Immer weniger wollen Lehrer werden
Das Interesse am Lehramtsstudium sinkt in Salzburg massiv. Studenten, die bereits mit der Ausbildung begonnen haben, wundert das nicht.
SALZBURG. Nach der Matura ein Lehramtsstudium beginnen und dann nach ein paar Semestern schon fix an einer Schule unterrichten – geht das?
Unmöglich, hätte man vor ein paar Jahren noch gesagt. Heute ist es gang und gäbe, dass Studierende schon im dritten Studienjahr zum Unterrichten eingesetzt
werden. Grund ist der massive Lehrermangel, vor allem an den Pflichtschulen in Fächern wie Mathematik oder Deutsch.
Diesen Trend sehen Beobachter sehr kritisch – zum einen, was die Qualität des Unterrichts betrifft, zum anderen, was die Studienleistungen betrifft. Wer schon ab dem fünften Uni-Semester an einer Schule unterrichte, könne beim Studium
kaum große Fortschritte machen, sagt Maximilian Wagner von der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH). „Wenn die unterrichten, fehlen ihnen ganze Vormittage an der Uni. Die bleiben im Zweifel dann im Studium hängen und kommen nicht weiter.“
Die Lage könnte sich in den kommenden Jahren sogar noch zuspitzen, weil nicht genug Junglehrer/-innen nachkommen: 2019 begannen in Salzburg noch
476 mit dem Lehramtsstudium Sekundarstufe (Mittelschule,
AHS, BMHS). Jetzt gibt es – mit Stand Ende September – nur
mehr 255 Erstsemestrige. Die Zahlen seien noch nicht endgültig. Sicher sei aber, dass es einen
Rückgang gebe, sagt der zuständige Vizerektor für Lehre, Martin Weichbold.
Auch für die Volksschullehrerausbildung würden mehr Studienplätze zur Verfügung stehen: 105 Erstsemestrige haben zuletzt die Eignungsprüfung für das Studium Lehramt Primarstufe an der Pädagogischen Hochschule (PH)
bestanden. „Wir könnten 140 aufnehmen“, sagt PH-Rektorin Daniela Martinek.
Woran liegt das schwindende Interesse, Lehrer zu werden – vor allem, was die Sekundarstufe betrifft? Jene, die bereits mit einem Lehramtsstudium begonnen haben,
Daniela Martinek, Rektorin PH Salzburg
nennen mehrere Gründe. Da ist zum einen die im Vergleich zu früher lange Studiendauer. Früher war man nach drei Jahren an der Pädagogischen Akademie (Pädak) fertig ausgebildeter
Volksschul- oder Hauptschullehrer. Heute dauert die gemeinsame Ausbildung der Sekundarstufenlehrer (Mittelschulen, AHS, BMHS) sechs Jahre. Wer in einer
Volksschule unterrichten will, muss vier Jahre Bachelorstudium absolvieren und anschließend ein einjähriges berufsbegleitendes Masterstudium. Das dürfte
viele abschrecken. Dazu kommt, dass derzeit praktisch überall in der Privatwirtschaft Personal gesucht wird. In der Gastronomie zum Beispiel könne man sofort einsteigen, ohne jahrelang studieren zu müssen, heißt es.
Dazu kommen die Studienbedingungen, die viele als zu starr empfinden. So kritisieren Studierende, dass sie nach dem Ende der Lockdowns jetzt wieder für
jede Lehrveranstaltung an die Unis kommen müssten, obwohl das ganz einfach auch digital möglich wäre. Und dann ist da noch die sogenannte Induktionsphase: Diese dauert ein Jahr und ist, wie früher das Schulpraktikum, an der Schule zu absolvieren, wobei dem Junglehrer ein Mentor zur Seite steht. Das sei eine weitere Zusatzbelastung mit Theorie gerade für jene Studierenden, die ohnehin mit dem Unterrichten neben dem Studium schon genug um die Ohren hätten, so die Kritik.
Ein anderer wichtiger Faktor sind die vergleichsweise moderaten Lehrergehälter. Stefan Trivic
hat nach der Matura eine Milchtechnologie-Lehre absolviert.
Jetzt studiert er im neunten Se
„Auch wir könnten mehr Studierende aufnehmen.“
mester Biologie und Chemie und
unterrichtet nebenbei an einer städtischen Mittelschule Mathematik und Physik – aus Überzeugung, wie er sagt. An das LehrerGehalt in Höhe von 2400 bis 2800 Euro brutto dürfe er dabei
nicht denken: „Wenn ich an das
Geld denken würde, hätte ich nie Lehramt studiert. Bei der Molkerei verdiente ich gleich nach der Lehre mehr als beim Einstieg in den Lehrberuf nach dem Studium. Überall in der Privatwirtschaft bezahlt man besser.“Finanzielle Anreize wären tatsächlich gut, sagt auch Lehramtsstudent Bernhard Dichtl. „Gerade in meinem Fach Informatik bekommt man in der Privatwirtschaft um ein Eck mehr bezahlt.“
Die Hochschülerschaft schlägt als Ausweg vor, die Studiendauer
wieder zu verkürzen. „Der Bachelor
muss wieder etwas wert sein“, sagt Studierendenvertreter Wagner. „Wir würden die Masterpflicht abschaffen
und sagen: Nach vier Jahren Bachelorstudium kann man dauerhaft an einer Mittelschule oder AHS-Unterstufe arbeiten.“Wer in der Oberstufe unterrichten wolle, könne dann
noch den zweijährigen Master dranhängen. „Man hätte dann eine Trennung zwischen Unterund Oberstufe und nicht mehr, wie früher, eine Trennung nach Schultypen. Auch für die Ausbildung der Volksschullehrer/-innen sollten
vier Jahre genügen, sagt Wagner.
Eine Verkürzung der Studiendauer ist jedoch nicht geplant. Wohl aber seien Verbesserungen beim Studium möglich, betont Vizerektor Weichbold: „Es ist teilweise überkomplex gestaltet. Das macht das Studieren relativ aufwendig.“Deshalb wolle man das Curriculum überarbeiten – in Richtung besserer Vereinbarkeit von Studium und Beruf. In Kraft treten könne die neue Regelung frühestens 2024.
„Das Studium ist teilweise überkomplex gestaltet.“Martin Weichbold, Vizerektor für Lehre, Uni Salzburg