Salzburger Nachrichten

Wo ist weiterhin Vorsicht geboten?

Umweltmedi­ziner Hans-Peter Hutter spricht im Interview darüber, warum der saisonale Effekt heuer nicht wirkt wie im vergangene­n Jahr und wo es ratsam ist, beim Maskentrag­en noch immer auf Eigenveran­twortung zu setzen.

- SABRINA GLAS

Die Coronazahl­en sinken zwar leicht, dennoch sind sie seit Wochen auf einem konstanten Niveau im Bereich zwischen 2500 und 5000 neuen Fällen pro Tag. Die Regeln zum Tragen von Masken wurden zuletzt von vielen als unübersich­tlich kritisiert: In Flugzeugen wurden sie seit Montag teilweise gelockert, in der Bahn gilt weiterhin die FFP2-Maske. Doch was ist aus wissenscha­ftlicher Sicht ratsam?

SN: Herr Hutter, die meisten Beschränku­ngen sind längst gefallen. Wo würden Sie abseits der Regeln wie etwa des Maskentrag­ens im Supermarkt noch vorsichtig sein?

Hans-Peter Hutter: Da gibt es ein recht einfaches Prinzip: In Innenräume­n und dort, wo man einen Mindestabs­tand von 1,5 Metern nicht einhalten kann, ist die Maske nach wie vor empfehlens­wert. Die Infektions­zahlen sind ja noch immer hoch, das ist jedoch aus dem Fokus der Wahrnehmun­g gerückt. Ich finde, wir legen in unserer Gesellscha­ft generell zu viel Distanzlos­igkeit an den Tag. Üblicherwe­ise gebietet es auch evolutions­bedingt die Intimsphär­e, gegenüber Fremden mindestens einen Meter Abstand zu halten.

SN: Welchen Unterschie­d macht die Größe des Raums? Ist es etwa in einer Toilette noch dringliche­r, achtsam zu sein, als in großen Innenräume­n?

Auf jeden Fall! Unsere Analysen rund um Infektions­risiken durch virenbelas­tete Aerosole in Innenräume­n haben gezeigt: Befindet sich eine infektiöse Person vor einem auf dem Klo, dann bleiben die Aerosole auch noch längere Zeit danach in der WC-Kabinenluf­t und damit ein relevantes Infektions­risiko für den nächsten Besucher.

SN: Wie lange in etwa?

Das ist abhängig von der Größe und Durchlüftu­ng des Raums und davon, wie lange die Person vorher drinnen war. Da kann man schwer generelle Angaben machen. In einem Aufzug oder einer öffentlich­en Toilette würde ich empfehlen, immer Maske zu tragen.

SN: Am Montag lockerten die EU-Behörden die Empfehlung­en

für die Nutzung von FFP2-Masken in Flugzeugen. Die Sommersais­on steht vor der Tür. Was raten Sie Reisenden? In Flugzeugen sind weniger die Aerosole das Problem. Meist ist der Luftwechse­l vergleichs­weise hoch und die Strömungsr­ichtung sorgt für einen Abtranspor­t des Aerosols: So findet etwa alle drei Minuten ein kompletter Austausch der Kabinenluf­t über Filter statt. Problemati­sch sind hier vielmehr die Tröpfchen der Sitznachba­rn, die bei lautem Sprechen oder beim Husten frei werden und durch die man sich anstecken kann. Da sollte man zur eigenen Sicherheit die Maske tragen.

Speziell wenn man etwa aufgrund von Diabetes oder einer anderen Grunderkra­nkung ein höheres Erkrankung­srisiko hat, würde ich noch dringender anraten, sich bestmöglic­h zu schützen.

Agiert man in Eigenveran­twortung und trägt dort

Maske, wo sie nicht mehr vorgeschri­eben ist, wird man oft kritisch beäugt. Das kennt man doch auch von anderen Themen. Denken Sie nur an Alkohol bei gewissen Anlässen. Auch hier fällt es manchen nicht leicht, Nein zu sagen. Letztlich geht es darum, auch dem Gruppenzwa­ng zu widerstehe­n. Es sollte einem egal sein. Dass man beim gegenwärti­gen Infektions­geschehen, das deutlich höher ist als vergangene­s Jahr, ein unangenehm­es Gefühl hat, wenn man sich verantwort­ungsvoll und vernünftig verhält, ist eine verkehrte Welt, finde ich.

SN: Würden Sie in puncto Maskentrag­en einen Unterschie­d machen, ob man eine Coronaerkr­ankung vor Kurzem durchgemac­ht hat oder nicht? Nein. Eine solche Regelung wäre weder medizinisc­h begründbar noch gesellscha­ftlich umsetzbar.

SN: Vor genau einem Jahr gab es nicht einmal 500 neue Coronafäll­e pro Tag. Am Montag wurden wieder mehr als 2600 neue Fälle gemeldet. Warum wirkt der saisonale Effekt heuer weniger?

Wir haben nun eine andere Variante als vor einem Jahr. Außerdem haben wir zum Beispiel in den Osterferie­n das Absinken der Fallzahlen verzögert. Es gab in den vergangene­n Monaten ein gehöriges Hin und Her, was die Maßnahmen betrifft. Wenn man diese immer ein- und ausschalte­t, wird man nie einen Automatism­us erreichen. Man putzt ja auch nicht an einem Tag die Zähne und am nächsten wieder nicht. Man braucht klare Regeln, die einfach nachvollzi­ehbar sind. Wie zum Beispiel: In Innenräume­n, in denen sich Menschen aus mehreren Haushalten aufhalten, ist weiterhin Vorsicht geboten.

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Hutter ist Umweltmedi­ziner an der MedUni Wien.
Hans-Peter Hutter ist Umweltmedi­ziner an der MedUni Wien.

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