„Die Mächtigen müssen sich fürchten“
Im Schatten von Katar 2022: Der Fußball braucht eine Neuordnung.
Die kürzlich veröffentlichten Aussagen eines sichtlich genervten Ex-Präsidenten von Bayern München, Uli Hoeneß, zur viel kritisierten Fußball-WM in Katar wirken zynisch und verstörend zugleich. Die Äußerung, dass durch Aktivitäten wie die WM die Arbeitsbedingungen vor Ort besser würden, ist wohl nur finanziellen Verstrickungen des FC Bayern mit Clubsponsor Qatar Airways geschuldet. Arbeiter, die in Katar für die WM schuften mussten, erzählen von menschenunwürdigen Bedingungen und oft zurückgehaltenen Bezahlungen. Die Verirrungen gehen weiter: So erzählte der Botschafter Katars in Deutschland, Abdulla Mohammed alThani, bei einem Vortrag beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), sein Land stehe seit zwölf Jahren unter Beobachtung und so habe sich viel verbessert. Als ein Fan dann bei diesem Auftritt Kritik formulierte und die Bühne übernahm, meinte al-Thani: „Sagen Sie es öffentlich oder halten Sie den Mund.“Kritik aushalten ist nicht das Wesen von unter Druck geratenen Veranstaltern und offiziellen Vertretern im Fußballbusiness.
Zwölf Jahre hatte aber die Welt Zeit, um noch mehr Druck zu erzeugen – vor zwölf Jahren wurde die WM vom Fußball-Weltverband FIFA an den Wüstenstaat vergeben. Der oscarprämierte Film „12 Years a Slave“(12 Jahre als Sklave) fällt einem ob der Bedingungen vor Ort ein – und das berichten nicht nur betroffene Gastarbeiter aus vieler Herren Länder. Sich jetzt zu beklagen, dass die WM in Katar stattfindet, und einen Boykott von den Spielern zu fordern nützt wenig. Den Spielern die Last umzuhängen – wie bei den Dänen aktuell mit Protest-Dressen – ist nur medientauglich.
Fakt ist, dass seit vielen Jahren Großveranstaltungen wie die Fußball-WM nicht an den Veranstalter mit dem besten Konzept, sondern an den Meistbietenden gehen. Und das wird meist hinter den Kulissen ausgemauschelt.
Es braucht eine Neuordnung im Weltfußball. Aber wie? „Die Mächtigen müssen sich fürchten“, meinte die deutsche Journalistin Alina Schwermer im SN-Sporttalk (SN.at/video). „Der Druck auf die Entscheidungsträger muss von der Gesellschaft kommen“, meinte die Autorin des Buchs „Futopia“, in dem sie eine Neuordnung des Fußballs abseits der Gier nach Gewinnen andenkt. Was für sie das Schlimmste ist? „Wenn die Weltmeisterschaft beginnt, ist alles vergessen.“
Teflonbeschichtet sind sie, die Mächtigen im Fußballgeschäft. Diskurs und Toleranz werden niedergebügelt. Andersdenkende lächerlich gemacht und Fakten vom Tisch gewischt. Das ist es, was nervt. Aber genervt sein ändert nichts.