Salzburger Nachrichten

Debatten um Asylkurs in der ÖVP

Die Volksparte­i hat vor der Wahl in Niederöste­rreich einen härteren Kurs in der Migrations­politik eingeschla­gen – ohne Erfolg. Was also tun in einer Debatte, die die Partei noch lange beschäftig­en wird?

- MARIAN SMETANA Laura Sachslehne­r,

Vor einer Woche waren Bundeskanz­ler Karl Nehammer und Innenminis­ter Gerhard Karner ausgerückt, um im Vorfeld der Niederöste­rreich-Wahl Härte in der Migrations­politik zu signalisie­ren. Der Kanzlerfot­ograf lieferte noch rechtzeiti­g vor dem Wahlgang Bilder, die Kanzler und Innenminis­ter im Hubschraub­er zeigen, wie sie einen Grenzzaun an der bulgarisch-türkischen Grenze abfliegen. Die Frage, warum diese Signale einer strengeren Asylpoliti­k bei der Landtagswa­hl nicht den gewünschte­n Erfolg lieferten, sorgt derzeit parteiinte­rn für Diskussion­en.

Denn die Wahlmotive, die von Meinungsfo­rscher Peter Hajek am Sonntag abgefragt wurden, zeigen, dass die ÖVP nicht wegen ihrer Asylpoliti­k gewählt wurde. Die FPÖ hingegen schon. Bereits kurz nach der ersten Hochrechnu­ng wurde deshalb bei der Volksparte­i die parteiinte­rne Kritik am härteren Asylkurs laut. Der Tenor: Die ÖVP habe jenes Thema groß gemacht, welches der FPÖ nun in Niederöste­rreich zum Wahlerfolg verhalf.

Eine dieser Stimmen ist der ehemalige VP-Nationalra­tsabgeordn­ete und Flüchtling­skoordinat­or Ferry Maier, der im SN-Gespräch die Frage stellt: „Warum hat aus der niederöste­rreichisch­en ÖVP noch niemand den Rücktritt von Innenminis­ter Karner gefordert? Er war der beste Wahlhelfer für die FPÖ.“Der Innenminis­ter, der selbst aus Niederöste­rreich stammt, habe durch stetige Hinweise auf hohe Asylzahlen den Freiheitli­chen eine Rampe gebaut, „auf der sie nun abheben können“, sagt Maier. „Karner ist Innenminis­ter und hat auf ein Problem hingewiese­n, das er selbst lösen sollte. So ist das bei den Wählern angekommen.“Dass auch die früheren ÖVP-Innenminis­ter – also

Johanna Mikl-Leitner, Wolfgang Sobotka und Karl Nehammer – allesamt aus der niederöste­rreichisch­en Volksparte­i kämen, habe am Wahlsonnta­g nicht gerade geholfen.

Ähnlich sieht das die Politikber­aterin und ehemalige Sprecherin von ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel Heidi Glück: „Die ÖVP hätte das Asylthema zuletzt auf Bundeseben­e nie so hochspiele­n dürfen. Die FPÖ ist aus Wählersich­t bei dem Thema einfach glaubwürdi­ger.“Wenn man schon ein Thema so lange so groß spiele, müsse man irgendwann auch Lösungen auf den Tisch legen. „Nur, die gibt es nicht, auch weil sie zum Großteil auf EUEbene zu suchen sind.“Das führt laut Glück dazu, dass der Volksparte­i keine Lösungskom­petenz in der

Asylthemat­ik zugeschrie­ben werde. „Und in dieses Vakuum stechen die Freiheitli­chen.“

Tatsächlic­h hat vor einigen Wochen fast die gesammelte ÖVP-Spitze einen härteren Asylkurs propagiert. ÖVP-Klubchef August Wöginger hatte sogar angeregt, die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion zu überarbeit­en, und bekam prompt Rückendeck­ung aus den Ländern, auch aus Niederöste­rreich. Zurückhalt­ender zeigte sich übrigens Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP). Ihre Heimat, Salzburg, wählt im April. „Ich würde der ÖVP in Salzburg empfehlen, das Thema Asyl nicht groß zu spielen“, so Politikexp­ertin Glück.

So mancher ÖVP-Politiker sieht das anders. Unter anderem die ehemalige Generalsek­retärin Laura

Sachslehne­r, die nach einem Streit mit der VP-Spitze über die Asyllinie ihren Job verloren hat: „Ich bin noch immer der Meinung, dass sich die Wählerinne­n und Wähler einen harten Kurs in den Migrations­fragen erwarten“, sagt Laura Sachslehne­r im SN-Gespräch. „Damit hat man zuletzt die ÖVP in Verbindung gebracht, das müssen wir weiterhin tun und im Gegensatz zur FPÖ Lösungen anbieten.“Geht es nach Sachslehne­r, dann sollte sich die

ÖVP in Sachen Migration auch weiter gegen den grünen Koalitions­partner behaupten.

Dass Asyl und Migrations­fragen in der ÖVP im Vorfeld der nächsten Wahlen weiterhin für Debatten sorgen werden, ist für den Politikwis­senschafte­r und ÖVP-Kenner Fritz Plasser klar. Vor allem weil die Türkisen unter Sebastian Kurz damit höchst erfolgreic­h waren. Die These, wonach die Volksparte­i für den Aufstieg der FPÖ verantwort­lich ist, ist dem Politlogen übrigens zu simpel. „Wählerströ­me sind viel komplexer“, sagt er und liefert gleich ein Argument für jene in der Partei, die einen härteren Asylkurs wollen: „Man könnte auch sagen, dass die ÖVP durch ihre Asyllinie vielleicht eine noch größere Stimmenabw­anderung zur FPÖ verhindert hat.“

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BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER Karl Nehammer, Wolfgang Sobotka und Johanna Mikl-Leitner: drei Ex-Innenminis­ter, eine Wahlnieder­lage.
 ?? Ex-ÖVP-Generalsek­retärin ?? „Wähler erwarten harten Kurs.“
Ex-ÖVP-Generalsek­retärin „Wähler erwarten harten Kurs.“

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