Josef Haslinger sucht die Versöhnung
Österreicher leitet übergangshalber deutschen PEN-Club nach heftigen Streitereien.
Nach dem Gothaer PEN-Beben, das im Abgang des Präsidenten Deniz Yücel gipfelte, steht die Schriftstellervereinigung vor einem Scherbenhaufen – und vor einem Neubeginn. Über den Showdown auf der Mitgliederversammlung des deutschen PEN-Zentrums waren am Wochenende noch immer viele Mitglieder entsetzt. Als beschämend, unwürdig und schäbig empfanden sie die Grabenkämpfe zwischen Yücel-Kritikern und -Unterstützern. Zugleich wurden aus den PEN-Reihen Forderungen nach Erneuerung und Verjüngung des Vereins laut. In einer Aussprache war von „toxischer Männlichkeit“und „einer Riege alter westdeutscher Herren“die Rede, die persönliche Eitelkeiten vor die politische Wirksamkeit des Vereins stellten. Einige PEN-Mitglieder dachten auch über einen Austritt nach. Bei den Querelen ging es um Führungsstil, Mobbingvorwürfe und Beleidigungen. Erst im Oktober war die Führungsriege mit Yücel gewählt worden.
Der österreichische Schriftsteller und nunmehrige Interimspräsident des deutschen PEN-Zentrums Josef Haslinger will nach den tiefen Zerwürfnissen wieder Vertrauen aufbauen. Das sei nicht nur für das Präsidium,
sondern für die ganze Arbeit von PEN notwendig, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Jene Mitglieder, die über einen Austritt nachdenken, bat Haslinger, „abzuwarten, ob sich das Blatt nicht doch noch wendet“.
Der 66-Jährige war nach dem zornigen Abgang des Journalisten Deniz Yücel vorübergehend an die Spitze des deutschen PEN-Zentrums gewählt worden. Nach dem Rücktritt des gesamten Präsidiums setzte die PEN-Mitgliederversammlung in Gotha zugleich einen Notvorstand ein, der die Wahl einer neuen Führungsriege vorbereiten soll.
„Wir werden uns um Versöhnung bemühen“, sagte Haslinger. Zugleich machte er deutlich, nur übergangsweise als PEN-Präsident zur Verfügung zu stehen. „Ich habe keine anderen Ambitionen“, schloss Haslinger eine erneute Amtszeit aus. Er war bereits einmal von 2013 bis 2017 PEN-Präsident. Die Neuwahl des Präsidiums soll auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung spätestens im Herbst erfolgen. Der PEN-Club gilt weltweit als ein wichtige Stimme verfolgter und unterdrückter Autoren.