Debatten um Asylkurs in der ÖVP
Die Volkspartei hat vor der Wahl in Niederösterreich einen härteren Kurs in der Migrationspolitik eingeschlagen – ohne Erfolg. Was also tun in einer Debatte, die die Partei noch lange beschäftigen wird?
Vor einer Woche waren Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner ausgerückt, um im Vorfeld der Niederösterreich-Wahl Härte in der Migrationspolitik zu signalisieren. Der Kanzlerfotograf lieferte noch rechtzeitig vor dem Wahlgang Bilder, die Kanzler und Innenminister im Hubschrauber zeigen, wie sie einen Grenzzaun an der bulgarisch-türkischen Grenze abfliegen. Die Frage, warum diese Signale einer strengeren Asylpolitik bei der Landtagswahl nicht den gewünschten Erfolg lieferten, sorgt derzeit parteiintern für Diskussionen.
Denn die Wahlmotive, die von Meinungsforscher Peter Hajek am Sonntag abgefragt wurden, zeigen, dass die ÖVP nicht wegen ihrer Asylpolitik gewählt wurde. Die FPÖ hingegen schon. Bereits kurz nach der ersten Hochrechnung wurde deshalb bei der Volkspartei die parteiinterne Kritik am härteren Asylkurs laut. Der Tenor: Die ÖVP habe jenes Thema groß gemacht, welches der FPÖ nun in Niederösterreich zum Wahlerfolg verhalf.
Eine dieser Stimmen ist der ehemalige VP-Nationalratsabgeordnete und Flüchtlingskoordinator Ferry Maier, der im SN-Gespräch die Frage stellt: „Warum hat aus der niederösterreichischen ÖVP noch niemand den Rücktritt von Innenminister Karner gefordert? Er war der beste Wahlhelfer für die FPÖ.“Der Innenminister, der selbst aus Niederösterreich stammt, habe durch stetige Hinweise auf hohe Asylzahlen den Freiheitlichen eine Rampe gebaut, „auf der sie nun abheben können“, sagt Maier. „Karner ist Innenminister und hat auf ein Problem hingewiesen, das er selbst lösen sollte. So ist das bei den Wählern angekommen.“Dass auch die früheren ÖVP-Innenminister – also
Johanna Mikl-Leitner, Wolfgang Sobotka und Karl Nehammer – allesamt aus der niederösterreichischen Volkspartei kämen, habe am Wahlsonntag nicht gerade geholfen.
Ähnlich sieht das die Politikberaterin und ehemalige Sprecherin von ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel Heidi Glück: „Die ÖVP hätte das Asylthema zuletzt auf Bundesebene nie so hochspielen dürfen. Die FPÖ ist aus Wählersicht bei dem Thema einfach glaubwürdiger.“Wenn man schon ein Thema so lange so groß spiele, müsse man irgendwann auch Lösungen auf den Tisch legen. „Nur, die gibt es nicht, auch weil sie zum Großteil auf EUEbene zu suchen sind.“Das führt laut Glück dazu, dass der Volkspartei keine Lösungskompetenz in der
Asylthematik zugeschrieben werde. „Und in dieses Vakuum stechen die Freiheitlichen.“
Tatsächlich hat vor einigen Wochen fast die gesammelte ÖVP-Spitze einen härteren Asylkurs propagiert. ÖVP-Klubchef August Wöginger hatte sogar angeregt, die Europäische Menschenrechtskonvention zu überarbeiten, und bekam prompt Rückendeckung aus den Ländern, auch aus Niederösterreich. Zurückhaltender zeigte sich übrigens Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Ihre Heimat, Salzburg, wählt im April. „Ich würde der ÖVP in Salzburg empfehlen, das Thema Asyl nicht groß zu spielen“, so Politikexpertin Glück.
So mancher ÖVP-Politiker sieht das anders. Unter anderem die ehemalige Generalsekretärin Laura
Sachslehner, die nach einem Streit mit der VP-Spitze über die Asyllinie ihren Job verloren hat: „Ich bin noch immer der Meinung, dass sich die Wählerinnen und Wähler einen harten Kurs in den Migrationsfragen erwarten“, sagt Laura Sachslehner im SN-Gespräch. „Damit hat man zuletzt die ÖVP in Verbindung gebracht, das müssen wir weiterhin tun und im Gegensatz zur FPÖ Lösungen anbieten.“Geht es nach Sachslehner, dann sollte sich die
ÖVP in Sachen Migration auch weiter gegen den grünen Koalitionspartner behaupten.
Dass Asyl und Migrationsfragen in der ÖVP im Vorfeld der nächsten Wahlen weiterhin für Debatten sorgen werden, ist für den Politikwissenschafter und ÖVP-Kenner Fritz Plasser klar. Vor allem weil die Türkisen unter Sebastian Kurz damit höchst erfolgreich waren. Die These, wonach die Volkspartei für den Aufstieg der FPÖ verantwortlich ist, ist dem Politlogen übrigens zu simpel. „Wählerströme sind viel komplexer“, sagt er und liefert gleich ein Argument für jene in der Partei, die einen härteren Asylkurs wollen: „Man könnte auch sagen, dass die ÖVP durch ihre Asyllinie vielleicht eine noch größere Stimmenabwanderung zur FPÖ verhindert hat.“