Landeschefin auf Partnersuche
Johanna Mikl-Leitner ist im Landtag auf Unterstützung angewiesen. Doch das niederösterreichische Proporzsystem engt den Spielraum der Landeshauptfrau erheblich ein.
Nach der krachenden Niederlage bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag findet sich die niederösterreichische ÖVP in der ungewohnten Rolle des Bittstellers wieder. Landesparteichefin Johanna Mikl-Leitner, deren Partei die absolute Mehrheit im Landtag verloren hat, braucht einen Koalitionspartner, um wieder zur Landeshauptfrau gewählt zu werden. Und auch in der neunköpfigen proporzmäßig zusammengesetzten Landesregierung hat die ÖVP ihre Mehrheit verloren. Wie berichtet, ist die ÖVP am Sonntag auf weniger als 40 Prozent der Stimmen abgesackt. Sie hat künftig nur noch 23 statt bisher 29 Mandate im Landtag und stellt nur noch vier (bisher: sechs) Landesräte. Die FPÖ ist künftig mit drei, die SPÖ mit zwei Mitgliedern in der Landesregierung vertreten.
Parteichefin Mikl-Leitner will nun mit SPÖ und FPÖ Verhandlungen aufnehmen. Während sich die ebenfalls schwer geschlagene SPÖ diesbezüglich offen zeigte, schraubt die FPÖ den Preis hoch: Sie sei keinesfalls bereit, Mikl-Leitner im Landtag zur Landeshauptfrau zu wählen, stellten Parteichef Udo Landbauer und sein Vorgänger, Volksanwalt und Ex-Präsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz, unmissverständlich fest.
Das nur noch in Niederösterreich und Oberösterreich (und, in einer abgemilderten Form, auch in Wien) existierende Proporzsystem bei der Zusammensetzung der Landesregierung erweist sich für die Landeshauptfrau nun als äußerst hinderlich. Denn grundsätzlich wäre MiklLeitner bei ihrer Kür zur Landeshauptfrau nicht auf SPÖ und/oder FPÖ angewiesen. Ihre ÖVP würde
auch mit Grünen und Neos eine Landtagsmehrheit und damit die nötige Stimmenanzahl für die Wahl erreichen. Das Problem dabei: In diesem Fall würden sich SPÖ und FPÖ auch bei künftigen Beschlüssen gegen die immer noch dominierende ÖVP stellen. Und könnten mit ihren zusammen fünf Stimmen in der Landesregierung jeglichen Beschluss verhindern. Beziehungsweise Beschlüsse gegen die ÖVP und deren Landeshauptfrau durchsetzen.
Selbst im Fall, dass Mikl-Leitner die SPÖ als Partner gewinnen sollte und vielleicht sogar einen Koalitionsvertrag mit den Sozialdemokraten abschließt, wird das Regieren
nicht einfacher. Die FPÖ würde dann in den kommenden fünf Jahren kantige Oppositionspolitik gegen Schwarz-Rot betreiben – ungeachtet der Tatsache, dass sie mit drei Landesräten selbst an der Regierung beteiligt ist. Die FPÖ wäre also Opposition und Regierung zugleich.
Die meisten übrigen Bundesländer haben das Proporzsystem, das jeder Landtagspartei ab einer bestimmten Größe einen Sitz in der Landesregierung sichert, längst beseitigt. In Salzburg etwa regieren ÖVP, Grüne und Neos in einer Koalition, die SPÖ ist in Opposition und daher auch nicht in der Regierung vertreten. Ein Sonderfall ist Wien: Auch hier sitzen die Oppositionsparteien in der Landes- beziehungsweise Stadtregierung. Als „nicht amtsführende Stadträte“haben sie aber keine eigenen Kompetenzen.
Sie können nur an den Regierungsbeziehungsweise Stadtsenatssitzungen teilnehmen, weshalb sie auch „kontrollierende Stadträte“genannt werden.
Zurück nach Niederösterreich: Sollte die SPÖ sich zu einer Partnerschaft mit der ÖVP bereitfinden, kann sie den Preis – da ja Mikl-Leitner sonst kaum Optionen hat – relativ hoch treiben. Und etwa Regierungsressorts mit großer Machtfülle verlangen, etwa das Finanzressort oder – durch Zusammenfassung der bisher zersplitterten Kompetenzen – ein großes Gesundheitsressort. Eines können die Sozialdemokraten nicht verlangen: die Position eines Landeshauptmann-Stellvertreters. Denn die beiden LH-Vizes werden, so bestimmt es die Landesverfassung, von der stärksten und der zweistärksten Partei gestellt. Also von ÖVP und FPÖ.
Die FPÖ: Regierung und Opposition zugleich