Kiew freut die russische Pleite nach der Annexion
Kurz nach der Annexion ukrainischer Gebiete müssen russische Truppen die strategisch wichtige Stadt Lyman aufgeben. Militärbeobachter orten einen herben Rückschlag für Russland.
KIEW. Der ukrainische Präsident
Wolodymyr Selenskyj hat am Sonntag die vollständige Eroberung der Stadt Lyman in der von Russland annektierten Region Donezk bekannt gegeben. Seit 12.30 Uhr sei die Stadt vollständig von russischer Militärpräsenz befreit, sagte Selenskyj in einem in Onlinenetzwerken veröffentlichten Video. „Dank an unser Militär!“Die strategisch
wichtige Stadt Lyman war seit dem Frühjahr von Moskaus Truppen besetzt.
Die Militärexperten des renommierten Institute for the Study of
War sehen in dem Rückzug russischer Truppen aus Lyman „mit ziemlicher Sicherheit“eine bewusste Entscheidung Putins. Nicht die Kommandeure hätten entschieden, dass die Frontlinien nahe der
Städte Kupjansk oder Lyman nicht
verstärkt würden, sondern der Präsident selbst. Es deute darauf hin, dass sich Putin vielmehr um die
Sicherung strategischer Gebiete in den Regionen Cherson und Saporischschja bemühen wolle.
Nach Einschätzung britischer Geheimdienste erlitten die Russen
beim Rückzug aus Lyman hohe Verluste. Die Stadt sei zuvor mutmaßlich von unterbesetzten russischen Einheiten sowie Reservisten verteidigt worden. Beim Rückzug über die einzige Straße aus der Stadt, die
noch unter russischer Kontrolle sei, seien wohl viele Soldaten gefallen. Offizielle Angaben dazu gab es weder aus Kiew noch aus Moskau. Operativ sei Lyman wichtig, da es über einen wichtigen Straßenübergang über den Fluss Siwerskyj Do
nez verfüge, hinter dem die russische Armee versucht habe, ihre Verteidigungsanlagen zu konsolidieren. Die britischen Militärbeobachter gehen davon aus, dass der Rückzug Russlands aus Lyman auch einen bedeutenden politischen Rückschlag darstellt. Die Stadt liegt im Gebiet Donezk, einer der illegal annektierten Regionen, die Russland angeblich „befreien“will.
Kremlchef Wladimir Putin hatte die vom Westen als völkerrechtswidrig bezeichnete Annexion der Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson am Freitag
vollzogen. Mit der Annexion hatte die russische Führung klargemacht, dass sie Angriffe auf diese Regionen
künftig als Angriffe auf russisches Staatsgebiet betrachten werde. Für diesen Fall hatte die Nummer zwei des russischen Sicherheitsrats, ExPräsident Dmitri Medwedew, mit dem Einsatz „strategischer Atomwaffen“gedroht.
Die Staatspräsidenten von neun NATO-Ländern in Mittel- und Osteuropa verurteilten die Annexion
und wiesen sie als unrechtmäßig zurück. „Wir bekräftigen unsere Unterstützung für die Souveränität
und territoriale Integrität der Ukraine. Wir erkennen Russlands
Versuche, ukrainisches Territorium zu annektieren, nicht an und werden sie niemals anerkennen“, hieß es am Sonntag in einer gemeinsamen Erklärung.
Unterzeichnet wurde sie von den Staatschefs von Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Nordmazedonien, Montenegro, Rumänien und der Slowakei.