Die Mozart-Meisterin
Gibt es ideale Mozart-Interpretation? Pianistin Mitsuko Uchida setzte in Salzburg jedenfalls Maßstäbe – auch dank ihrer orchestralen Partner.
Am ersten langen Mozart-Wochenende seit drei Jahren hat polyglotte Feststimmung Salzburg erfasst. Mozart prägt das Denken, seine Musik und deren Interpretation bestimmen den Diskurs von Mozartianern aus aller Welt. Über eine Künstlerin herrscht unter den Kennern Einverständnis: Mitsuko Uchida gilt als Mozart-Interpretin schlechthin. Die Pianistin verweigert sich der Twitteria, lässt die Hände von Operndirigaten und schreibt keine Manifeste über Interpretation. Uchida tut, was sie am besten kann: Schuberts, Beethovens und natürlich Mozarts Werken gerecht zu werden. Die Konzentration auf dieses Repertoire erinnert an Alfred Brendel und führt zu ähnlich wesentlicher Werksicht.
Seit 1994 beehrt die Pianistin die Mozartwoche, Konzertereignisse von hohem Erinnerungswert sind dabei garantiert. Am Sonntag beschenkte Mitsuko Uchida Salzburg mit einer weiteren Sternstunde. „Ich bin kein Genie und keine Dirigentin“, sagte die Pianistin einmal in all ihrer Bescheidenheit. Als wollte sie das Zitat Lügen strafen, formte sie die Orchestereinleitung des BDur-Klavierkonzerts, KV 595, mit einer Vielzahl an Schattierungen, scharfen dynamischen Kontrasten, mikroskopischen Tempowechseln und „sprechenden“Pausen bis ins letzte Detail. Das Mahler Chamber Orchestra, ein bewährter Partner Uchidas, setzte die Vorgaben der Solistin hochkonzentriert um und erzeugte einen Klang, der von enormer innerer Spannung erfüllt war.
Das Werk stellt Mozarts letzte Auseinandersetzung mit dem Genre dar, aus durchhörbarem Solistenpart und farbenreicher orchestraler Dichte lässt sich schwer eine Einheit herstellen – zumal vom Flügel aus. Umso bemerkenswerter war diese organische Interpretation aus einem gemeinsamen Atem heraus, die Mitsuko Uchida dennoch genügend Raum für ihr einzigartiges Mozart-Spiel ließ: Emphatisch, präzise perlend, zärtlich flüsternd, dann wieder energisch akzentuierend, leuchtete sie jede Faser des Klavierparts aus – stets im Dienste des Werks.
Zuvor war bereits das frühe DDur-Konzert, KV 175, von der hohen Kunst des musikalischen Miteinanders erfüllt worden. Mit 17 Jahren näherte sich Mozart erstmals ohne väterliche Vorgaben diesem Genre und schuf vor allem im Mittelsatz Großes. Die Anschlagskultur von Mitsuko Uchida verlieh dieser „Arie ohne Worte“berührende Kantabilität. In den Ecksätzen nahm Uchida die Energie des packenden Orchesterklangs auf, ohne die Erhabenheit und kontrapunktische Plastizität ihres Spiels einzubüßen. Der Abend endete standesgemäß, die Meisterin nahm die Satzbezeichnung der Zugabe aus der C-Dur-Sonate, KV 330, beim Wort: Andante cantabile.