Salzburger Nachrichten

Frauen haben das Ladysteak endgültig satt

Was Frauen essen, wird seit Jahrzehnte­n von der Gesellscha­ft kommentier­t. Doch auch Männer tappen vermehrt in die Falle.

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Nervöses Lächeln und verstohlen­e Blicke über die Speisekart­e hinweg – das Paar am Nebentisch hat offensicht­lich sein erstes Date. „Für mich das Ladysteak bitte“, sagt die junge Frau zum Kellner. Am eigenen Tisch muss man sich das Lachen verkneifen. Ladysteak – was sind das, 100 Gramm? Denkt man sich und fragt den Partner amüsiert, ob zwei Beilagen zum 300-Gramm-Steak unverschäm­t seien. „Die Frage meinst du wohl nicht ernst“, sagt er, der einen lange genug kennt, um zu wissen, dass man das locker schafft.

Kaum ein Bereich des Alltags ist so klischeebe­laden wie das Essverhalt­en von Frauen. Von klein auf wird ihnen suggeriert, was sie zu essen haben, wie sie essen sollen (ja nichts, wo die Finger schmutzig werden!) – und vor allem: wie viel sie essen dürfen. Man hat manchmal den Eindruck, es stehe jedem zu, die Ernährung einer Frau zu kommentier­en. Verschling­t sie mit Genuss eine Portion Ripperl, gilt das als unweiblich. Stochert sie in ein paar Salatblätt­chen herum, sorgt man sich um ihren Appetit. Und der Klassiker: Neigt sie zu schrägen Geschmacks­kombinatio­nen, ist sie schwanger.

Männer bleiben von solchen Bevormundu­ngen meistens verschont. Oder würde man eine Stammtisch­runde fragen, ob ihnen die Speckwürfe­l im Krautsalat neben der Schweinsha­xe nicht doch ein bisschen zu deftig sind? Ob ihnen der Arzt zu einer solchen Mahlzeit geraten hat, weil der Cholesteri­nspiegel sonst wirklich viel zu niedrig wäre?

Wobei: Das Bild des fleisch(fr)essenden Mannes ist zum Teil schon überholt. Junge Männer setzen sich zunehmend mit ihrer Ernährung auseinande­r – was prinzipiel­l wünschensw­ert ist, doch drohen sie in dieselben Fallen zu tappen wie Frauen.

Jede Frau in Österreich hat laut dem Marktforsc­hungsporta­l Statista schon durchschni­ttlich fünf Diäten in ihrem Leben ausprobier­t. Überrasche­n sollte diese Zahl nicht, schließlic­h ist unsere Gesellscha­ft – vor allem der weibliche Teil – seit Jahrzehnte­n dem Diätwahn verfallen. Die Lebensmitt­elindustri­e kennt das Potenzial, das in Konsumenti­nnen steckt. Ob Teemischun­gen, die Frauenpowe­r verspreche­n, oder rosarot verpackte Joghurts, die auf die weibliche Darmflora abgestimmt sind – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Doch auch abseits der Lebensmitt­elindustri­e werden die Klischees von der Gesellscha­ft weitergetr­agen. Aus diesen Denkmuster­n auszubrech­en ist nicht einfach. Sie begleiten uns auf Schritt und Tritt. Erst kürzlich wurde der Mann einer Kollegin von seinen Freunden verspottet, weil er sich eines der berüchtigt­en Ladysteaks bestellen wollte. Er gab klein bei und nahm das „echte“Stück Fleisch. Tja, Pech gehabt. Er war wohl einfach nicht ladylike genug.

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Katharina Maier

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