Waffen gegen Waffengewalt?
Nach einem Anschlag auf Israelis antwortet die Regierung von Netanjahu mit harten Maßnahmen.
Natali Mizrahi wurde dorthin gebracht, wohin sie fast jeden Tag ging: in das Hadassah-Krankenhaus auf dem Skopusberg in Jerusalem. Die Krankenhausangestellte und ihr Ehemann Eli waren zwei von sieben Menschen, die am Freitagabend vor einer Synagoge im Ostteil Jerusalems von einem palästinensischen Attentäter erschossen wurden. Die israelische Polizei bezeichnete das Attentat als „einen der schlimmsten Terroranschläge in mehr als einem Jahrzehnt“. Einen Tag davor hatte die israelische Armee im Westjordanland bei einer Razzia neun Palästinenser getötet, 20 weitere wurden verletzt. Auch dieser Zusammenstoß galt als einer der verheerendsten in den vergangenen Jahren.
Seit dem Antritt der neuen Regierung von Benjamin Netanjahu vor einem Monat nehmen die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern zu. Die Regierung gilt als die am weitesten rechts stehende, die das Land je hatte.
Premierminister Netanjahu vom rechtskonservativen Likud kam am Wochenende auch an den Tatort, die Synagoge in Ostjerusalem. Dort rief er die Menschen dazu auf, Ruhe zu bewahren.
Auch Mansour Abbas, Vorsitzender der islamistischen Partei Raam, die an der vergangenen Einheitsregierung beteiligt war, verurteilte den Terroranschlag. „Ich fordere alle auf, Zurückhaltung zu üben und zusammenzuarbeiten, um einen Weg zu finden, die Situation zu beruhigen, das Land und die Leben vieler Menschen zu retten“, sagte Mansour Abbas.
Um die Situation zu beruhigen, beschloss Israels Sicherheitskabinett bereits am Samstagabend, dass das Haus des Synagogen-Attentäters versiegelt und zerstört werden soll. Es ist eine rechtliche Maßnahme, die bereits seit Jahren besteht. Aber bislang offenbar keine abschreckende Wirkung zeigte. Daher sollen künftig auch die Häuser jener Attentäter abgerissen werden dürfen, die ihre Opfer verletzen, aber nicht töten, beschloss das Kabinett. Das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten der Palästinensischen Autonomiebehörde verurteilte das Vorgehen als einen „groben Verstoß gegen das Völkerrecht“. Es machte zudem Israel für die Eskalation der Spannungen in der Region verantwortlich.
Neben der Stärkung der Polizeiund Militäreinheiten will die rechts-religiöse Regierung das Waffengesetz liberalisieren, um „Tausenden von zusätzlichen Bürgern das Tragen von Waffen zu ermöglichen“, wie Netanjahu sagte. „Wie wir immer wieder gesehen haben, rettet es Leben.“Viele Beobachter bezweifeln jedoch, dass die Liberalisierung des Waffengesetzes tatsächlich zu einer Entspannung der Situation beitragen könnte.
Vor allem Israels nationaler Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir von der rechtsextremen Partei Otzma Jehudit will auch Schritte zur „Stärkung“der jüdischen Siedlungen auf Palästinensergebiet umsetzen – nicht nur als Reaktion auf die Angriffe, sondern auch auf die „palästinensischen Feiern im Anschluss an den Terror“.
Der Hardliner Ben-Gvir will die Terroranschläge mit massiver Gegengewalt eindämmen – und greift dabei zu immer drastischeren Forderungen: „Jeder, der Zivilisten ermordet, verletzt und abschlachtet, sollte auf den elektrischen Stuhl geschickt werden“, sagte Israels Sicherheitsminister
am Montag. Doch die Maßnahmen könnten die aktuellen Spannungen noch weiter anheizen, befürchten Beobachter.
US-Außenminister Antony Blinken rief am Montag bei seiner Visite in Israel Israelis und Palästinenser auf, die Spannungen inmitten einer der tödlichsten Gewaltwellen der letzten Zeit nicht weiter zu verstärken. „Es liegt in der Verantwortung aller, Spannungen abzubauen, anstatt sie anzuheizen. Das ist der einzige Weg, um die ansteigende Gewalt zu stoppen, die zu viele Leben – zu viele Israelis, zu viele Palästinenser – gekostet hat“, sagte der US-Außenminister.
Die Zweistaatenlösung sei weiterhin der beste Weg dafür. Am Dienstag will Blinken in Ramallah Palästinenserpräsident Mahmud Abbas treffen.
Immer drastischere Forderungen