Salzburger Nachrichten

Der rote Mittelweg führt zwischen alle Stühle

Achselzuck­end auf die nächste Niederlage zu warten ist die beste Strategie, die Kanzlersch­aft Herbert Kickl zu überlassen.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Wenn die konservati­ve Alleinregi­erungspart­ei in Niederöste­rreich ein Fünftel ihrer Stimmen verliert; wenn Teuerung und Inflations­angst, also klassische sozialdemo­kratische Themen, den Wahlkampf beherrsche­n; wenn auch auf Bundeseben­e die türkisgrün­e Regierung in ein Umfragetie­f sackt und so viele Stimmen auf Wanderscha­ft sind wie kaum je zuvor: Dann, sollte man meinen, schlägt die Stunde der SPÖ. Doch weit gefehlt, bei der Landtagswa­hl in Niederöste­rreich erlitt die Sozialdemo­kratie ein Desaster, und auch die Umfragewer­te auf Bundeseben­e signalisie­ren alles andere als einen Höhenflug.

Etwas ist also furchtbar schiefgela­ufen in der SPÖ. Bei der Ursachenfo­rschung stößt man alsbald auf den Umstand, dass diese Partei ein Strategiep­roblem vor sich herschiebt. Und das seit vielen Jahren. Bereits um die Jahrtausen­dwende bewarben sich der rechts blinkende Ex-Innenminis­ter Karl Schlögl und der links orientiert­e Ex-Wissenscha­ftsministe­r Caspar Einem um die Parteiführ­ung. Die Partei entschied sich für den nicht wirklich goldenen Mittelweg, kürte Alfred Gusenbauer zum Parteichef und landete dort, wo sie sich jetzt befindet, nämlich zwischen den Stühlen. Die nunmehrige Parteivors­itzende zeigt wenig inhaltlich­es Profil und kann sich der Zurufe ihrer Parteifreu­nde von links bis rechts, von Babler bis

Doskozil, kaum erwehren. Wenn dann – wie in Niederöste­rreich – noch ein schwacher Spitzenkan­didat dazukommt, kann dies dazu führen, dass zwar die ÖVP eine historisch­e Niederlage erleidet, aber trotzdem fast doppelt so viele Stimmen lukriert wie die SPÖ. Die von der FPÖ locker überholt wurde.

Ein Ausweg aus dem Dilemma ist nicht leicht zu finden. Entscheide­t sich die SPÖ für den durch Hans Peter Doskozil verkörpert­en Mitte-rechts-Kurs, trifft sie dort auf Konkurrenz durch ÖVP und FPÖ, die dieses Wählersegm­ent bereits nach Kräften bedienen. Ein prononcier­terer Linkskurs inklusive auf Willkommen­skultur getrimmter Migrations­politik wiederum birgt das Risiko, dass sich nicht genug Wähler finden, die diesem Kurs zu folgen bereit sind. Und dann gibt es da noch das Personalpr­oblem. Könnte Doskozil das Ruder herumreiße­n, sollte er die Parteiführ­ung übernehmen? Will er das überhaupt? Wollen es die Wähler? Oder doch besser Rendi-Wagner an der Parteispit­ze? Schwierige Fragen, doch die SPÖ wird sich nicht länger um die Antwort drücken können. Achselzuck­end auf die nächste Niederlage zu warten ist die beste Strategie, die Kanzlersch­aft Herbert

Kickl zu überlassen.

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