Verdacht in Kindergruppe wurde 13 Monate vertuscht
Ein Pädagoge soll sich in einem Kindergarten an drei Kleinkindern vergangen haben. Die Eltern wurden über die Gründe für den Abgang des Pädagogen falsch informiert.
WIEN. Die Vorwürfe wiegen schwer: Ein beim Magistrat (MA) Wien beschäftigter Pädagoge steht im Verdacht, sich in einem städtischen Kindergarten in Wien-Penzing an Kleinkindern im Alter von einem bis drei Jahren vergangen zu haben. Die möglichen Übergriffe sollen bereits zwischen April 2020 und März 2021 stattgefunden haben. Die zuständige MA 10 entband damals den Pädagogen nach dem Auftauchen erster Verdachtsmomente zwar sofort von seiner Aufgabe, erstattete Strafanzeige und versetzte ihn in den inneren Dienst, die betroffenen Eltern des Kindergartens wurden aber erst vor einigen Tagen von möglichen Übergriffen informiert.
Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, bestätigte laufende Ermittlungen wegen Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen in drei Fällen. Das Verfahren gegen den unbescholtenen Mann sei seit April 2021 anhängig. Die Fälle wurden laut Bussek nicht gleichzeitig angezeigt. Zunächst sei nur ein Fall anhängig gewesen, zwei weitere seien später dazugekommen. „Man braucht einen Sachverständigen, der die Kinder vernimmt. Wir warten noch auf das psychiatrische Gutachten.“
Im ersten Fall soll der Pädagoge ein Mädchen beim Wickeln und Schlafen unsittlich berührt haben. Ein kleiner Bub soll geklagt haben, der Verdächtige habe seinen Penis zu fest gedrückt. Warum die Kindergartenleitung bzw. die MA 10 die betroffenen Eltern erst 13 Monate später verständigt hat, ist rätselhaft. Deren Leiterin Daniela Cochlár verteidigt das Vorgehen der Behörde: „Wir sind überzeugt davon, aufgrund der Verdachtslage richtig gehandelt zu haben.“Cochlár zufolge wurden die Pädagoginnen angewiesen, die Kleinkindergruppe gut auf Auffälligkeiten hin zu beobachten.
Die Elternvertreterinnen informierten über WhatsApp andere Eltern darüber, dass sie vergangenen Mittwoch die Hiobsbotschaft vom Verein Selbstlaut erhalten haben. In einer von einem Vater initiierten Unterschriftenliste wird schon der Rücktritt der Kindergartenleitung gefordert. Die Kritik: „Die Eltern der Gruppe wurden über den Abgang des Pädagogen im Dunklen gelassen. Daher wurde den möglichen Betroffenen auch die Möglichkeit der psychologischen Begleitung und Unterstützung genommen.“
Selbstlaut, Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern, übermittelte den Eltern einen Leitfaden, wie sie behutsam mit ihren Sprösslingen über das Thema sprechen könnten. Darin heißt es: „Es wurde euch im Kindergarten gesagt, dass er krank war oder Corona hatte und deswegen nicht mehr da ist. Das hat nicht gestimmt. Ich wollte dir den richtigen Grund sagen.“
Aus dem Schreiben geht hervor, dass der Verdächtige mit den Kindern „komische Spiele gespielt“haben könnte. „Pädagoginnen und Pädagogen sollen Kindern keine geheimen Sachen erzählen. Sie dürfen mit Kindern keine Spiele machen, bei denen die Kinder nackt sind oder angefasst werden. Sie dürfen Kindern keine Geschenke dafür geben, dass sie etwas für sie tun“, so Selbstlaut. Noch Freitag versuchte der Verein in einem Schreiben, die Eltern davon abzuhalten, mit Medien in Kontakt zu treten. Eine Veröffentlichung berge „aus fachlicher Sicht viele Risiken für den Kinderschutz“, wurde gewarnt.
Ein betroffener Elternteil kritisiert, dass die Eltern von offizieller Seite noch immer nichts erfahren haben. Das soll erstmals am Donnerstag bei einem Elternabend passieren. „Was meinen sie mit ,Kinder testen lassen‘? Für eine ärztliche Untersuchung ist es ja jetzt wohl zu spät“, sagt ein Elternteil. Cochlár betont, die Verbreitung der Nachricht sei sehr unglücklich gelaufen und führe bei den Eltern nur zu Verunsicherung und Ängsten.