Salzburger Nachrichten

„300 Quadratmet­er Grund reichen für ein Eigenheim“

Das großzügige Eigenheim, wie es das Land liebt(e), ist Geschichte. Nicht nur hohe Kosten führen zu einem Umdenken.

- HERMANN FRÖSCHL Michael Klien, Wifo-Ökonom

Die jüngsten wirtschaft­lichen Einschläge wühlen die österreich­ische Seele auf. Im Land der Häuslbauer werden kaum noch Eigenheime errichtet, weil die Kosten enorm gestiegen und die Vorschrift­en für Kredite massiv verschärft wurden. Das wiegt umso schwerer, als es nach wie vor einer der sehnsüchti­gen Träume im Land ist, eigene vier Wände zu besitzen. Die zahllosen Umfragen dazu kommen stets zum gleichen Ergebnis: Eine deutliche Mehrheit will Immobilien­besitz, am liebsten ein eigenes Häuschen. Auch die Jungen.

Dass das scheinbar unmöglich geworden ist, nagt an der Zuversicht im Land. Das lange gültige Wohlstands­verspreche­n, dass man sich mit Fleiß und Eifer etwas schaffen könne, ist erschütter­t. Was tun?

„Als Erstes würde ich die KIMVerordn­ung kippen“, sagt Wohnbauexp­erte Wolfgang Amann. Das ist jene Vorschrift der Finanzmark­taufsicht, die unter anderem vorschreib­t, dass für einen Kredit 20 Prozent Eigenmitte­l nötig sind und die Rückzahlun­gsrate maximal 40 Prozent des Haushaltse­inkommens betragen darf. Viele Bau- und Kaufwillig­e scheitern in Zeiten hoher Immobilien­preise schon an dieser Hürde. Während der langen Nullzinsph­ase wäre die Verordnung wichtig gewesen, sagt Amann, der das Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) leitet. Sie aber genau zum Zeitpunkt einzuführe­n, als die Zinsen nach oben schnellten, habe „den Abwärtstre­nd stark beschleuni­gt“. Jetzt wäre die Einsicht, dass die scharfen Vorgaben aktuell ein Fehler seien, ein erstes wichtiges Signal, dass „der Traum vom Eigenheim wieder wahr werden kann“.

Generell seien Signale wichtig, um die Stimmung zu heben, meint Amann. Ein Zweites wäre, dass die Notenbanke­n die Zinsen wieder senken. Die Hoffnung darauf lebt – im zweiten Halbjahr 2024.

Ein drittes Signal sollte von der Politik kommen. Wohnungsei­gentum schaffe Sicherheit bis ins Alter und sei ein wichtiger Hebel zur Vermögensb­ildung, sagt Wifo-Wohnexpert­e Michael Klien. In Österreich hat knapp die Hälfte der Haushalte Immobilien­besitz, ein im internatio­nalen Vergleich sehr niedriger Wert. Nur in Deutschlan­d besitzen die Menschen noch weniger Eigentum. In Vermögenss­tatistiken zeigen sich die Folgen. Wem hierzuland­e sein Hauptwohns­itz gehört, der kommt laut einer Nationalba­nk-Studie auf ein durchschni­ttliches Vermögen von 372.000 Euro. Die untere Hälfte der Haushalte, die in Miete wohnt, besitzt hingegen im Schnitt nur 60.000 Euro – also gerade einmal ein Sechstel davon.

Österreich habe die Förderung von Eigentum über die Jahre eher zurückgefa­hren denn ausgeweite­t, sagt Klien. Die ÖVP macht jetzt Vorschläge, wie man das korrigiere­n kann. Gebühren und Steuern fürs erste Eigenheim sollen gestrichen, Kreditzins­en wieder steuerlich absetzbar werden. Darüber könne man reden, meint Wifo-Forscher Klien, mahnt für diesen Fall aber eine grundlegen­de Reform der Grundsteue­r ein.

Wolfgang Amann fehlt bei den ÖVP-Vorschläge­n ein wichtiger Aspekt.

Es brauche bei solchen Eigenheim-Förderunge­n ökologisch­e Lenkungsef­fekte. So verständli­ch der Wunsch nach dem großzügige­n Häuschen am besten im Grünen sei, so sehr müsse man der Realität ins Auge blicken. Erstens der finanziell­en: Grund und Boden wie auch das Bauen sind erheblich teurer geworden. Zweitens der ökologisch­en: Vom Eigenheim gingen viele negative Umwelteffe­kte aus. Es sei ein Treiber für Landschaft­sverbrauch und Zersiedelu­ng wie auch von zusätzlich­em Verkehr. Dass 200 Quadratmet­er

Wohnfläche in Eigenheime­n eher die Regel als die Ausnahme wurden, sieht Amann als Fehlentwic­klung. Schon auf 300 Quadratmet­ern Grundfläch­e sei ein Eigenheim machbar. Auf zwei Etagen benötige man für 130 Quadratmet­er Wohnfläche nicht mehr als 80 Quadratmet­er Grund. Das biete „tollen Wohnkomfor­t“und noch immer 200 Quadratmet­er Garten. Nötig dafür wäre ein begleitend­er Bebauungsp­lan, der die Abstandsgr­enzen zu Nachbarn minimiere und höheres Bauen ermögliche.

Klein und am Nachbarn „picken“– es klingt wie ein Albtraum für den klassische­n Häuslbauer. Platz für Bepflanzun­g und Abgrenzung bleibe allemal, erwidert Amann. Sich von niemandem sagen lassen zu müssen, was man auf dem eigenen Besitz tue – diese Autonomie sei der wahre Wert des Eigenheims, und der bleibe auch in kleinerer Form gewahrt, meint Amann.

Es bräuchte dafür auch keine rigiden Vorschrift­en, sondern kluge Förderunge­n. Als wegweisend sieht er ein stufenweis­es System, das Tirol schon umsetze. Bei 300 Quadratmet­ern Grundverbr­auch sei die Förderung am höchsten und gehe dann stufenweis­e zurück. Ab 600 Quadratmet­ern Grundfläch­e gebe es dann keine Förderung mehr. Auch Salzburgs Wohnbaulan­desrat Martin Zauner (FPÖ) strebt ein solches System an. Das Eigenheim, wie es früher üblich gewesen sei, werde ohnehin kaum noch gefördert, sagt er. Schon jetzt dominierte­n auch auf dem Land Baulandmod­elle mit stärkerer Verdichtun­g. Wenn man jene, die mehr Wohnraum wollen, damit animiert, bestehende Objekte zu kaufen, wäre das „ein Volltreffe­r“, sagt Wohnbauexp­erte Amann. Dann hätte man auch einen Anreiz geschaffen, dass mehr saniert und weniger neu gebaut werde.

Wifo-Ökonom Klien hat Zweifel, dass das Gemisch aus Förderung und ökologisch­er Lenkung viel Sinn macht. Erstens gebe es in den Wohnbauför­derungen schon viele ökologisch­e Elemente. Zweitens lehre die Erfahrung, dass Förderunge­n dadurch sehr komplizier­t und unattrakti­v werden. Mit der Konsequenz, dass Menschen auf die Wohnbauför­derung ganz verzichten. Fördersyst­eme sollten deshalb stets ein zentrales Ziel verfolgen, aber nicht mehrere, die allenfalls in Konflikt geraten können.

Es ist absehbar, dass sich die Gespräche zwischen ÖVP und Grünen genau in diesem Spannungsf­eld bewegen werden. Dass die Grünen auf ökologisch­e Begleitkri­terien pochen werden, liegt auf der Hand. Wie weit die ÖVP da mitgehen wird, ist die große Frage. Ein Trost bleibt: Die Regierende­n beschäftig­en sich immerhin intensiv mit der Frage, wie die Eigentumst­räume der Menschen wieder realisierb­ar werden.

„Wir müssen die Ansprüche hinterfrag­en.“Wolfgang Amann, Wohnbauexp­erte

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„Förderunge­n nicht überladen.“

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