Mehr als ein Zweckbündnis
Paris, Berlin und Warschau bemühten sich bei einem Treffen ihrer Außenminister um eine Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks – die Abwehr Moskaus war ein zentraler Punkt.
Der Zeitpunkt für eine Zusammenkunft der Außenminister des Weimarer Dreiecks, also Deutschlands, Frankreichs und Polens, am Montag in La Celle-SaintCloud bei Paris hätte kaum passender gewählt sein können. Seit fast zwei Jahren führt Russland seinen Krieg in der Ukraine und stellt Europa damit vor eine existenzielle Herausforderung. Der ehemalige USPräsident Donald Trump schockierte am Wochenende mit seiner Aussage, im Fall seiner Wiederwahl im November würde er ein Land, das seine Nato-Beiträge nicht zahle, nicht vor Russland beschützen – sondern Moskau „sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“. In vier Monaten stehen EU-Wahlen an, bei der russische Einflussnahme und die Erstarkung nationalistischer, EU-skeptischer Kräfte befürchtet werden.
Demgegenüber wurde Mitte Dezember in Polen eine neue, proeuropäische Regierung unter dem früheren EU-Ratspräsidenten Donald Tusk vereidigt. Gemeinsam mit ihr erhoffen Paris und Berlin,
Impulse für die Zusammenarbeit setzen zu können. Der neue französische Außenminister Stéphane Séjourné, sagte in einem Interview mit einer französischen, einer polnischen und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, ein solches Treffen hätte kaum stattgefunden, wenn die nationalistische PiS-Partei,
Weimarer Dreieck als „Kraftzentrum“
die seit 2016 in Polen regierte, die jüngsten Wahlen erneut gewonnen hätte. Zwar gab es auch unter Ex-Regierungschef Jarosław Kaczyński von der PiS Begegnungen der drei Länder. Doch als Integrationsmotor fiel das Weimarer Dreieck, das 1991 ins Leben gerufen worden war, jahrelang weitgehend aus.
Nun könne Polen eine führende Rolle spielen, wo es früher Blockaden gab, sagte Séjourné und nannte dabei Themen wie Umwelt, Rechtsstaatlichkeit und institutionelle Reformen. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock erklärte vor wenigen Tagen in Berlin, in stürmischen Zeiten könne das Trio „mehr denn je in seiner 30-jährigen Geschichte Kraftzentrum und Ideenschmiede“sein.
Auch der polnische Außenminister Radek Sikorski versicherte, dass die Koalition wieder in den Vordergrund rücken solle, nachdem sie „in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten war“. Das Ziel wurde geäußert, mehr zu werden als ein Zweckbündnis gegen Moskau. Fast zeitgleich mit dem Treffen der drei Außenminister reiste Tusk am Montag zuerst nach Paris und im Anschluss zu einem Treffen nach Berlin, bei dem Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz nach den Aussagen Trumps auch die gemeinsame Verteidigung der Nato bekräftigte: „Das Schutzversprechen der Nato gilt uneingeschränkt. Alle für einen. Einer für alle". Scholz rief die europäischen Partner zuletzt immer drängender zu mehr Militärunterstützung für die Ukraine auf und hatte dabei vor allem Frankreich im Blick. Laut dem Kiel-Institut für Weltwirtschaft (IfW) belief sich die französische Militärhilfe seit Kriegsbeginn bis 31. Oktober 2023 auf 540 Millionen Euro, weit hinter 17,1 Milliarden Euro
aus Deutschland und drei Milliarden Euro aus Polen. Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu bezeichnete die IfW-Statistik verärgert als „weder verlässlich noch haltbar“. Frankreich liefere im Gegensatz zu anderen Ländern neues Material von hoher Qualität.Paris sieht sich durch Russlands Agieren und die drohende Unzuverlässigkeit der USA im Fall eines Wahlsiegs von Trump in seiner Forderung nach mehr „strategischer Autonomie“Europas bestätigt. Zugleich betonte Séjourné, dass es nicht um einen Ersatz der Nato gehe, sondern um eine Ergänzung.
Ein wichtiges Thema war auch der Vorwurf gegen Moskau, Desinformationskampagnen in Europa zu führen, um die Gesellschaften zu destabilisieren und zu spalten. Eine besondere Gefahr wurde vor den EU-Wahlen im Juni ausgemacht. Séjourné zufolge könnte ein Verlust der proeuropäischen Mehrheit im Parlament große institutionelle Blockaden nach sich ziehen. „Das wäre wie ein Brexit für alle.“