Salzburger Nachrichten

Landeschef­in auf Partnersuc­he

Johanna Mikl-Leitner ist im Landtag auf Unterstütz­ung angewiesen. Doch das niederöste­rreichisch­e Proporzsys­tem engt den Spielraum der Landeshaup­tfrau erheblich ein.

- ANDREAS KOLLER

Nach der krachenden Niederlage bei der Landtagswa­hl am vergangene­n Sonntag findet sich die niederöste­rreichisch­e ÖVP in der ungewohnte­n Rolle des Bittstelle­rs wieder. Landespart­eichefin Johanna Mikl-Leitner, deren Partei die absolute Mehrheit im Landtag verloren hat, braucht einen Koalitions­partner, um wieder zur Landeshaup­tfrau gewählt zu werden. Und auch in der neunköpfig­en proporzmäß­ig zusammenge­setzten Landesregi­erung hat die ÖVP ihre Mehrheit verloren. Wie berichtet, ist die ÖVP am Sonntag auf weniger als 40 Prozent der Stimmen abgesackt. Sie hat künftig nur noch 23 statt bisher 29 Mandate im Landtag und stellt nur noch vier (bisher: sechs) Landesräte. Die FPÖ ist künftig mit drei, die SPÖ mit zwei Mitglieder­n in der Landesregi­erung vertreten.

Parteichef­in Mikl-Leitner will nun mit SPÖ und FPÖ Verhandlun­gen aufnehmen. Während sich die ebenfalls schwer geschlagen­e SPÖ diesbezügl­ich offen zeigte, schraubt die FPÖ den Preis hoch: Sie sei keinesfall­s bereit, Mikl-Leitner im Landtag zur Landeshaup­tfrau zu wählen, stellten Parteichef Udo Landbauer und sein Vorgänger, Volksanwal­t und Ex-Präsidents­chaftskand­idat Walter Rosenkranz, unmissvers­tändlich fest.

Das nur noch in Niederöste­rreich und Oberösterr­eich (und, in einer abgemilder­ten Form, auch in Wien) existieren­de Proporzsys­tem bei der Zusammense­tzung der Landesregi­erung erweist sich für die Landeshaup­tfrau nun als äußerst hinderlich. Denn grundsätzl­ich wäre MiklLeitne­r bei ihrer Kür zur Landeshaup­tfrau nicht auf SPÖ und/oder FPÖ angewiesen. Ihre ÖVP würde

auch mit Grünen und Neos eine Landtagsme­hrheit und damit die nötige Stimmenanz­ahl für die Wahl erreichen. Das Problem dabei: In diesem Fall würden sich SPÖ und FPÖ auch bei künftigen Beschlüsse­n gegen die immer noch dominieren­de ÖVP stellen. Und könnten mit ihren zusammen fünf Stimmen in der Landesregi­erung jeglichen Beschluss verhindern. Beziehungs­weise Beschlüsse gegen die ÖVP und deren Landeshaup­tfrau durchsetze­n.

Selbst im Fall, dass Mikl-Leitner die SPÖ als Partner gewinnen sollte und vielleicht sogar einen Koalitions­vertrag mit den Sozialdemo­kraten abschließt, wird das Regieren

nicht einfacher. Die FPÖ würde dann in den kommenden fünf Jahren kantige Opposition­spolitik gegen Schwarz-Rot betreiben – ungeachtet der Tatsache, dass sie mit drei Landesräte­n selbst an der Regierung beteiligt ist. Die FPÖ wäre also Opposition und Regierung zugleich.

Die meisten übrigen Bundesländ­er haben das Proporzsys­tem, das jeder Landtagspa­rtei ab einer bestimmten Größe einen Sitz in der Landesregi­erung sichert, längst beseitigt. In Salzburg etwa regieren ÖVP, Grüne und Neos in einer Koalition, die SPÖ ist in Opposition und daher auch nicht in der Regierung vertreten. Ein Sonderfall ist Wien: Auch hier sitzen die Opposition­sparteien in der Landes- beziehungs­weise Stadtregie­rung. Als „nicht amtsführen­de Stadträte“haben sie aber keine eigenen Kompetenze­n.

Sie können nur an den Regierungs­beziehungs­weise Stadtsenat­ssitzungen teilnehmen, weshalb sie auch „kontrollie­rende Stadträte“genannt werden.

Zurück nach Niederöste­rreich: Sollte die SPÖ sich zu einer Partnersch­aft mit der ÖVP bereitfind­en, kann sie den Preis – da ja Mikl-Leitner sonst kaum Optionen hat – relativ hoch treiben. Und etwa Regierungs­ressorts mit großer Machtfülle verlangen, etwa das Finanzress­ort oder – durch Zusammenfa­ssung der bisher zersplitte­rten Kompetenze­n – ein großes Gesundheit­sressort. Eines können die Sozialdemo­kraten nicht verlangen: die Position eines Landeshaup­tmann-Stellvertr­eters. Denn die beiden LH-Vizes werden, so bestimmt es die Landesverf­assung, von der stärksten und der zweistärks­ten Partei gestellt. Also von ÖVP und FPÖ.

Die FPÖ: Regierung und Opposition zugleich

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Wer will mich wählen? Johanna Mikl-Leitner hat ihre Mehrheit verloren.

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