Krankenstände: Ärger über schwarze Schafe
Eine Gastronomin beklagt Missbrauch bei Krankenständen. Wer krank sei, der müsse nicht im Bett liegen, sagt wiederum die Arbeiterkammer.
SALZBURG. Alexandra Priewasser staunte nicht schlecht, als sie eine ihrer Mitarbeiterinnen im Advent an einem Glühweinstand antraf. Immerhin hatte die Frau für fünf Tage einen Krankenstand angemeldet. „Ihre Erklärung war, dass sie ja keine Bettruhe verordnet bekommen habe“, sagt die Halleiner Gastronomin. Nach dem Vorfall erfolgte die Kündigung. „Die Mitarbeiterin verabschiedete sich mit einem weiteren Krankenstand“, sagt Priewasser.
Die Gastronomin wünscht sich nun, dass Kontrollen von Krankenständen ernster genommen werden. Denn es sei nicht der einzige Fall, bei dem aus ihrer Sicht ein Mitarbeiter den Krankenstand missbräuchlich ausgenutzt habe. Ein weiterer Angestellter habe sich nach der 14-tägigen Probezeit sofort in den Krankenstand verabschiedet: Wegen einer anstehenden Operation könne er bis auf Weiteres nicht mehr arbeiten. „Ich habe mich umgehört: Offenbar hat er das systematisch betrieben. So hat er sich mit mehreren Arbeitgebern seinen Lebensunterhalt verdient und dabei kaum gearbeitet.“Da in der Gastronomie immer Personal gesucht werde, finde er stets neue Stellen.
Heimo Typplt, Leiter der Rechtsabteilung der Salzburger
Arbeiterkammer, sagt, dass prinzipiell ein Arzt und nicht der Arbeitgeber über den Krankenstand entscheide. In Einzelfällen sei es möglich, während des Krankenstands einen Adventmarkt zu besuchen. „Denn prinzipiell sind nur jene Tätigkeiten zu unterlassen, die den Heilungsverlauf verzögern.“Wenn jemand aus psychischen Gründen krankgeschrieben sei, könne eine gesellige Glühweinrunde durchaus förderlich sein. „Ein Becher Glühwein ist im Einzelfall zulässig“, sagt AK-Experte Typplt. Bei ansteckenden Krankheiten oder Infekten sei es natürlich zielführend, zu Hause zu bleiben. „Dann einen Marathon zu laufen ist natürlich nicht zulässig. Aber warum soll ich in der Situation nicht spazieren gehen?“Kündigen könne man die Mitarbeiter ohnehin immer, auch im Krankenstand. „Und da stellen wir gerade in der Gastronomie fest, dass die Arbeitnehmer bei Krankheiten sehr schnell fallen gelassen werden.“
Tatsächlich ist die Zahl der Krankenstandstage pro Beschäftigtem im Bundesland Salzburg österreichweit am niedrigsten.
Im Jahr 2021 waren die beschäftigten Salzburgerinnen und Salzburger im Schnitt 10,8 Tage krank. Österreichweit liegt dieser Wert bei 12,3 Tagen. Am meisten Krankenstandstage haben die Niederösterreicher mit 13,9 Tagen, gefolgt von der Steiermark und Oberösterreich mit je 13,2.
Lorenz Huber, Leiter der Abteilung für Arbeitsrecht bei der Salzburger Wirtschaftskammer, kann die Probleme der Halleiner Gastronomin nachvollziehen. „Wir telefonieren täglich mit Betrieben, wo es Probleme wegen Krankenständen gibt.“Man dürfe keine Pauschalurteile fällen, aber die Fälle von Missbrauch beim Krankenstand gebe es. Unangenehm könne es für Unternehmen werden, wenn die Mitarbeiter einen Krankenstand über die Kündigungsfrist hinaus verschrieben bekommen hätten. Denn je nachdem, wie lange die Person angestellt war, muss der Betrieb noch bis zu zwölf Wochen das Entgelt fortzahlen. „Es kann sein, dass diese Zahlung dann über die Kündigungsfrist hinausgeht.“Die
„Mit Krankenstand hat sie sich verabschiedet.“Alexandra Priewasser, Gastronomin (Bild: KIM KARISCH)
Entgeltfortzahlung stelle die Wirtschaftskammer nicht infrage, sagt Lorenz Huber. „Aber was nicht geht, ist das Kündigungsverbot im Krankenstand, wie das unlängst von der Wiener Arbeiterkammer gefordert wurde.“
Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) registrierte im Vorjahr in Salzburg 322.669 Arbeitsunfähigkeitsfälle mit insgesamt knapp drei Millionen Krankenstandstagen. Bei auffälligen Krankenständen und bei begründeter Beschwerde durch den Dienstgeber führe die ÖGK Krankenbesuche durch. Besucht wird auch, wer der Vorladung zur Arbeitsunfähigkeitskontrolle wiederholt nicht nachkommt.
Franz Sedlmeyer, ärztlicher Leiter des Arbeitsmedizinischen Dienstes, führt auch Kontrollbesuche für die ÖGK durch. Dabei erlebe man auch Kurioses, sagt der Mediziner. So habe sich etwa ein Mitarbeiter Jahr für Jahr während der Weihnachtszeit krankgemeldet. „Ein anderer Mitarbeiter hatte ein halbes Jahr lang wegen Sodbrennen einen Krankenstand
angemeldet.“Den Grund erfahre der Arbeitgeber vom Arzt ja nicht. Auch er dürfe diesen nicht weitergeben, kann aber rückmelden, ob der Krankenstand aus seiner Sicht gerechtfertigt war. Der Missbrauch von Krankenstand sei aber die Ausnahme. „Bei jedem guten System gibt es schwarze Schafe.“
Dazu zählten auch Kolleginnen und Kollegen aus der Medizin, die diese Krankenstände bescheinigten. „Manche lassen ihre Sorgfaltspflicht schleifen“, sagt Arbeitsmediziner Sedlmeyer. Besonders dreist sei ein Patient gewesen, der ihn aufgesucht habe, während er in einer Paxis die Vertretung übernommen habe. „Er hat zu mir gesagt, er braucht einen E-Card-Urlaub.“Als Sedlmeyer nicht sofort wusste, was der Patient meint, habe ihm dieser erklärt, dass sein Jahresurlaub aufgebraucht sei und er gerne freihätte. Sedlmeyer hat ihm den Krankenstand verweigert. „Er hat gesagt ich soll mich nicht so anstellen: Andere Kollegen würden ihm das auch bewilligen.“