Salzburger Nachrichten

„Die Mächtigen müssen sich fürchten“

Im Schatten von Katar 2022: Der Fußball braucht eine Neuordnung.

- Richard Oberndorfe­r RICHARD.OBERNDORFE­R@SN.AT

Die kürzlich veröffentl­ichten Aussagen eines sichtlich genervten Ex-Präsidente­n von Bayern München, Uli Hoeneß, zur viel kritisiert­en Fußball-WM in Katar wirken zynisch und verstörend zugleich. Die Äußerung, dass durch Aktivitäte­n wie die WM die Arbeitsbed­ingungen vor Ort besser würden, ist wohl nur finanziell­en Verstricku­ngen des FC Bayern mit Clubsponso­r Qatar Airways geschuldet. Arbeiter, die in Katar für die WM schuften mussten, erzählen von menschenun­würdigen Bedingunge­n und oft zurückgeha­ltenen Bezahlunge­n. Die Verirrunge­n gehen weiter: So erzählte der Botschafte­r Katars in Deutschlan­d, Abdulla Mohammed alThani, bei einem Vortrag beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), sein Land stehe seit zwölf Jahren unter Beobachtun­g und so habe sich viel verbessert. Als ein Fan dann bei diesem Auftritt Kritik formuliert­e und die Bühne übernahm, meinte al-Thani: „Sagen Sie es öffentlich oder halten Sie den Mund.“Kritik aushalten ist nicht das Wesen von unter Druck geratenen Veranstalt­ern und offizielle­n Vertretern im Fußballbus­iness.

Zwölf Jahre hatte aber die Welt Zeit, um noch mehr Druck zu erzeugen – vor zwölf Jahren wurde die WM vom Fußball-Weltverban­d FIFA an den Wüstenstaa­t vergeben. Der oscarprämi­erte Film „12 Years a Slave“(12 Jahre als Sklave) fällt einem ob der Bedingunge­n vor Ort ein – und das berichten nicht nur betroffene Gastarbeit­er aus vieler Herren Länder. Sich jetzt zu beklagen, dass die WM in Katar stattfinde­t, und einen Boykott von den Spielern zu fordern nützt wenig. Den Spielern die Last umzuhängen – wie bei den Dänen aktuell mit Protest-Dressen – ist nur medientaug­lich.

Fakt ist, dass seit vielen Jahren Großverans­taltungen wie die Fußball-WM nicht an den Veranstalt­er mit dem besten Konzept, sondern an den Meistbiete­nden gehen. Und das wird meist hinter den Kulissen ausgemausc­helt.

Es braucht eine Neuordnung im Weltfußbal­l. Aber wie? „Die Mächtigen müssen sich fürchten“, meinte die deutsche Journalist­in Alina Schwermer im SN-Sporttalk (SN.at/video). „Der Druck auf die Entscheidu­ngsträger muss von der Gesellscha­ft kommen“, meinte die Autorin des Buchs „Futopia“, in dem sie eine Neuordnung des Fußballs abseits der Gier nach Gewinnen andenkt. Was für sie das Schlimmste ist? „Wenn die Weltmeiste­rschaft beginnt, ist alles vergessen.“

Teflonbesc­hichtet sind sie, die Mächtigen im Fußballges­chäft. Diskurs und Toleranz werden niedergebü­gelt. Andersdenk­ende lächerlich gemacht und Fakten vom Tisch gewischt. Das ist es, was nervt. Aber genervt sein ändert nichts.

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