SPÖ auf der Suche nach sich selbst
Offiziell soll erst nach den nächsten Wahlen in Kärnten und Salzburg geredet werden. Intern aber brodelt es wie eh und je.
Unterschiedlicher könnten die Einschätzungen nicht sein. Auf der einen Seite die roten Spitzenfunktionäre am Wahlabend: „Warum soll Feuer am Dach sein?“, fragte Franz Schnabl, nachdem die SPÖ in Niederösterreich von der FPÖ auf Platz drei verdrängt worden war und das historisch schlechteste Ergebnis eingefahren hatte. Ein Konnex zwischen dem schlechten Abschneiden in St. Pölten und dem Zustand der Bundespartei? Könne er nicht erkennen, betonte SPÖBundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Und der stv. Klubchef im Nationalrat, Jörg Leichtfried, sagte am Montag, die finale Analyse der „leichten Verluste“seiner Partei in Niederösterreich werde „noch ein bissl Zeit brauchen“.
Für viele in der SPÖ – und das ist die andere Seite – liegt diese Analyse längst glasklar auf dem Tisch: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und ihr Umfeld seien „natürlich“mitverantwortlich für das „desaströse Ergebnis“, heißt es da etwa. Wenn die Partei nicht einmal bei einem sozialdemokratischen Kernthema wie dem Kampf gegen die Teuerung punkte, müsse man sich die Frage stellen, was falsch laufe. „Alle wissen es, alle reden darüber, aber offiziell darf keiner was sagen, weil der, der das ausspricht, dann schuld am schlechten Ergebnis ist“, formuliert es ein SPÖ-Kenner im SN-Gespräch emotional.
In der SPÖ herrsche ein „Klima der Verleugnung“, sagt ein anderer. Dass man den Umfragenvorsprung des Vorjahres – da lag die SPÖ auf
Platz eins – verspielt habe und nun FPÖ-Chef Kickl auf dem Weg Richtung Kanzleramt sei, sei „ein Drama“. Auf Twitter meldete sich Nikolaus Kowall, einer der kritischen Geister der SPÖ, zu Wort: „Ich fasse es nicht, dass mir das über die Lippen kommt, aber vielleicht war Alfred Gusenbauer kein so schlechter Oppositionsführer.“Damals habe die SPÖ immerhin dazugewonnen und sogar Landeshauptleute „gedreht“, schreibt er. Und ein Ex-Spitzenfunktionär meint: Ein Parteimanager und ein stv. Klubchef, die beide fehl am Platz seien, und dazu eine Parteichefin, die sich „verkriecht“: „Wie soll das funktionieren?“
Während es im roten Richtungsstreit intern wieder wild brodelt, halten sich die Landesparteien mit offizieller Kritik zurück – auch die burgenländische SPÖ von RendiWagners
Widersacher Hans Peter Doskozil. Der Grund ist naheliegend: Niemand will Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser schaden. Der darf bei der Landtagswahl am 5. März auf ein akzeptables rotes Ergebnis hoffen – auch wenn die FPÖ in Kärnten ebenfalls im Aufwind ist. Man wolle jetzt keine Personaldebatte, heißt es da wie dort. „Eine bundespolitische Diskussion vor Landtagswahlen in Kärnten akzeptiere ich nicht“, teilte Kaiser via APA mit. Weiteres könne man nach den Wahlen in Kärnten und Salzburg (im April) besprechen.
Für den ehemaligen Innenminister
Karl Schlögl ist die Sache relativ klar: Die SPÖ werde dann wieder erfolgreich sein, wenn sie eine „Mittelinks“-Politik fährt wie die Sozialdemokraten in Dänemark oder Hans Peter Doskozil im Burgenland, sagt er im SN-Gespräch. Was er meint: sozialpolitisch einen linken Kurs fahren, aber in Asyl-, Zuwanderungsund Sicherheitsfragen einen strikten Weg verfolgen. „Natürlich ist die Asyl- und Zuwanderungsfrage eine entscheidende. Da gibt es eine große Verunsicherung – zum Teil durch die Massenzuwanderung in den vergangenen fünf bis sieben Jahren –, verbunden mit einem Anstieg der Kriminalität und zunehmenden Problemen mit Parallelgesellschaften“, sagt Schlögl, der an der Spitze des Innenressorts von 1997 bis 2000 genau so einen Kurs gefahren ist und als Verbinder zur FPÖ galt. Dafür wurde er damals von Teilen seiner Partei ebenso harsch kritisiert wie Hans Peter Doskozil heute. „Bei Asyl muss die SPÖ klar Flagge zeigen, denn da geht es um die Frage,
wie wir in Österreich künftig gut zusammenleben können“, sagt Schlögl, der lange Bürgermeister in Purkersdorf war und heute kein Amt mehr innehat. Zwar gebe es ein kluges Positionspapier zu Asyl und Zuwanderung, das 2018 von Doskozil und Kaiser ausgearbeitet wurde – noch unter Christian Kern übrigens, der seit Jahr und Tag ausschließt, wieder in die Politik zurückzukehren. Diese Position werde aber nach außen hin nicht klar und einheitlich vertreten.
Auch in der Coronapolitik seien Schnitzer passiert, sagt Schlögl. „Da haben wir teils noch härtere Maßnahmen als die Regierung gefordert“, sagt er. Er sei ein absoluter Impfbefürworter, aber in der Frage „des Impfzwangs hätte die SPÖ sich gegen zu starke Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte sehr wohl starkmachen können“, betont Schlögl. Für ihn steht fest: „Wir brauchen keinen Wähleraustausch mit Grünen und Neos, sondern mit ÖVP und FPÖ.“
„Bei Asyl muss die SPÖ klar Flagge zeigen“