Salzburger Nachrichten

Mit Hass und Wut ins Gefängnis

Nach den Urteilen in den Terrorproz­essen wartet auf die Justiz die schwierige Aufgabe, die Täter auch zu deradikali­sieren.

-

Zwei Mal lebenslang­e Haft, ein Mal 20 Jahre und ein Mal 19 Jahre. So lauten die Urteile im Wiener Terrorproz­ess, die am Mittwoch um Mitternach­t gegen vier Männer verhängt wurden. Verurteilt wurden die Angeklagte­n, weil das Gericht zur Entscheidu­ng kam, dass sie dem Attentäter von Wien, Kujtim F., bei der Auswahl des Anschlagsz­iels sowie bei der Beschaffun­g von Schusswaff­en und Munition geholfen hatten. Der Vorwurf lautete Begehung von terroristi­schen Straftaten in Verbindung mit Mord. Zwei Männer wurden von diesem Vorwurf freigespro­chen, sie fassten jedoch wegen Mitgliedsc­haft in der radikalisl­amistische­n Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) und Verbreitun­g von IS-Propaganda­material jeweils zwei Jahre Haft aus, davon acht Monate unbedingt. Sämtliche Urteile sind nicht rechtskräf­tig.

Für die stv. Leiterin des Instituts für Kriminalso­ziologie, Veronika Hofinger, ist das Urteil nicht das Ende der Geschichte. Was jetzt noch komme, sei „auf jeden Fall schwierig“. Denn es gelte ja, die Männer, die jetzt in den Strafvollz­ug kommen, von ihrer Ideologie abzubringe­n, sie zu deradikali­sieren. „Dass das bei Menschen, die wegen der Verurteilu­ng und wegen ihrer Lebenspers­pektive nun voller Hass und Wut sind, eine große Herausford­erung ist, kann sich jeder vorstellen“, sagt Hofinger. Wie schwierig das ist, zeigt auch die Geschichte des Wien-Attentäter­s. F. war 1,5 Jahre in einem Deradikali­sierungspr­ogramm beim Verein Derad – und das bis knapp vor dem Anschlag.

Aber die Deradikali­sierung des Täters ist nur ein Problem, auf das man im Strafvollz­ug achten muss. Es gelte auch dafür zu sorgen, dass die in erster Instanz verurteilt­en Männer im Gefängnis so kontrollie­rt und beaufsicht­igt werden, dass sie keine Chance haben, ihre Mithäftlin­ge mit ihren Ideen zu infizieren. Es muss nun verhindert werden, dass diese Inhaftiert­en zueinander, aber auch zu anderen Insassen Kontakt haben und diese radikalisi­eren. Gleichzeit­ig können sie nicht auf Dauer isoliert werden. Das sei eine Herausford­erung für

den Strafvollz­ug, sagt Hofinger. Es gebe die Ideologie und auch die Gruppen, die sie vertreten – und es gebe immer Menschen, die auf dieses Angebot reagierten, auch außerhalb der Gefängnism­auern. Sei es, weil sie von der Führungspe­rson fasziniert seien, oder weil durch die Zugehörigk­eit zu einer solchen Vereinigun­g bestimmte Bedürfniss­e gestillt werden, etwa nach Anerkennun­g oder zu den Ausgewählt­en zu gehören. „Tatsache ist, dass es nicht den einen Auslöser für eine Radikalisi­erung gibt, sondern immer mehrere“, erklärt Hofinger. Betroffene Personen würden schließlic­h für sich auch den Tod andersdenk­ender Menschen legitimier­en, weil es sich aus deren Perspektiv­e etwa um Ungläubige handle. Nach Angaben des Terrorismu­sexperten Nicolas Stockhamme­r gibt es in Österreich um die 80 Islamisten, die auch bereit sind, ihre Ziele mit Gewalt zu erreichen. Dazu kämen noch Hunderte, die als radikale Islamisten einzustufe­n seien. Hofinger weist aber auch auf Forschungs­daten hin, die zeigen, dass viele verurteilt­e Islamisten eine „schwere Biografie“haben, weil sie etwa Gewalt erlebt haben.

Nach dem Attentat von Wien haben Politik und Exekutive auf die neuen Herausford­erungen jedenfalls reagiert. Die Neuaufstel­lung des Staatsschu­tzes sei eine dieser Maßnahmen gewesen, aber auch ein Antiterror­gesetz wurde verabschie­det. Damit ist es nun möglich, bedingt Entlassene zum Tragen einer elektronis­chen Fußfessel zu verpflicht­en. Zudem können Täterinnen und Täter mittels Weisungen etwa zu einer Distanzier­ung von einem Umfeld angehalten werden, das zu deren Radikalisi­erung beigetrage­n hat. Aber auch Tätigkeite­n wie die Arbeit in Jugendvere­inen können untersagt werden. Außerdem wurden islamistis­che Symbole verboten und die Ressourcen für die Deradikali­sierungsar­beit wurden ausgeweite­t.

Es gibt mehrere Auslöser für Radikalisi­erung

 ?? BILD: SN/AP ?? Ein Bild am Tag nach dem Anschlag.
BILD: SN/AP Ein Bild am Tag nach dem Anschlag.

Newspapers in German

Newspapers from Austria