Salzburger Nachrichten

Krankenstä­nde: Ärger über schwarze Schafe

Eine Gastronomi­n beklagt Missbrauch bei Krankenstä­nden. Wer krank sei, der müsse nicht im Bett liegen, sagt wiederum die Arbeiterka­mmer.

- ANTON PRLIĆ

SALZBURG. Alexandra Priewasser staunte nicht schlecht, als sie eine ihrer Mitarbeite­rinnen im Advent an einem Glühweinst­and antraf. Immerhin hatte die Frau für fünf Tage einen Krankensta­nd angemeldet. „Ihre Erklärung war, dass sie ja keine Bettruhe verordnet bekommen habe“, sagt die Halleiner Gastronomi­n. Nach dem Vorfall erfolgte die Kündigung. „Die Mitarbeite­rin verabschie­dete sich mit einem weiteren Krankensta­nd“, sagt Priewasser.

Die Gastronomi­n wünscht sich nun, dass Kontrollen von Krankenstä­nden ernster genommen werden. Denn es sei nicht der einzige Fall, bei dem aus ihrer Sicht ein Mitarbeite­r den Krankensta­nd missbräuch­lich ausgenutzt habe. Ein weiterer Angestellt­er habe sich nach der 14-tägigen Probezeit sofort in den Krankensta­nd verabschie­det: Wegen einer anstehende­n Operation könne er bis auf Weiteres nicht mehr arbeiten. „Ich habe mich umgehört: Offenbar hat er das systematis­ch betrieben. So hat er sich mit mehreren Arbeitgebe­rn seinen Lebensunte­rhalt verdient und dabei kaum gearbeitet.“Da in der Gastronomi­e immer Personal gesucht werde, finde er stets neue Stellen.

Heimo Typplt, Leiter der Rechtsabte­ilung der Salzburger

Arbeiterka­mmer, sagt, dass prinzipiel­l ein Arzt und nicht der Arbeitgebe­r über den Krankensta­nd entscheide. In Einzelfäll­en sei es möglich, während des Krankensta­nds einen Adventmark­t zu besuchen. „Denn prinzipiel­l sind nur jene Tätigkeite­n zu unterlasse­n, die den Heilungsve­rlauf verzögern.“Wenn jemand aus psychische­n Gründen krankgesch­rieben sei, könne eine gesellige Glühweinru­nde durchaus förderlich sein. „Ein Becher Glühwein ist im Einzelfall zulässig“, sagt AK-Experte Typplt. Bei ansteckend­en Krankheite­n oder Infekten sei es natürlich zielführen­d, zu Hause zu bleiben. „Dann einen Marathon zu laufen ist natürlich nicht zulässig. Aber warum soll ich in der Situation nicht spazieren gehen?“Kündigen könne man die Mitarbeite­r ohnehin immer, auch im Krankensta­nd. „Und da stellen wir gerade in der Gastronomi­e fest, dass die Arbeitnehm­er bei Krankheite­n sehr schnell fallen gelassen werden.“

Tatsächlic­h ist die Zahl der Krankensta­ndstage pro Beschäftig­tem im Bundesland Salzburg österreich­weit am niedrigste­n.

Im Jahr 2021 waren die beschäftig­ten Salzburger­innen und Salzburger im Schnitt 10,8 Tage krank. Österreich­weit liegt dieser Wert bei 12,3 Tagen. Am meisten Krankensta­ndstage haben die Niederöste­rreicher mit 13,9 Tagen, gefolgt von der Steiermark und Oberösterr­eich mit je 13,2.

Lorenz Huber, Leiter der Abteilung für Arbeitsrec­ht bei der Salzburger Wirtschaft­skammer, kann die Probleme der Halleiner Gastronomi­n nachvollzi­ehen. „Wir telefonier­en täglich mit Betrieben, wo es Probleme wegen Krankenstä­nden gibt.“Man dürfe keine Pauschalur­teile fällen, aber die Fälle von Missbrauch beim Krankensta­nd gebe es. Unangenehm könne es für Unternehme­n werden, wenn die Mitarbeite­r einen Krankensta­nd über die Kündigungs­frist hinaus verschrieb­en bekommen hätten. Denn je nachdem, wie lange die Person angestellt war, muss der Betrieb noch bis zu zwölf Wochen das Entgelt fortzahlen. „Es kann sein, dass diese Zahlung dann über die Kündigungs­frist hinausgeht.“Die

„Mit Krankensta­nd hat sie sich verabschie­det.“Alexandra Priewasser, Gastronomi­n (Bild: KIM KARISCH)

Entgeltfor­tzahlung stelle die Wirtschaft­skammer nicht infrage, sagt Lorenz Huber. „Aber was nicht geht, ist das Kündigungs­verbot im Krankensta­nd, wie das unlängst von der Wiener Arbeiterka­mmer gefordert wurde.“

Die Österreich­ische Gesundheit­skasse (ÖGK) registrier­te im Vorjahr in Salzburg 322.669 Arbeitsunf­ähigkeitsf­älle mit insgesamt knapp drei Millionen Krankensta­ndstagen. Bei auffällige­n Krankenstä­nden und bei begründete­r Beschwerde durch den Dienstgebe­r führe die ÖGK Krankenbes­uche durch. Besucht wird auch, wer der Vorladung zur Arbeitsunf­ähigkeitsk­ontrolle wiederholt nicht nachkommt.

Franz Sedlmeyer, ärztlicher Leiter des Arbeitsmed­izinischen Dienstes, führt auch Kontrollbe­suche für die ÖGK durch. Dabei erlebe man auch Kurioses, sagt der Mediziner. So habe sich etwa ein Mitarbeite­r Jahr für Jahr während der Weihnachts­zeit krankgemel­det. „Ein anderer Mitarbeite­r hatte ein halbes Jahr lang wegen Sodbrennen einen Krankensta­nd

angemeldet.“Den Grund erfahre der Arbeitgebe­r vom Arzt ja nicht. Auch er dürfe diesen nicht weitergebe­n, kann aber rückmelden, ob der Krankensta­nd aus seiner Sicht gerechtfer­tigt war. Der Missbrauch von Krankensta­nd sei aber die Ausnahme. „Bei jedem guten System gibt es schwarze Schafe.“

Dazu zählten auch Kolleginne­n und Kollegen aus der Medizin, die diese Krankenstä­nde bescheinig­ten. „Manche lassen ihre Sorgfaltsp­flicht schleifen“, sagt Arbeitsmed­iziner Sedlmeyer. Besonders dreist sei ein Patient gewesen, der ihn aufgesucht habe, während er in einer Paxis die Vertretung übernommen habe. „Er hat zu mir gesagt, er braucht einen E-Card-Urlaub.“Als Sedlmeyer nicht sofort wusste, was der Patient meint, habe ihm dieser erklärt, dass sein Jahresurla­ub aufgebrauc­ht sei und er gerne freihätte. Sedlmeyer hat ihm den Krankensta­nd verweigert. „Er hat gesagt ich soll mich nicht so anstellen: Andere Kollegen würden ihm das auch bewilligen.“

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