Die Nobelpreise fachen die Leuchtfeuer an
Braucht es in Zeiten von Krieg, Inflation und Pandemie Preise für herausragende Forschung? Ja. Sogar mehr denn je.
Die Auszeichnung kam überraschend. Aber es wäre auch erstaunlich gewesen, hätte das Nobelkomitee ausnahmsweise nicht überrascht: Der diesjährige
Medizinnobelpreis würdigte nicht wie spekuliert Forschung zu Brustkrebs. Und nicht die Entwickler der mRNA-Impfstoffe wie seit mehr als zwei Jahren vermutet. Stattdessen wurden Svante Pääbo und seine Entdeckungen zu den Vorfahren des modernen Menschen prämiert. Dem schwedischen Evolutionsforscher war es gelungen, das Genom des Neandertalers zu sequenzieren. Und er war der erste Wissenschafter, der die DNA einer Mumie klonen konnte.
Neandertaler? Mumien? Pääbos Forschung kann wie ein Projekt aus dem Elfenbeinturm für den Elfenbeinturm wirken. Und somit jene Stimmen befeuern, die den Rummel um die Nobelpreise für überhöht
halten. Gibt es in Zeiten von Krieg und Pandemie nicht wichtigere Themen als Evolutionsforschung?
Pääbos Erkenntnisse reichen viel weiter, als es auf den ersten Blick ersichtlich ist. Seinen Entdeckungen ist es etwa zu verdanken, dass wir besser verstehen,
wie unser Immunsystem auf Infektionen reagiert. Und wann war es jemals wichtiger, sich mit dem menschlichen Immunsystem auseinanderzusetzen, als in den vergangenen zweieinhalb Jahren?
Doch selbst wenn es diesen aktuellen Bezug nicht gegeben hätte, haben die Nobelpreise all jene Aufmerksamkeit
verdient, die sie bekommen. Nur sie –
und die Vakzinentwicklung in einer Pandemie – vermögen es, Forschung in die Hauptnachrichten, auf die Titelseiten und somit in unser aller Bewusstsein zu bringen. Und das ist wichtiger denn je. Denn die
Wissenschaft kämpft seit Ausbruch der Coronakrise mit überbordender Skepsis. So mancher hätte sich
klarere Antworten auf einige Fragen erhofft, etwa zu den empfehlenswerten Impfintervallen. Es prallen
Welten aufeinander: da die – verständlicherweise – ungeduldige Bevölkerung, dort die Forschung, die eigentlich von Vorlaufzeit und Falsifizierung lebt.
Doch selbst die größten Skeptiker dürften wohl einsehen, dass die Wissenschaft geholfen hat, besser durch die Pandemie zu kommen. Dafür muss man
nicht einmal die Impfung hochhalten. Allein die Coronatests haben den Pandemieverlauf beeinflusst.
Wird ferner nur ein Teil jener Projekte umgesetzt, an denen aktuell geforscht wird, wird die Wissenschaft künftig noch mehr bewegen. Ein Beispiel: Vor
Kurzem präsentierten US-Forscher einen – seriösen – Bluttest, mit dem Krebs erkannt werden könnte.
Die Wissenschaft ist ein Leuchtfeuer. Eines, das es in dunklen Zeiten besonders braucht. Und die Nobelpreise lassen dieses Feuer etwas heller strahlen.