Radposse mit Sprengkraft
Die Absage der Österreich-Rundfahrt wird den Radsportverband noch länger beschäftigen.
SALZBURG. Es war fast zu schön, um wahr zu sein: Vor zwei Monaten überraschte der heimische Radsportverband (ÖRV) mit der Ankündigung des Comebacks der Österreich-Radrundfahrt im Juli, die 2020 und 2021 coronabedingt ausgefallen ist. Mit dem ehemaligen Rapid-Manager Werner Kuhn wurde sogar ein neuer Rundfahrt-Direktor präsentiert. Doch schon damals gab es viele Stimmen, die meinten, dass es für die Planungen schon zu spät sei, zumal sich auch das alte Rundfahrtsteam nach den zwei Absagen längst aufgelöst habe. Und noch während der Tour of the Alps Ende April in Osttirol meinte ein heimischer Teammanager zu den SN: „Abwarten, noch ist die Rundfahrt nicht gestartet.“
Die wird auch nicht gestartet. Freitagabend erfolgte die Absage. Zuvor hatten die Kärntner Touristiker mitgeteilt, dass man in der Hauptsaison im Juli die vom Tross benötigten 600 Betten in Seeboden – Startpunkt der Glockner-Etappe nach St. Johann – nicht zur Verfügung stellen könne. Am Freitag trat daraufhin das ÖRV-Präsidium zu einer Krisensitzung zusammen, um die Rundfahrt „mit tiefem Bedauern“abzusagen. Sehr ausgeprägt war der Glaube an das Comeback scheinbar nicht. Es sei in wirtschaftlich turbulenten Zeiten nicht sinnvoll, die Tour durchzuboxen, meinte Rad-Präsident Harald J. Mayer in einer Stellungnahme.
Das sorgte bei Teams und Fahrern für Verärgerung. Man habe den heimischen Continental-Teams die Möglichkeit genommen, ihre Sponsoren daheim zu präsentieren, lautete ein Vorwurf, auch dass man die Planungen zu nachlässig vorangetrieben habe und daher Zimmer zu spät gebucht habe. Jungprofi Felix Gall, derzeit beim Giro unterwegs, sprach Klartext: „Das ist ein Schlag für alle jungen Fahrer, die sich präsentieren wollten. Drei Jahre hintereinander die Rundfahrt ausfallen zu lassen, das ist schon ein Armutszeugnis für den Verband.“
Zumal es nach dem Ausfall im Vorjahr sogar eine Initiative gab, die Rundfahrt auf eigene Beine zu stellen. Eine Gruppe um den Söldner Skiweltcup-Chef Ernst Lorenzi, den Osttiroler Tourismus-Chef Franz Theurl und Ex-Radprofi Thomas Rohregger hätte die Rundfahrt in Eigenregie durchgeführt, doch das hat der Verband abgelehnt. Dass die Tourismusregionen nun der „alten“Rundfahrt die kalte Schulter zeigen, kommt daher auch nicht ganz überraschend.
Doch das ist offenbar noch nicht alles: Nach SN-Informationen soll sich nun auch die Staatsanwaltschaft für Geldflüsse früherer Rundfahrten interessieren. Es geht um Zahlungen zwischen einem Sponsor, der Rundfahrt und dem Verband. Sollte es da zu Ermittlungen kommen, wäre das für den ÖRV existenzbedrohend, denn dann würde die Auszahlung von Förderungen eingestellt werden. So könnte es sein, dass die Zimmerposse von Seeboden der Auftakt zu einem richtigen Erdbeben im Verband ist.
Indes hat die mit 5000 Höhenmetern besonders harte Abruzzen-Etappe des Giro d’Italia Veränderungen, aber keinen Umsturz gebracht. Denn Juan Pedro López liegt auch nach dem 9. Teilstück von Isernia zur Bergankunft Blockhaus vorne. Sein Vorsprung beträgt vor dem Ruhetag am Montag aber nur noch wenige Sekunden. Der Tagessieg ging in einem Sechser-Bergaufsprint an den Australier Jai Hindley. Felix Gall (AG2R) hatte sein Glück vergeblich in der neunköpfigen Fluchtgruppe gesucht.