Der rote Mittelweg führt zwischen alle Stühle
Achselzuckend auf die nächste Niederlage zu warten ist die beste Strategie, die Kanzlerschaft Herbert Kickl zu überlassen.
Wenn die konservative Alleinregierungspartei in Niederösterreich ein Fünftel ihrer Stimmen verliert; wenn Teuerung und Inflationsangst, also klassische sozialdemokratische Themen, den Wahlkampf beherrschen; wenn auch auf Bundesebene die türkisgrüne Regierung in ein Umfragetief sackt und so viele Stimmen auf Wanderschaft sind wie kaum je zuvor: Dann, sollte man meinen, schlägt die Stunde der SPÖ. Doch weit gefehlt, bei der Landtagswahl in Niederösterreich erlitt die Sozialdemokratie ein Desaster, und auch die Umfragewerte auf Bundesebene signalisieren alles andere als einen Höhenflug.
Etwas ist also furchtbar schiefgelaufen in der SPÖ. Bei der Ursachenforschung stößt man alsbald auf den Umstand, dass diese Partei ein Strategieproblem vor sich herschiebt. Und das seit vielen Jahren. Bereits um die Jahrtausendwende bewarben sich der rechts blinkende Ex-Innenminister Karl Schlögl und der links orientierte Ex-Wissenschaftsminister Caspar Einem um die Parteiführung. Die Partei entschied sich für den nicht wirklich goldenen Mittelweg, kürte Alfred Gusenbauer zum Parteichef und landete dort, wo sie sich jetzt befindet, nämlich zwischen den Stühlen. Die nunmehrige Parteivorsitzende zeigt wenig inhaltliches Profil und kann sich der Zurufe ihrer Parteifreunde von links bis rechts, von Babler bis
Doskozil, kaum erwehren. Wenn dann – wie in Niederösterreich – noch ein schwacher Spitzenkandidat dazukommt, kann dies dazu führen, dass zwar die ÖVP eine historische Niederlage erleidet, aber trotzdem fast doppelt so viele Stimmen lukriert wie die SPÖ. Die von der FPÖ locker überholt wurde.
Ein Ausweg aus dem Dilemma ist nicht leicht zu finden. Entscheidet sich die SPÖ für den durch Hans Peter Doskozil verkörperten Mitte-rechts-Kurs, trifft sie dort auf Konkurrenz durch ÖVP und FPÖ, die dieses Wählersegment bereits nach Kräften bedienen. Ein prononcierterer Linkskurs inklusive auf Willkommenskultur getrimmter Migrationspolitik wiederum birgt das Risiko, dass sich nicht genug Wähler finden, die diesem Kurs zu folgen bereit sind. Und dann gibt es da noch das Personalproblem. Könnte Doskozil das Ruder herumreißen, sollte er die Parteiführung übernehmen? Will er das überhaupt? Wollen es die Wähler? Oder doch besser Rendi-Wagner an der Parteispitze? Schwierige Fragen, doch die SPÖ wird sich nicht länger um die Antwort drücken können. Achselzuckend auf die nächste Niederlage zu warten ist die beste Strategie, die Kanzlerschaft Herbert
Kickl zu überlassen.