemast haben Peters Eltern aufgebaut. Die junge Generation würde gern einiges anders machen, langfristig auf Bio umstellen zum Beispiel. Jetzt ist ein Druckfaktor für Veränderung da: der gestiegene Kunstdüngerpreis. „Ich seh das als Chance!“, sagt der Landwirt. Den Stall von einem Tag auf den nächsten umzubauen ist nicht möglich, beim Futter fangen viele zum Nachdenken an.
Zum ersten Mal hat Haselberger heuer Klee angebaut, bevor der Futtermais gesät wurde. Leguminosen sind eine natürliche Möglichkeit, um Stickstoff aus der Luft in den Boden zu bringen. Wie die meisten Kollegen, die konventionelle Landwirtschaft betreiben, hat er bisher auf synthetischen Dünger gesetzt. Für dessen Herstellung braucht es Erdgas. „2021 war die Russische Föderation der größte Exporteur von Stickstoffdünger“, heißt es in einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). „Die österreichische Nahrungs- und Genussmittelindustrie ist der siebtgrößte Gasverbraucher in Österreich“, liest man in einer parlamentarischen Anfrage. Vor einem Jahr hat die Tonne Kunstdünger je nach Art rund 300 Euro gekostet. Dieser Tage ist der Preis drei Mal so hoch. Die Steigerung begann schon vor dem Ukraine-Krieg. „So teuer war’s schon lange nicht, warten wir lieber noch ab, haben damals alle gesagt“, erinnert sich Haselberger.
Sein Umdenken sei exemplarisch, meint Franz Sinabell, Agrarexperte beim Institut für Wirtschaftsforschung
(Wifo). „Sobald Preise stark steigen, fängt man an darüber nachzudenken, ob es überhaupt sinnvoll ist, etwas in bestimmtem Umfang einzusetzen.“Unnötiges werde weggelassen. Dadurch gebe es einen Einsparungseffekt.
Ein Wort, das nun öfter fällt: Versorgungssicherheit. „Darunter versteht man einerseits, dass ausreichende Mengen eines bestimmten Guts, etwa Brot, vorhanden sind, die zweite Dimension ist die Leistbarkeit“, erklärt Sinabell. Österreich drohe keine Unterversorgung, was beispielsweise Getreide als Nahrungsmittel angehe, allerdings seien 70 Prozent der europäischen Agrarflächen für die Futtermittelproduktion blockiert. Damit ist Fleisch immens abhängig von den Energiepreisen.
Der Wissenschafter erwartet, dass die Erträge in der konventionellen Landwirtschaft zurückgehen. „Es sei denn, die Bauern kaufen bessere Düngerstreuer, die den Dünger zielgerichteter ausbringen.“Ausrüstungen zum sogenannten Precision Farming könnten sich nun lohnen. Oder der Umstieg auf natürliche Dünger, etwa Kompost oder Jauche. Denkbar sei dann auch eine Umorientierung hin zu Hülsenfrüchten, Sonnenblumen oder Soja. Diese Pflanzen brauchen weniger Stickstoff als Mais oder Weizen. Dass beim Weizen Kunstdünger verwendet wird, um den Proteingehalt zu steigern, sei verzichtbar, sagt Sinabell.
Umbrüche in der Agrarpolitik könnten aber auch in die andere Richtung gehen. Für 2022 gilt eine Ausnahmeregelung: Auf den Brachflächen, ökologische Vorrangflächen genannt, ist Ackerbau wieder erlaubt, das Pflanzenschutzmittelverbot wurde aufgehoben. Diese fünf Prozent der Böden waren Rückzugsorte für die Fauna. Laut Biologen bräuchte es zehn Prozent. Unter dem Vorwand der Versorgungssicherheit würden wertvolle, der Biodiversität gewidmete Felder wieder für den konventionellen Anbau freigegeben, schlagen Naturschutzorganisationen Alarm. Sie sprechen von einer „Scheinlösung, die Artenvielfalt und weltweite Ernährungssicherung längerfristig massiv gefährdet“. Die HeinrichBöll-Stiftung errechnete, dass dieser Schritt kaum Einfluss auf globale Produktion und Preise hat.
Peter und Bernadette Haselberger freuen sich über den Anreiz zur Veränderung: „Wir sind froh über diesen Schritt. Wir wollen aus alten Mustern ausbrechen!“Durch den Verzicht auf Kunstdünger hoffen sie auf weitere Vorteile: „Wenn alles gut geht, spare ich mir beim Mais die Herbizidbehandlung, weil der Klee den Boden bedeckt. Außerdem schützt er vor Verdunstung.“Das ist mit Blick auf die Erderwärmung ja auch nicht unwesentlich.
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