Der Mann, der die Ameisen übersiedelt
Michael Steinwender ist Ameisenheger. Auch bei der Ski-WM-Piste in Hinterglemm ist er im Einsatz, um geschützte Schmetterlinge und Ameisen zu retten.
ST. VEIT. Als 1988 in Wagrain die Seilbahn Flying Mozart gebaut wurde, waren die Einreichunterlagen für den Naturschutz sieben Millimeter dick. „Beim Neubau 2021 waren es 28 Zentimeter, obwohl es nur ein Ersatzbau auf derselben Trasse war“, sagt Michael Steinwender (57). „Es ist extrem kompliziert geworden.“Die Arbeit wird ihm deshalb nicht ausgehen. Steinwender betreibt in St. Veit mit seiner Frau Kerstin die Firma NMS Naturraummanagement. „Wir machen bei Bauvorhaben die ökologische Begleitplanung, beraten die Bauherren beim Naturschutz, Wasserrecht und Forstrecht. Und wir machen für Behörden auch die ökologische Bauaufsicht.“Steinwender ist Vermittler zwischen Bauherren und Naturschutz. Und das ist nicht immer einfach, wie jüngst das Beispiel Hinterglemm zeigte.
Im Glemmtal sind die Veranstalter der Ski-WM 2025 derzeit nicht gut auf die Landesumweltanwaltschaft (LUA) zu sprechen, die ihrer Meinung nach den für die WM notwendigen Ausbau einer Piste verzögert. Der geschützte Thymian-Ameisenbläuling lebt dort. Lösen soll das Problem Steinwender. Ihn haben die Bergbahnen für den Naturschutz engagiert. „Unsere Arbeit beginnt schon bei den Planungen“, sagt er. „Wir schauen uns das Gelände an. Da kann man schon sagen, wo eine Planung sinnlos ist, weil hochgeschützte Moore oder Trockenrasen eine Genehmigung unmöglich machen.“In Hinterglemm habe man gewusst, dass Schmetterlinge da seien. „Aber die Verbreiterung geht nur dort. Wir haben dann ein Gutachten von einem Schmetterlingsexperten bestellt. Da wurde der Thymian-Ameisenbläuling gefunden.“
Und das mache es kompliziert. „Er braucht eine gewisse Hangneigung, er braucht Thymian und er braucht Ameisen.“Um in der Nähe einen Ersatzlebensraum zu schaffen, wird dort der Thymianbestand durch die Beseitigung von Verbuschungen gefördert. Dann werden die Ameisen samt dem Boden versetzt. Dazu verlangen die Behörden oft Spezialkenntnisse, die Steinwender hat.
Der Pongauer ist einer von wenigen zertifizierten Ameisenhegern in Salzburg. Die Ausbildung hat er 2017 in Bayern gemacht, weil es sie in Österreich nicht gab.
Steinwender: „Die Ameise ist ökologisch eine der wichtigsten Tierarten. Ein Haufen hat oft eine Million Tiere und vernichtet im Jahr 25 bis 30 Kilo Schädlinge. In Deutschland ist die Ameise im Naturschutz sehr wichtig. Da werden wegen Ameisen Straßen verhindert. Bei uns sind eher Amphibien zum großen Thema gemacht worden.“Das hänge davon ab, womit sich die Wissenschafter vor Ort beschäftigen.
Die Übersiedlung der Ameisen sollte im Frühjahr erfolgen, sagt der Ameisenheger. „Wenn die erste Sonne auf den Haufen scheint, kommen sie heraus. Entscheidend ist, dass man auch die Königin mitnimmt, sonst ist der Haufen tot.“Für die Abtragung des Bodens gebe es ein paar Baggerfahrer, die darauf spezialisiert seien. „Da sieht man nach kurzer Zeit fast nichts mehr von den Arbeiten. Von Behörden hören wir oft, dass wir Lebensräume geschaffen haben, die besser als vorher sind.“
Die Natur hat für Steinwender immer eine große Rolle gespielt. Sein Vater war Berufsjäger für die deutsche Industriellenfamilie Thyssen auf deren Jagd in St. Veit. Auch den Sohn zog es in den Wald. Nach der Volks- und Hauptschule in Schwarzach besuchte er die Försterschule in Bruck/Mur. Nach drei Jahren Praxis und der Staatsprüfung für den Försterdienst ging er zu den Bundesforsten. 21 Jahre lebte er im Forsthaus in Saalbach. Er arbeitete am Quellkataster, rekultivierte Moore und war Mitentwickler des Naturraummanagements des Unternehmens. Vor 13 Jahren machte er sich selbstständig und kehrte nach St. Veit zurück. Steinwender ist außerdem Gerichtssachverständiger für Naturschutz, Forstwesen und Jagd.
Damit es zu Lösungen kommt, brauche es bei allen Beteiligten Augenmaß, sagt der Pongauer. „Aber heute gibt es unheimlich viele Fachbereiche mit Spezialisten, die nur ihre Sache sehen. Das Gemeinschaftliche geht verloren.“Bei vielen Bauern haben die Naturschützer mittlerweile einen miserablen Ruf. Aber man müsse die Bauern ins Boot holen, weil sie für die Biodiversität sehr wichtig seien, so Steinwender. „Sie haben die Landschaft, wie sie heute ist, gestaltet. Der Naturschutz mit seinen Vorschriften wirkt hier zum Teil kontraproduktiv.“Wenn der Bauer nicht mehr Herr auf seinem eigenen Boden ist, wenn dort ein Biotop gefunden wird, dann sorgt er eben dafür, dass keines gefunden wird.