Osteuropa vermeidet Absturz
Wirtschaftswachstum lässt aber nach. Prognose für die Erholung in der Ukraine hängt vom Kriegsverlauf ab. Russland spürt die Sanktionen, finanziert den Krieg aber über Budgetdefizite.
Die Volkswirtschaften in Mittel-, Ost- und Südosteuropa zeigen sich angesichts des in der unmittelbaren Nachbarschaft tobenden Kriegs in der Ukraine erstaunlich widerstandsfähig. Laut der aktuellen Konjunkturprognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den elf EU-Mitgliedsstaaten der Region heuer um 1,0 Prozent steigen, für die Folgejahre wird ein Plus von 2,7 sowie 3,1 Prozent erwartet.
Mit Ausnahme von Ungarn, das laut WIIW heuer eine Rezession durchmachen wird (–1,0 Prozent), verzeichnen sämtliche Länder Zuwächse. Besonders positiv stechen dabei Kroatien mit einem erwarteten BIP-Plus von 2,5 Prozent, Rumänien (2,4) und Bulgarien mit 1,5 Prozent hervor. Auch Slowenien (1,2) und Polen (1,0) sollen Wachstumsraten über oder in Höhe des Durchschnitts der Ländergruppe erzielen.
Die meisten Staaten in der Region dürften laut dem stellvertretenden WIIW-Direktor Richard Grieveson „den ökonomischen Schock durch den Krieg bereits zum größten Teil verdaut haben“. Das beruht allerdings auf der Annahme, „dass Russland
den Krieg nicht weiter militärisch eskaliert. Sofern das nicht passiert, könnte die Konjunktur in Osteuropa ab der zweiten Jahreshälfte wieder anspringen.“
Interessant ist die Einschätzung, wie sich die beiden Kriegsparteien entwickeln werden. Der ukrainischen Volkswirtschaft bescheinigt das WIIW für 2023 das Potenzial eines BIP-Anstiegs um 3,0 Prozent, freilich nach einem Absturz um 30 Prozent im Vorjahr. In den folgenden Jahren könnte die Wirtschaft mit jeweils plus 8,0 Prozent den Aufholprozess fortsetzen. Die Prognosen seien allerdings mit großen Unsicherheiten behaftet, sagt
Grieveson. Russland habe mit seinem Bombardement der Ukraine bereits große Teile der kritischen Infrastruktur zerstört und tue das weiter. Das habe Abschaltungen des Stromnetzes zur Folge, was wiederum Produktionsausfälle nach sich ziehe. Damit erhöhe sich der Finanzbedarf für die Ukraine, im Budget dürfte heuer eine Lücke von 20 Prozent des BIP klaffen. Das Land bleibe daher weiterhin in hohem Maß von der finanziellen Unterstützung seitens des Westens abhängig.
In Russland dürfte die Wirtschaftsleistung 2023 um 3,0 Prozent sinken, die Gründe dafür sind laut WIIW die Ausfälle beim Export von Gas und die Sanktionen für Öl. Russland könne sein Erdöl in anderen Weltregionen nur mit hohen Preisabschlägen verkaufen, das schmälere die Steuereinnahmen erheblich. Obwohl die Sanktionen wirkten, werden sie laut RusslandExperte Vasily Astrov die Fähigkeit zur Finanzierung des Kriegs vorerst kaum beeinflussen. Denn Budgetdefizite in Höhe von 3 bis 4 Prozent seien für Russland noch gut verkraftbar. Dass die russische Bevölkerung den Krieg zu spüren bekommt, zeigten aber die um 8 bis 10 Prozent gesunkenen Umsätze im Einzelhandel.
Die Inflation sollte ihren Höhepunkt überschritten haben und mit Ausnahme von Ungarn in allen Ländern sinken.