Das Ende der Höhenflüge
Bei den Immobilienpreisen Die Goldgräberstimmung in der Immobilienbranche ist vorbei. Mit der Zinswende stehen die Zeichen auf Abkühlung. Wartet ein Preissturz für Immobilien oder kommt es zur Stagnation auf hohem Niveau?
Spätestens seit der Finanzkrise 2008 kennt der Wohnungsmarkt nur eine Richtung: steil nach oben. Nicht einmal die Coronakrise konnte die Goldgräberstimmung dämpfen. Die Wohnungsund Mietpreise kletterten weiter, teils mit zweistelligen Zuwächsen. Aber kann sich die Branche auch hoher Inflation, steigenden Zinsen und wirtschaftlicher Eintrübung widersetzen? Blickt man auf das erste Halbjahr, spricht vieles dafür. Die Wohnimmobilien verzeichneten das siebte Quartal in Folge Preiszuwächse über der 10Prozent-Marke. Konkret lagen sie
bei rund 13 Prozent, womit das Wachstum der Wohnimmobilienpreise insgesamt einen neuen Höchststand erreichte. Doch mittlerweile spürt selbst die so erfolgsgewöhnte Branche die Auswirkungen von Teuerung, Ängsten und wirtschaftlichem Abschwung.
Speziell mit den steigenden Zinsen sei nun eine Abkühlung zu erwarten, sagt Michael Klien vom
Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Ein Ende des Preisauftriebs
beim Eigentumserwerb diagnostiziert auch Elisabeth Rauscher, Chefin von Team Rauscher Immobilien in Salzburg. Es gebe „eine gewisse
Verunsicherung“und eine Tendenz zum Zuwarten. Im Sommer sei das Geschäft viel ruhiger gewesen als sonst. Etwa ein Drittel der Nachfragenden sei weggefallen. Eine Ursache seien die steigenden Kreditzinsen, aber auch die verschärften Eigenkapitalregeln bei der Immobilienfinanzierung. Ein anderer Teil
warte vorerst ab und habe den Suchwunsch zurückgestellt. Wohl darauf spekulierend, dass die Preise
für Eigentumswohnungen in einer Rezession nicht nur stagnieren, sondern sinken könnten.
Dass es zu einem kräftigen Rumpler und dem Platzen einer Immobilienblase mit Preisrückgängen
im zweistelligen Prozentbereich
kommen werde, glaubt Wirtschaftsforscher Michael Klien aber
nicht. Ein Grund dafür sei, dass die explodierenden Preise am Bau und die damit einhergehende Verteuerung neuer Projekte preistreibend wirkten. Ein anderer sei, dass „eine
Wohnung weiter eine sehr nachhaltige Anlage ist“. In Zeiten hoher Inflationsraten sei es durchaus eine
Überlegung, sich eine Wohnung zuzulegen. Speziell, wenn man vorhandenes Vermögen hat und dieses in Immobilien quasi parkt. Vor diesem Hintergrund sieht Klien auch keinerlei Indizien für eine Verkaufswelle. Außer die wirtschaftliche
Lage sollte sich tatsächlich massiv verschärfen und dazu führen,
dass Menschen aus finanziellen Gründen gezwungen seien, ihr Wohnungseigentum zu verkaufen. Aber davon gehe man nicht aus. Das wahrscheinlichste Szenario sei eine Stagnation auf hohem Niveau. Die Preise könnten sogar weiter leicht zulegen, der Zuwachs werde moderat sein und deutlich unter der Inflationsrate liegen – was reale Rückgänge bedeutet.
In der erfolgsverwöhnten Immobilienbranche will ebenfalls niemand an Horrorszenarien denken. „Es wird sicher eine Abflachung geben, ein Sinken der Preise sehen wir aber nur in wenig gefragten Lagen“, sagt Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI). „Es wird keine Blase und keine Preiseinbrüche geben“, ist auch Peter Mayr, Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien in Salzburg,
überzeugt. Er erinnert daran, dass es nur ein Mal in den 1990er-Jahren „ein kleines Dellchen“gegeben habe, ansonsten aber der Wert von Immobilien stetig gestiegen sei. Immobilienmaklerin Elisabeth Rauscher verweist darauf, dass „Krisenzeiten auch Immobilienzeiten sind“. Wohnraum bleibe ein Stabilitätsfaktor und biete Schutz vor Inflation. Trotz des Rückgangs der Zahl der Suchenden sei die Nachfrage noch immer höher als das Angebot. Und die höheren Kreditzinsen seien im langfristigen Vergleich
noch immer günstig und unter dem Niveau von 2012. „Da waren wir
durch die lange Nullzinspolitik der Notenbanken sehr verwöhnt.“
Ein Indiz dafür, dass die Goldgräberstimmung bei Immobilien ein Ende hat und die Branche künftig
wohl kleinere Rendite-Brötchen backen muss, liefern mittlerweile auch die Börsen. Angesichts der Zinswende und damit verbundener
höherer Finanzierungskosten geht es mit den Aktien von Immobilienkonzernen und -entwicklern seit Monaten rasch bergab. Ein Beispiel:
Der RX Real Estate Index, in dem 14 deutsche Immobilienwerte vertreten sind, notierte vor einem Jahr bei fast 800 Euro, heute beträgt der Kurs knapp 340 Euro – ein sattes Minus von 56 Prozent.
„Die Zeichen stehen auf Abkühlung.“