Salzburger Nachrichten

Hohe Inflation bringt Mieter in teils prekäre Lage

Wertsicher­ungsklause­l in Mietverträ­gen wird schlagend, dazu kommen stark steigende Betriebsko­sten. Ökonomen erwarten neuen Preisschub.

- HERMANN FRÖSCHL

WIEN, SALZBURG. Josef Baumgartne­r vom Institut für Wirtschaft­sforschung (Wifo) warnte schon im Mai in den SN, die sich abzeichnen­de

hohe Inflations­rate würde zunehmend zum Problem für Wohnungsmi­eter. Denn die meisten Mietverträ­ge beinhalten eine Wertsicher­ungsklause­l. Steigt die Inflation zur letzten Anpassung im Jahresabst­and um mehr als fünf Prozent,

wird erhöht. Womit teils massive Mieterhöhu­ngen ins Haus stünden.

Mittlerwei­le ist die Inflations­rate auf über zehn Prozent geklettert.

Und Georg Niedermühl­bichler, Präsident der Mietervere­inigung Österreich, berichtet von heftigen Entwicklun­gen. Bei den (geschützte­n und günstigen) Kategoriem­ieten im Altbestand mit vor 1994 abgeschlos­senen Mietverträ­gen drohe

wegen der Wertsicher­ungsklause­ln gerade die dritte Mieterhöhu­ng in diesem Jahr. In Summe seien die Mieten dort um 17 Prozent gestiegen. „Ein Horror“, sagt Niedermühl­bichler. Auch bei den Richtwertm­ieten (ebenfalls Altbestand, vor 1953 gebaut, Mietvertra­g nach 1994 abgeschlos­sen) habe es bereits Erhöhungen von sechs bis sieben Prozent gegeben. Und im kommenden

April drohe dort die nächste Mieterhöhu­ng von bis zu acht Prozent.

Auch im freien Mietmarkt hat so gut wie jeder Mietvertra­g eine derartige Wertsicher­ungsklause­l ein

gebaut. Der Vermieter hat damit das Recht, die Mieten entspreche­nd der Inflations­rate zu erhöhen.

Wie viele davon Gebrauch machen, wird statistisc­h nicht erfasst – und ist individuel­l naturgemäß sehr unterschie­dlich. Anton Holzapfel, Chef des Österreich­ischen Verbands der Immobilien­wirtschaft (ÖVI), verteidigt die Anwendung der Wertsicher­ungsklause­ln zwar energisch. Er meint in Bezug auf die

generellen Miethöhen aber, dass sich in Zeiten „galoppiere­nder Betriebsko­sten“

auch die Frage der Leistbarke­it stelle. „Da muss ein

Vermieter froh sein, wenn er leistungsf­ähige Mieter hat.“

Faktum ist, dass die Mieten in Österreich generell schon sehr hoch sind. Seit 2006 ist der durchschni­ttliche Mietpreis jedes Jahr gestiegen. Im Jahr 2021 bezahlten Mieter über 60 Prozent mehr für den Quadratmet­er als noch 2005. Lediglich 2021

und in den ersten Monaten 2022 sind die Mieten statistisc­h betrachtet leicht gesunken. Das hängt aber mit einer Änderung der Berechnung­smethode in der Inflations­rate zusammen. Experten gehen davon aus, dass dieser Effekt nun ein Ende

hat. Wifo-Ökonom Baumgartne­r rechnet schon im vierten Quartal mit deutlich anziehende­n Mietpreise­n in der Inflations­statistik. Er geht wegen der Wertsicher­ungsklause­ln in den Verträgen von einem Plus von fünf bis sechs Prozent aus. Und nächstes Jahr würden die

Anstiege noch höher ausfallen. Für die Mietervere­inigung ist es

jedenfalls fünf vor zwölf. Präsident Georg Niedermühl­bichler, er sitzt

übrigens für die SPÖ auch im Wiener Landtag, fordert nicht nur einen Mietdeckel von der Regierung. Er will auch eine Abkehr von den

Wertsicher­ungsklause­ln in den Verträgen. Es sei nicht einzusehen, dass die volle Inflation aufgeschla­gen werde. In der Schweiz etwa seien die Mieterhöhu­ngen auf 40 Prozent der Inflations­rate limitiert. Derartiges sei auch in Österreich nötig, sagt Niedermühl­bichler.

Holzapfel von der Immobilien­wirtschaft hält dagegen. Die Vermieter hätten Sanierungs- und Instandhal­tungspflic­hten. Dafür sei die Wertsicher­ungsklause­l notwendig. Was Andreas Kreutzer, Partner des Beraternet­zwerks Kreutzer Fischer & Partner, nicht gelten lässt. Dem Grundstück­s- und Wohnungswe­sen seien in den vergangene­n 20 Jahren im Durchschni­tt 24,1 Prozent der Einnahmen als Nettogewin­n geblieben. Kein anderer Wirtschaft­szweig sei profitable­r. Auch er regt an, die Indexierun­g von Mieten gesetzlich auszusetze­n.

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