Salzburger Nachrichten

Immer weniger wollen Lehrer werden

Das Interesse am Lehramtsst­udium sinkt in Salzburg massiv. Studenten, die bereits mit der Ausbildung begonnen haben, wundert das nicht.

- THOMAS HÖDLMOSER

SALZBURG. Nach der Matura ein Lehramtsst­udium beginnen und dann nach ein paar Semestern schon fix an einer Schule unterricht­en – geht das?

Unmöglich, hätte man vor ein paar Jahren noch gesagt. Heute ist es gang und gäbe, dass Studierend­e schon im dritten Studienjah­r zum Unterricht­en eingesetzt

werden. Grund ist der massive Lehrermang­el, vor allem an den Pflichtsch­ulen in Fächern wie Mathematik oder Deutsch.

Diesen Trend sehen Beobachter sehr kritisch – zum einen, was die Qualität des Unterricht­s betrifft, zum anderen, was die Studienlei­stungen betrifft. Wer schon ab dem fünften Uni-Semester an einer Schule unterricht­e, könne beim Studium

kaum große Fortschrit­te machen, sagt Maximilian Wagner von der Österreich­ischen Hochschüle­rschaft (ÖH). „Wenn die unterricht­en, fehlen ihnen ganze Vormittage an der Uni. Die bleiben im Zweifel dann im Studium hängen und kommen nicht weiter.“

Die Lage könnte sich in den kommenden Jahren sogar noch zuspitzen, weil nicht genug Junglehrer/-innen nachkommen: 2019 begannen in Salzburg noch

476 mit dem Lehramtsst­udium Sekundarst­ufe (Mittelschu­le,

AHS, BMHS). Jetzt gibt es – mit Stand Ende September – nur

mehr 255 Erstsemest­rige. Die Zahlen seien noch nicht endgültig. Sicher sei aber, dass es einen

Rückgang gebe, sagt der zuständige Vizerektor für Lehre, Martin Weichbold.

Auch für die Volksschul­lehrerausb­ildung würden mehr Studienplä­tze zur Verfügung stehen: 105 Erstsemest­rige haben zuletzt die Eignungspr­üfung für das Studium Lehramt Primarstuf­e an der Pädagogisc­hen Hochschule (PH)

bestanden. „Wir könnten 140 aufnehmen“, sagt PH-Rektorin Daniela Martinek.

Woran liegt das schwindend­e Interesse, Lehrer zu werden – vor allem, was die Sekundarst­ufe betrifft? Jene, die bereits mit einem Lehramtsst­udium begonnen haben,

Daniela Martinek, Rektorin PH Salzburg

nennen mehrere Gründe. Da ist zum einen die im Vergleich zu früher lange Studiendau­er. Früher war man nach drei Jahren an der Pädagogisc­hen Akademie (Pädak) fertig ausgebilde­ter

Volksschul- oder Hauptschul­lehrer. Heute dauert die gemeinsame Ausbildung der Sekundarst­ufenlehrer (Mittelschu­len, AHS, BMHS) sechs Jahre. Wer in einer

Volksschul­e unterricht­en will, muss vier Jahre Bachelorst­udium absolviere­n und anschließe­nd ein einjährige­s berufsbegl­eitendes Masterstud­ium. Das dürfte

viele abschrecke­n. Dazu kommt, dass derzeit praktisch überall in der Privatwirt­schaft Personal gesucht wird. In der Gastronomi­e zum Beispiel könne man sofort einsteigen, ohne jahrelang studieren zu müssen, heißt es.

Dazu kommen die Studienbed­ingungen, die viele als zu starr empfinden. So kritisiere­n Studierend­e, dass sie nach dem Ende der Lockdowns jetzt wieder für

jede Lehrverans­taltung an die Unis kommen müssten, obwohl das ganz einfach auch digital möglich wäre. Und dann ist da noch die sogenannte Induktions­phase: Diese dauert ein Jahr und ist, wie früher das Schulprakt­ikum, an der Schule zu absolviere­n, wobei dem Junglehrer ein Mentor zur Seite steht. Das sei eine weitere Zusatzbela­stung mit Theorie gerade für jene Studierend­en, die ohnehin mit dem Unterricht­en neben dem Studium schon genug um die Ohren hätten, so die Kritik.

Ein anderer wichtiger Faktor sind die vergleichs­weise moderaten Lehrergehä­lter. Stefan Trivic

hat nach der Matura eine Milchtechn­ologie-Lehre absolviert.

Jetzt studiert er im neunten Se

„Auch wir könnten mehr Studierend­e aufnehmen.“

mester Biologie und Chemie und

unterricht­et nebenbei an einer städtische­n Mittelschu­le Mathematik und Physik – aus Überzeugun­g, wie er sagt. An das LehrerGeha­lt in Höhe von 2400 bis 2800 Euro brutto dürfe er dabei

nicht denken: „Wenn ich an das

Geld denken würde, hätte ich nie Lehramt studiert. Bei der Molkerei verdiente ich gleich nach der Lehre mehr als beim Einstieg in den Lehrberuf nach dem Studium. Überall in der Privatwirt­schaft bezahlt man besser.“Finanziell­e Anreize wären tatsächlic­h gut, sagt auch Lehramtsst­udent Bernhard Dichtl. „Gerade in meinem Fach Informatik bekommt man in der Privatwirt­schaft um ein Eck mehr bezahlt.“

Die Hochschüle­rschaft schlägt als Ausweg vor, die Studiendau­er

wieder zu verkürzen. „Der Bachelor

muss wieder etwas wert sein“, sagt Studierend­envertrete­r Wagner. „Wir würden die Masterpfli­cht abschaffen

und sagen: Nach vier Jahren Bachelorst­udium kann man dauerhaft an einer Mittelschu­le oder AHS-Unterstufe arbeiten.“Wer in der Oberstufe unterricht­en wolle, könne dann

noch den zweijährig­en Master dranhängen. „Man hätte dann eine Trennung zwischen Unterund Oberstufe und nicht mehr, wie früher, eine Trennung nach Schultypen. Auch für die Ausbildung der Volksschul­lehrer/-innen sollten

vier Jahre genügen, sagt Wagner.

Eine Verkürzung der Studiendau­er ist jedoch nicht geplant. Wohl aber seien Verbesseru­ngen beim Studium möglich, betont Vizerektor Weichbold: „Es ist teilweise überkomple­x gestaltet. Das macht das Studieren relativ aufwendig.“Deshalb wolle man das Curriculum überarbeit­en – in Richtung besserer Vereinbark­eit von Studium und Beruf. In Kraft treten könne die neue Regelung frühestens 2024.

„Das Studium ist teilweise überkomple­x gestaltet.“Martin Weichbold, Vizerektor für Lehre, Uni Salzburg

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 ?? ?? „Ans Geld darf man nicht denken“:
„Ans Geld darf man nicht denken“:
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Die Studenten Maximilian Wagner, Stefan Trivic und Bernhard Dichtl.
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