Funktioniert eine Frau als bunte Schablone?
Sie male „über die Illusion, die Frauen von sich selbst haben“, erläuterte einst Kiki Kogelnik. Was das bedeutet, ist nun zu erkunden.
WIEN. Wie für einen Comic oder eine Werbegrafik erscheint diese Frau dargestellt: mit unpersönlichem Gesicht, körperlos flach und mit schlichten Konturen. Sie wirkt lebenslustig und farbenfroh, trägt aber auf dem Kopf die züngelnden Zotteln der Medusa, der eigentlich betörend schönen Frau, die aber von Poseidon erst vergewaltigt und dann mit Augenglühen und Schlangenhaar die Attribute eines Ungeheuers verpasst bekommen hat. Meisterhaft hat Kiki Kogelnik in diesem Gemälde das harmlose Körpergefühl mit der Ungeheuer-Erscheinung vereint, die Dramatik in artifizielle Schablonen verwandelt und antike Mythologie mit jenen Mitteln erfasst, die sie als österreichische Pionierin und Vertreterin der Pop-Art berühmt gemacht haben.
Kiki Kogelnik erkannte früh einige Trends.
Für solche Frauenbilder aus den 1970er-Jahren habe Kiki Kogelnik Posen von Mode-Models abgeschaut und erläutert: „Meine Gemälde sind über Frauen – über die Illusion, die Frauen über sich selbst haben.“Dies berichtet Lisa OrtnerKreil im Katalog zu der von ihr kuratierten, ab Donnerstag zugänglichen Retrospektive im Bank-Austria-Kunstforum in Wien.
Wie für Maria Lassnig war offenbar auch für Kiki Kogelnik eine Biennale in Venedig erforderlich, um dem internationalen Renommee einen Schub zu geben. Die 20 Werke in der Hauptausstellung „Milk of Dreams“der Biennale 2022 hätten wie ein Türöffner gewirkt, berichtet Lisa Ortner-Kreil laut APA im Pressegespräch. In der Folge hätten National Gallery Washington und Louvre in Paris Werke erworben. Dazu passt, dass die nun in Wien begonnene Retrospektive nach Odense in Dänemark und 2024 weiter ins Kunsthaus Zürich wandert.
In Österreich wurde Kiki Kogelnik wiederholt gewürdigt. Im Vorjahr ermöglichte das Werner-BergMuseum in Bleiburg eine Annäherung an Leben und Persönlichkeit – mit Fotos, Briefen, Filmen, Portraits und Selbstportraits. Retrospektiven ihres Schaffens gab es zuletzt 2013 in der Kunsthalle Krems und 1998 in Wien wie Klagenfurt, wenngleich das Kunstforum nun die neue Schau mit rund 180 Werken als bisher umfangreichste einstuft. Tatsächlich überraschen da aufs Neue die Breite dieses Schaffens, die stete Innovationskraft und – bei aller Vielfalt an Themen und Genres – die konzise Entwicklung. Diese mündet in dem, womit die Schau beginnt: schablonenhafte wie fantasievolle Köpfe aus Glas, Spätwerke der 1990er-Jahre und längst Kogelnik-Ikonen.
Lisa Ortner-Kreil würdigt Kiki Kogelniks „Fähigkeit, gesellschaftliche Trends und Tendenzen frühzeitig zu erkennen und für ihr OEuvre fruchtbar zu machen“. Dies lässt sich in der Ausstellung vielfältig nachvollziehen: Frühe Gemälde, die 1960 in der Wiener Galerie nächst St. Stephan hingen, bestätigen die Impertinenz, dass in der bisherigen Kunstgeschichte über damalige Avantgarde stets bloß vier Männernamen herausragen. Kiki Kogelnik setzte sich in der von Männern dominierten Szene in Wien durch und sie befasste sich in New York, wo sie ab 1962 lebte, mit Marilyn Monroe als „zum Objekt reduzierte Frau“, wie Lisa Ortner-Kreil festhält. Sie tummelte sich dort neben Andy Warhol, Roy Lichtenstein oder Claes Oldenburg. Dass sie in ihrer Kunst Medizintechnik, künstliche Intelligenz als Vereinigung von Mensch und Roboter, Mondlandung und immer wieder entindividualisierte Körper thematisiert hat, bestätigt ihren Pioniergeist und Spürsinn.
Ausstellung: „Kiki Kogelnik: Now Is the Time“, Bank Austria Kunstforum, Wien, bis 25. Juni.