„300 Quadratmeter Grund reichen für ein Eigenheim“
Das großzügige Eigenheim, wie es das Land liebt(e), ist Geschichte. Nicht nur hohe Kosten führen zu einem Umdenken.
Die jüngsten wirtschaftlichen Einschläge wühlen die österreichische Seele auf. Im Land der Häuslbauer werden kaum noch Eigenheime errichtet, weil die Kosten enorm gestiegen und die Vorschriften für Kredite massiv verschärft wurden. Das wiegt umso schwerer, als es nach wie vor einer der sehnsüchtigen Träume im Land ist, eigene vier Wände zu besitzen. Die zahllosen Umfragen dazu kommen stets zum gleichen Ergebnis: Eine deutliche Mehrheit will Immobilienbesitz, am liebsten ein eigenes Häuschen. Auch die Jungen.
Dass das scheinbar unmöglich geworden ist, nagt an der Zuversicht im Land. Das lange gültige Wohlstandsversprechen, dass man sich mit Fleiß und Eifer etwas schaffen könne, ist erschüttert. Was tun?
„Als Erstes würde ich die KIMVerordnung kippen“, sagt Wohnbauexperte Wolfgang Amann. Das ist jene Vorschrift der Finanzmarktaufsicht, die unter anderem vorschreibt, dass für einen Kredit 20 Prozent Eigenmittel nötig sind und die Rückzahlungsrate maximal 40 Prozent des Haushaltseinkommens betragen darf. Viele Bau- und Kaufwillige scheitern in Zeiten hoher Immobilienpreise schon an dieser Hürde. Während der langen Nullzinsphase wäre die Verordnung wichtig gewesen, sagt Amann, der das Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) leitet. Sie aber genau zum Zeitpunkt einzuführen, als die Zinsen nach oben schnellten, habe „den Abwärtstrend stark beschleunigt“. Jetzt wäre die Einsicht, dass die scharfen Vorgaben aktuell ein Fehler seien, ein erstes wichtiges Signal, dass „der Traum vom Eigenheim wieder wahr werden kann“.
Generell seien Signale wichtig, um die Stimmung zu heben, meint Amann. Ein Zweites wäre, dass die Notenbanken die Zinsen wieder senken. Die Hoffnung darauf lebt – im zweiten Halbjahr 2024.
Ein drittes Signal sollte von der Politik kommen. Wohnungseigentum schaffe Sicherheit bis ins Alter und sei ein wichtiger Hebel zur Vermögensbildung, sagt Wifo-Wohnexperte Michael Klien. In Österreich hat knapp die Hälfte der Haushalte Immobilienbesitz, ein im internationalen Vergleich sehr niedriger Wert. Nur in Deutschland besitzen die Menschen noch weniger Eigentum. In Vermögensstatistiken zeigen sich die Folgen. Wem hierzulande sein Hauptwohnsitz gehört, der kommt laut einer Nationalbank-Studie auf ein durchschnittliches Vermögen von 372.000 Euro. Die untere Hälfte der Haushalte, die in Miete wohnt, besitzt hingegen im Schnitt nur 60.000 Euro – also gerade einmal ein Sechstel davon.
Österreich habe die Förderung von Eigentum über die Jahre eher zurückgefahren denn ausgeweitet, sagt Klien. Die ÖVP macht jetzt Vorschläge, wie man das korrigieren kann. Gebühren und Steuern fürs erste Eigenheim sollen gestrichen, Kreditzinsen wieder steuerlich absetzbar werden. Darüber könne man reden, meint Wifo-Forscher Klien, mahnt für diesen Fall aber eine grundlegende Reform der Grundsteuer ein.
Wolfgang Amann fehlt bei den ÖVP-Vorschlägen ein wichtiger Aspekt.
Es brauche bei solchen Eigenheim-Förderungen ökologische Lenkungseffekte. So verständlich der Wunsch nach dem großzügigen Häuschen am besten im Grünen sei, so sehr müsse man der Realität ins Auge blicken. Erstens der finanziellen: Grund und Boden wie auch das Bauen sind erheblich teurer geworden. Zweitens der ökologischen: Vom Eigenheim gingen viele negative Umwelteffekte aus. Es sei ein Treiber für Landschaftsverbrauch und Zersiedelung wie auch von zusätzlichem Verkehr. Dass 200 Quadratmeter
Wohnfläche in Eigenheimen eher die Regel als die Ausnahme wurden, sieht Amann als Fehlentwicklung. Schon auf 300 Quadratmetern Grundfläche sei ein Eigenheim machbar. Auf zwei Etagen benötige man für 130 Quadratmeter Wohnfläche nicht mehr als 80 Quadratmeter Grund. Das biete „tollen Wohnkomfort“und noch immer 200 Quadratmeter Garten. Nötig dafür wäre ein begleitender Bebauungsplan, der die Abstandsgrenzen zu Nachbarn minimiere und höheres Bauen ermögliche.
Klein und am Nachbarn „picken“– es klingt wie ein Albtraum für den klassischen Häuslbauer. Platz für Bepflanzung und Abgrenzung bleibe allemal, erwidert Amann. Sich von niemandem sagen lassen zu müssen, was man auf dem eigenen Besitz tue – diese Autonomie sei der wahre Wert des Eigenheims, und der bleibe auch in kleinerer Form gewahrt, meint Amann.
Es bräuchte dafür auch keine rigiden Vorschriften, sondern kluge Förderungen. Als wegweisend sieht er ein stufenweises System, das Tirol schon umsetze. Bei 300 Quadratmetern Grundverbrauch sei die Förderung am höchsten und gehe dann stufenweise zurück. Ab 600 Quadratmetern Grundfläche gebe es dann keine Förderung mehr. Auch Salzburgs Wohnbaulandesrat Martin Zauner (FPÖ) strebt ein solches System an. Das Eigenheim, wie es früher üblich gewesen sei, werde ohnehin kaum noch gefördert, sagt er. Schon jetzt dominierten auch auf dem Land Baulandmodelle mit stärkerer Verdichtung. Wenn man jene, die mehr Wohnraum wollen, damit animiert, bestehende Objekte zu kaufen, wäre das „ein Volltreffer“, sagt Wohnbauexperte Amann. Dann hätte man auch einen Anreiz geschaffen, dass mehr saniert und weniger neu gebaut werde.
Wifo-Ökonom Klien hat Zweifel, dass das Gemisch aus Förderung und ökologischer Lenkung viel Sinn macht. Erstens gebe es in den Wohnbauförderungen schon viele ökologische Elemente. Zweitens lehre die Erfahrung, dass Förderungen dadurch sehr kompliziert und unattraktiv werden. Mit der Konsequenz, dass Menschen auf die Wohnbauförderung ganz verzichten. Fördersysteme sollten deshalb stets ein zentrales Ziel verfolgen, aber nicht mehrere, die allenfalls in Konflikt geraten können.
Es ist absehbar, dass sich die Gespräche zwischen ÖVP und Grünen genau in diesem Spannungsfeld bewegen werden. Dass die Grünen auf ökologische Begleitkriterien pochen werden, liegt auf der Hand. Wie weit die ÖVP da mitgehen wird, ist die große Frage. Ein Trost bleibt: Die Regierenden beschäftigen sich immerhin intensiv mit der Frage, wie die Eigentumsträume der Menschen wieder realisierbar werden.
„Wir müssen die Ansprüche hinterfragen.“Wolfgang Amann, Wohnbauexperte