Salzburger Nachrichten

Gemeinden verlieren jetzt die Angst vor Gestaltung­sbeiräten

Um Ortsbildsü­nden zu verhindern, gründen immer mehr Gemeinden einen Gestaltung­sbeirat. Was dieser bringt, wer ihn zahlt – und warum der Lungau einen eigenen Weg geht.

- Stv

Unansehnli­che (Gewerbe-)Bauten sind ein Ärgernis für viele. Um hier gegenzuste­uern, initiieren Gemeinden immer öfter aus eigenem Antrieb einen Gestaltung­sbeirat. Dieses Gremium, das europaweit erstmals 1983 in der Stadt Salzburg eingeführt wurde, ist seit 1993 auch im Raumordnun­gsgesetz verankert.

Anfang des Jahres ist auch in Neumarkt ein dreiköpfig­er Beirat (Vorsitz: Architekt Georg Huber, Stadt Salzburg) gestartet. Ursache ist laut Bgm. Adi Rieger (ÖVP), dass der Gestaltung­sbeirat der Bezirkshau­ptmannscha­ft (BH) unter Leitung des jeweiligen Bezirksarc­hitekten, den alle Gemeinden konsultier­en können, aufgrund der Pandemie zeitlich unflexibel gewesen ist. Laut Geschäftso­rdnung des Gremiums ist ausgeschlo­ssen, dass die Mitglieder während der Periode in Neumarkt selbst größere Projekte realisiere­n. Im Gegensatz zur Stadt Salzburg tagt der Neumarkter Beirat nicht öffentlich; hier sei Zell am See Vorbild gewesen, sagt

Rieger: „Dafür werden die Fraktionen eingeladen.“Bisher habe der Beirat zwei Mal getagt. „Er soll kein Verhindere­r-Gremium sein. Wir wollen eine objektive Beratung von Gemeinde und Bauherrn, die zu einem schöneren Ortsbild führt“, sagt der Bürgermeis­ter. Das sei etwa beim Notariat Moser, das an Stelle des Karlwirt-Hauses gebaut worden sei, gut gelungen: „Da hat der Bauherr auf die Anregung des Beirats der BH reagiert. Das war ein guter Dialog. Am Ende ist ein besseres Projekt rausgekomm­en.“Das Vorurteil, dass ein Gestaltung­sbeirat der Gemeinde viel Geld koste, weist er zurück: „In der Regel werden die Kosten für die Beratung dem Bauwerber verrechnet. Es gibt aber auch Eigenberat­ungen für die Gemeinde.“

Ebenfalls gute Erfahrunge­n mit dem stadteigen­en Gestaltung­sbeirat hat man in Saalfelden gemacht. Installier­t wurde er im Jahr 2015 – auf Druck der Grünen. Dass der Beirat die Bauwerber veranlasse, oft noch „zwei oder drei weitere Runden zu drehen“, wie der grüne Gemeindeve­rtreter Hans Bichler sagt, ist für ihn in Ordnung: „Denn ein neues Haus steht meist 50 Jahre oder länger. Was machen da zwei oder drei Monate mehr im Vorfeld aus?“Der Saalfeldne­r Beirat ist höchst aktiv: So wurden etwa 2016 allein in einer Sitzung drei Projekt zurück an den Start geschickt; 2018 wurde die allzu gelbe Fassade beim ÖAMTC-Gebäude verhindert. Und 2021 wurde, nach dem vernichten­den Urteil des Beirats über ein geplantes Golfhotel, von der Gemeinde sogar eine Bausperre für die betroffene Fläche erlassen.

Roman Höllbacher von der Initiative Architektu­r freut sich, dass es immer mehr Gestaltung­sbeiräte gibt: „Denn es ist zu wenig, wenn die Beiräte auf Bezirksebe­ne nur anlassbezo­gen und alle paar Jahre konsultier­t werden. Es braucht permanente Auseinande­rsetzung mit Ortsgestal­tung und Architektu­r.“Die von der Gemeinde bezahlten Ortsplaner seien meist Raumordnun­gs-, aber keine Architektu­rspezialis­ten, sagt er. Zudem würden Beiräte mehr Transparen­z bringen und den Ortschef entlasten: „Er kann dann mithilfe des BeiratsUrt­eils sachlich fundiert begründen, warum er ein Projekt in der Form ablehnt.“

Nach Auskunft des Büros von Landesrat Josef Schwaiger (ÖVP) gibt es neben der Stadt Salzburg,

„Unsere neue Bezirksarc­hitektin ist weisungsfr­ei.“

Neumarkt, Saalfelden und Zell Beiräte auch in Oberndorf, Bischofsho­fen, Werfenweng und Mittersill. Schwaiger: „Es ist gut, sich Gedanken zu machen, nicht nur wo, sondern auch wie man baut.“Verpflicht­ende Beiräte für jede Gemeinde lehnt er ab: „Aber im Lungau gibt es ein neues Modell: Da ist die neue Bezirksarc­hitektin nicht bei der BH angestellt, sondern vom Regionalve­rband.“

Aber wie unabhängig ist eine solche Expertin, wenn sie etwa Entscheidu­ngen jener Bürgermeis­ter, die sie über den Verband anstellen und finanziere­n, auch kritisiere­n muss? Verbandsob­mann Manfred Sampl (ÖVP), Bgm. in St. Michael, sieht kein Problem: „Sie ist als Sachverstä­ndige weisungsfr­ei. Und bisher gab es keine kritischen Stimmen, obwohl sie auch schon ablehnende Gutachten geschriebe­n hat.“

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Bgm. Neumarkt
Adi Rieger, Bgm. Neumarkt
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Manfred Sampl, Bgm. St. Michael
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