Mülltaucher müssen auf das Verständnis der Märkte hoffen
Lebensmittel aus dem Müllcontainer retten: Das soll in Deutschland legal werden. In Österreich sind ähnliche Schritte nicht geplant. Dabei landen auch hier Tonnen von Lebensmitteln im Müll.
Wenn sie in die Tonne steigen, ist es meist Nacht. Gemüse, Brote, Milchprodukte sind das Ziel ihrer Suche, ihr Einsatz dient dazu, Lebensmitteln eine zweite Chance zu geben.
Das Engagement kann Folgen haben: In Deutschland war das „Mülltauchen“bislang illegal, konnte sogar strafrechtlich verfolgt werden. Das soll sich jetzt ändern. In einem gemeinsamen Brief an die Justizministerinnen und Justizminister der Länder forderten Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) eine Legalisierung des sogenannten Dumpsterns. Nur bei Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung soll das Mülltauchen noch strafbar sein.
In Österreich ist eine neue Regelung in Sachen Müllrettung derzeit hingegen kein Thema. „Die Legalisierung von Dumpstern oder Containern ist nicht Teil des Regierungsprogramms“, heißt es aus dem Umweltministerium.
Dabei wird auch in Österreich rund eine Million Tonnen Lebensmittel pro Jahr verschwendet, wie Schätzungen der Umweltschutzorganisation WWF ergaben. Viele Produkte schaffen es erst gar nicht aus den Einkaufsregalen zum Verbraucher: Fast 80.000 Tonnen der verschwendeten Nahrungsmittel fallen im Einzelhandel an. Auch in Österreich halten die Mülltonnen vor den Märkten also rettbare Lebensmittel bereit.
Die gesetzlichen Regelungen zum Mülltauchen befinden sich in einer Grauzone. Es gebe keinen gesonderten Strafbestand zum Dumpstern, bestätigt das Bundesministerium für Justiz auf Anfrage. Die Menge der entnommenen Waren, die Art des Containers, in dem sich das gerettete Essen befunden
habe, und der messbare Vermögensschaden seien bei der Beurteilung der Einzelfälle zu betrachten. Mülltauchen könnte etwa als Diebstahl und, falls eine Absperrung aufgebrochen wird, als Einbruchsdiebstahl gewertet werden. Wie oft es tatsächlich zu Anzeigen wegen Mülltauchens kommt, lässt sich nicht genau sagen. „Wir können keine Zahlen zu den Anzeigen nennen“, heißt es .
Entscheidend für mögliche Kon
sequenzen für Mülltaucherinnen und Mülltaucher ist also vor allem, ob Supermärkte, denen die betroffenen Tonnen gehören, Anzeigen erstatten. Die zeigen sich derzeit kulant.
„Wir gehen rechtlich nicht gegen Mülltaucher vor“, sagt Paul Pöttschacher, Sprecher der Rewe-Gruppe. „Wenn jemand das Bedürfnis hat, Lebensmittel zu retten, dann begrüßen wir das sehr.“Der Griff in die Tonne sei aber keine ideale Lösung.
Stattdessen empfiehlt Pöttschacher ein Gespräch mit den leitenden Marktleitern, um gemeinsame Wege zur Rettung von Lebensmitteln zu finden. Das sei auch weniger gefährlich, es gebe nämlich durchaus Gründe dafür, dass Lebensmittel nicht in der Einkaufstasche, sondern im Abfalleimer landeten. Überschrittene Mindesthaltbarkeitsdaten, Produktrückrufe und mögliche Verunreinigungen: „Dumpstern passiert auf eigene Gefahr“, so Pöttschacher.
Auch bei Spar-Märkten müssen Dumpster Diver in aller Regel nicht mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Das gelte zumindest, sofern die betroffenen Tonnen frei zugänglich seien und nichts beschädigt oder beschmutzt werde, so eine Sprecherin. Um die Lebensmittel in Zukunft vor der Tonne zu retten, plant das Umweltministerium noch in diesem Frühjahr einen Aktionsplan. Ziel des Programms „Lebensmittel sind kostbar“sei es, das Problem an der Wurzel anzupacken: „Bei der Vermeidung der Verschwendung“, wie das Umweltministerium mitteilt. Bei der Lebensmittelverschwendung im Handel solle dabei die freiwillige Weitergabe der Produkte weiter gestärkt werden. In der Folge wäre auch der Tauchgang in die Tonne nicht mehr nötig, um Lebensmittel vor dem Müll zu retten.