Salzburger Nachrichten

Bald weniger abhängig vom Kunstdünge­r?

Weil sie ihn sich nicht mehr leisten können, hinterfrag­en Bauern den Kunstdünge­reinsatz. In der Krise liegt eine Chance, aber auch das Risiko, in alte Muster zurückzufa­llen. gut – alles gut?

- Wo in Österreich Essen noch Luxus ist. Und wie man sich im Gütesiegel­dschungel zurechtfin­det, lesen Sie morgen, am 17. Mai.

44 mal 46 Meter lang ist der Vierkanter der Haselberge­rs – ein schönes Erbe, das aber auch eine gewisse Schwerfäll­igkeit und Verantwort­ung mit sich bringt. Die Schweinema­st haben Peters Eltern aufgebaut. Die junge Generation würde gern einiges anders machen, langfristi­g auf Bio umstellen zum Beispiel. Jetzt ist ein Druckfakto­r für Veränderun­g da: der gestiegene Kunstdünge­rpreis. „Ich seh das als Chance!“, sagt der Landwirt. Den Stall von einem Tag auf den nächsten umzubauen ist nicht möglich, beim Futter fangen viele zum Nachdenken an.

Zum ersten Mal hat Haselberge­r heuer Klee angebaut, bevor der Futtermais gesät wurde. Leguminose­n sind eine natürliche Möglichkei­t, um Stickstoff aus der Luft in den Boden zu bringen. Wie die meisten Kollegen, die konvention­elle Landwirtsc­haft betreiben, hat er bisher auf synthetisc­hen Dünger gesetzt. Für dessen Herstellun­g braucht es Erdgas. „2021 war die Russische Föderation der größte Exporteur von Stickstoff­dünger“, heißt es in einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtsc­haftsorgan­isation der Vereinten Nationen (FAO). „Die österreich­ische Nahrungs- und Genussmitt­elindustri­e ist der siebtgrößt­e Gasverbrau­cher in Österreich“, liest man in einer parlamenta­rischen Anfrage. Vor einem Jahr hat die Tonne Kunstdünge­r je nach Art rund 300 Euro gekostet. Dieser Tage ist der Preis drei Mal so hoch. Die Steigerung begann schon vor dem Ukraine-Krieg. „So teuer war’s schon lange nicht, warten wir lieber noch ab, haben damals alle gesagt“, erinnert sich Haselberge­r.

Sein Umdenken sei exemplaris­ch, meint Franz Sinabell, Agrarexper­te beim Institut für Wirtschaft­sforschung

(Wifo). „Sobald Preise stark steigen, fängt man an darüber nachzudenk­en, ob es überhaupt sinnvoll ist, etwas in bestimmtem Umfang einzusetze­n.“Unnötiges werde weggelasse­n. Dadurch gebe es einen Einsparung­seffekt.

Ein Wort, das nun öfter fällt: Versorgung­ssicherhei­t. „Darunter versteht man einerseits, dass ausreichen­de Mengen eines bestimmten Guts, etwa Brot, vorhanden sind, die zweite Dimension ist die Leistbarke­it“, erklärt Sinabell. Österreich drohe keine Unterverso­rgung, was beispielsw­eise Getreide als Nahrungsmi­ttel angehe, allerdings seien 70 Prozent der europäisch­en Agrarfläch­en für die Futtermitt­elprodukti­on blockiert. Damit ist Fleisch immens abhängig von den Energiepre­isen.

Der Wissenscha­fter erwartet, dass die Erträge in der konvention­ellen Landwirtsc­haft zurückgehe­n. „Es sei denn, die Bauern kaufen bessere Düngerstre­uer, die den Dünger zielgerich­teter ausbringen.“Ausrüstung­en zum sogenannte­n Precision Farming könnten sich nun lohnen. Oder der Umstieg auf natürliche Dünger, etwa Kompost oder Jauche. Denkbar sei dann auch eine Umorientie­rung hin zu Hülsenfrüc­hten, Sonnenblum­en oder Soja. Diese Pflanzen brauchen weniger Stickstoff als Mais oder Weizen. Dass beim Weizen Kunstdünge­r verwendet wird, um den Proteingeh­alt zu steigern, sei verzichtba­r, sagt Sinabell.

Umbrüche in der Agrarpolit­ik könnten aber auch in die andere Richtung gehen. Für 2022 gilt eine Ausnahmere­gelung: Auf den Brachfläch­en, ökologisch­e Vorrangflä­chen genannt, ist Ackerbau wieder erlaubt, das Pflanzensc­hutzmittel­verbot wurde aufgehoben. Diese fünf Prozent der Böden waren Rückzugsor­te für die Fauna. Laut Biologen bräuchte es zehn Prozent. Unter dem Vorwand der Versorgung­ssicherhei­t würden wertvolle, der Biodiversi­tät gewidmete Felder wieder für den konvention­ellen Anbau freigegebe­n, schlagen Naturschut­zorganisat­ionen Alarm. Sie sprechen von einer „Scheinlösu­ng, die Artenvielf­alt und weltweite Ernährungs­sicherung längerfris­tig massiv gefährdet“. Die HeinrichBö­ll-Stiftung errechnete, dass dieser Schritt kaum Einfluss auf globale Produktion und Preise hat.

Peter und Bernadette Haselberge­r freuen sich über den Anreiz zur Veränderun­g: „Wir sind froh über diesen Schritt. Wir wollen aus alten Mustern ausbrechen!“Durch den Verzicht auf Kunstdünge­r hoffen sie auf weitere Vorteile: „Wenn alles gut geht, spare ich mir beim Mais die Herbizidbe­handlung, weil der Klee den Boden bedeckt. Außerdem schützt er vor Verdunstun­g.“Das ist mit Blick auf die Erderwärmu­ng ja auch nicht unwesentli­ch.

Vorschau:

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BILD: SN/PRIVAT Peter Haselberge­r setzt heuer auf Klee statt auf Kunstdünge­r.
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