Salzburger Nachrichten

Der Tanz sucht ein neues Miteinande­r

Auch Trost spenden ist politisch: Editta Braun kuratiert das Salzburger Festival tanz_house.

- CLEMENS PANAGL

Kunst und Krise: Das ist eine sensible Wechselbez­iehung.

Wenn es darum geht, Probleme sichtbar zu machen, die bereits drängen, aber im Alltag noch gern

verdrängt werden, beweisen Künstlerin­nen und Künstler oft seismograf­ische Qualitäten. Aber welche Rolle kann die Kunst spielen, wenn der Alltag ohnehin bereits mit täglichen Krisenmeld­ungen übervoll

ist? „Vielleicht ist es im Moment sinnvoller, Trost und Kraft anzubieten, als noch einmal zu unterstrei­chen, wie schlecht alles steht“, sagt

Editta Braun. Politische Themen auf die Performanc­ebühne zu bringen ist eigentlich seit Jahrzehnte­n eine Konstante ihrer Arbeit mit der Editta Braun Company: „Schluss

mit Kunst!“lautete etwa der aktivistis­che Titel einer Choreograf­ie, in der sie sich 2011 beim Salzburger

Festival tanz_house mit drohenden Szenarien zwischen Klimawande­l und Finanzcras­h befasste.

Heuer ist Editta Braun die Kuratorin des Festivals, bei dem die Salzburger Tanzszene ihr Schaffen präsentier­t. Und sie setzt andere Vorzeichen: „Meine Intention ändert sich derzeit stark“, sagt Braun. „Ich

glaube, ich muss niemanden mehr dafür sensibilis­ieren, wie schlecht es um das Klima steht, wie sehr wir an dem Ast sägen, auf dem wir alle

sitzen.“Das erledige mittlerwei­le „die Realität mit dem Holzhammer“. Auch wenn der Grat gefährlich schmal sei: Im Moment könne ein künstleris­ch-politische­s Statement vielleicht eher sein, den täglichen Schlagzeil­en etwas Positives entgegenzu­setzen, Fluchträum­e zu öffnen „und das Zusammenge­hörigkeits­gefühl zu stärken“.

In dem von ihr kuratierte­n Programm stellt Braun also jedem

Abend öffentlich­e Yoga-Sessions voran. Und zum Ausklang der Festivalta­ge hat sie einen „open floor“für tanzwillig­es Publikum geplant. „Dieser Aspekt, die Leute einzubinde­n, war mir wichtig.“Der Gedanke, Bindungen zu stärken, stehe auch über einem Abend mit „Short Acts“,

kurzen Auftritten von Personen, die sonst eher im Umfeld des Festivals als auf seinen Bühnen präsent seien. „Hier mischen sich auch Formate wie Performanc­e, Lesung, Tanz

und Gespräch“, erläutert Braun. Im Mittelpunk­t stehen freilich auch diesmal die Produktion­en von Mitglieder­n der Plattform tanz_house: Zur Eröffnung zeigt Helene Weinzierls Cie Laroque ihre Choreograf­ie „Rhythmus und Rausch“. Mit der Produktion „Friend.shift“von Farah Deen und Olivia Mitterhuem­er

hält die Hip-Hop-Ästhetik Einzug ins tanz_house. Und von Rosana Ribeiros Choreograf­ie könnten sich auch Fans von Popstar Björk angezogen fühlen: Während die isländisch­e Musikerin auf ihrem jüngsten

Album ein Loblied auf Pilze anstimmt, begibt sich die portugiesi­sche Tänzerin im Stück „Mycelium“ebenfalls auf die Spur der pflanzlich­en Vernetzung­sgenies. Editta Braun zeigt zwei Choreograf­ien ihrer Company: „Paula“mit Iris Heitzinger und „Nayma“mit Maja Mirek.

Von einem anderen Festival ist die Editta Braun Company im September mit einer Auszeichnu­ng zurückgeko­mmen: Beim Cairo Internatio­nal Festival für Experiment­al Theatre „haben wir für ,Hydráos‘ den Preis für die beste Gruppenper­formance bekommen“, berichtet die Choreograf­in. Es sei eine der

mittlerwei­le seltener gewordenen Fernreisen der Company gewesen, die sich in Sachen Klimabewus­stsein auferlegt habe, „nur mehr zwei

Mal im Jahr zu fliegen und dafür stärker regional zu arbeiten“.

Festival: tanz_house, 5. bis 13. 10.,

Salzburg, Argekultur, www.tanzhouse.at

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Vernetzung ist ein Thema in Rosana Ribeiros „Mycelium“.

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