Der Kreml sorgt für die nächste Zeitenwende
Die NATO wächst. Warum der Beitritt Finnlands und Schwedens die Machtbalance in Europa ändern wird.
Wladimir Putin wollte eine neue Sicherheitsordnung in Europa. Er bekommt sie, aber anders, als er sie sich erträumt hatte. Schon kurz nachdem die ersten Bomben und Raketen auf ukrainische Städte fielen, kündigte Deutschlands neuer Kanzler Olaf Scholz eine Zeitenwende für sein Land an: Deutschland wird aufrüsten. Deutschland wird Waffen in ein Kriegsgebiet liefern und der Ukraine helfen. Die vielgerühmte Entspannungspolitik der SPD, ein Teil ihrer Identität, ist an Putins Aggression zerschellt.
Nur wenige Wochen später steht die nächste Zeitenwende an. Finnland und Schweden werden aller Voraussicht nach der NATO beitreten. Das Verteidigungsbündnis wird eine nordische Erweiterung hinlegen. Die beiden skandinavischen Staaten werfen ihre Bündnisfreiheit über Bord. Sie brechen mit geliebten nationalen Traditionen. Die Entscheidungen in Helsinki und Stockholm sind direkte Folge der russischen Kriegslust. Einschätzungen in beiden Hauptstädten führten zum Schluss, dass eine NATO-Mitgliedschaft die Hürde für militärische Konflikte im Norden Europas erhöhen und somit die Sicherheit stärken würde.
Schwedens Außenministerin Ann Linde konstatierte, die Russlandkrise sei „strukturell, systematisch und langwierig“. Soll heißen: Solange Putin an der Macht ist und seine imperialen Fantasien verfolgt, wird es keinen Frieden geben. Seine Beteuerungen gegenüber Finnland, von Russland gehe keine Gefahr aus, sind so glaubwürdig wie seine Versicherungen, Russland greife in der Ukraine keine Zivilisten an.
Die Nordausdehnung der NATO ändert die Balance in Europa. Schweden und Finnland verfügen über starke, moderne Streitkräfte; die Fähigkeiten zu Wasser, Luft und Land sind beachtlich. Die Verteidigung des Baltikums, eines EU-Gebiets, wird deutlich einfacher. Die Ostsee wird zur NATO-See. Und auch in der Arktis wird die Allianz dem russischen Machtstreben stärker entgegentreten.
Moskau reagiert auf diese Entwicklungen, die es unbedingt vermeiden wollte, gezwungenermaßen verhalten. Seine Armee wird Jahre benötigen, sich von den Verlusten in der Ukraine zu erholen. Ein Wettrüsten mit der neuen, im Norden stärkeren NATO birgt die Gefahr einer Wiederholung: Am militärischen Kräftemessen mit dem Westen ist schon die von Putin so betrauerte Sowjetunion untergegangen. Der Ex-Agent, der zum Diktator wurde, hat einmal mehr bewiesen, dass er die Lage falsch eingeschätzt hat. Militärisch, aber auch politisch.