Ein Fürst belebt die Kunst und eine Vorstadt
Mit Grandezza gestaltete Johann Adam I. von Liechtenstein Macht, Wirtschaft und Kunst.
Seine Amtszeit als Fürst beginnt Johann Adam I. von Liechtenstein 1684 mit einem Schuldenberg. Als er 28 Jahre später stirbt, hat er sein primäres Ziel erreicht: Er ist in höchste europäische Machtgefilde vorgedrungen, hat einen Sitz im Reichsfürstenrat und ist Mitglied im Orden vom Goldenen Vlies. Nur der habsburgische Kaiser ist ranghöher. Weil Johann Adam I. auch in Wirtschaftspolitik, Stadtplanung und Kunst sowie bei Macht- und Vermögensaufbau Außergewöhnliches errungen hat, widmet ihm das Liechtenstein-Museum in Wien seine Frühlingsausstellung. Eineinhalb Monate lang ist das Gartenpalais im 9. Bezirk bei freiem Eintritt zugänglich, allerdings nur für sechs Räume der Sonderausstellung (andere Säle mit Werken der Sammlung Liechtenstein sowie das Stadtpalais in der Bankgasse sind nur gegen Voranmeldung zu ausgewählten Terminen zu besichtigen).
Johann Adam I. sei „die zentrale Gestalt in der Geschichte des Fürstenhauses“, er habe „die wohl größten Spuren in der Wiener Stadttopografie und in der österreichischen Kunstgeschichte“hinterlassen, sagte Stephan Koja, seit April 2003 Leiter der Sammlung Liechtenstein, am Montag im Pressegespräch. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein bestätigte: Die Kriterien Johann Adams I. für den Erwerb von Kunst seien heute noch maßgeblich für Pflege und Ausbau der Sammlung Liechtenstein – flämische und italienische Kunst als Schwerpunkt, Exzellenz sowie Werke, „zu denen man einen Bezug und eine Leidenschaft hat“.
In der Ausstellung wird von diesem laut Stephan Koja „entschlossenen, willensstarken Mann“das hervorgehoben, was in seiner Gestalt – als Bauten, Stadtteil oder Kunstsammlung – heute noch sichtbar ist.
Stephan Koja, Sammlg. Liechtenstein
Zusätzlich zum Familiensitz in Feldsberg (Valtice) in Südmähren und zum Kauf der Herrschaften Vaduz und Schellenberg, die später zum Fürstentum Liechtenstein werden sollten, begründete Johann Adam I. den Wohnsitz in Wien, und das mit zwei baulichen Großtaten. In der Innenstadt habe er das in Bau befindliche Palais des Fürsten Kaunitz erworben und nach eigenen Plänen fertig bauen lassen, berichtet Stephan Koja. Er habe als Erster die im 2. Stock gebaute Kunstgalerie für Besuche gegen Voranmeldung öffentlich zugänglich gemacht. Damit habe er sich mit dem Kaiser gemessen: Die Galerie der Liechtensteins sei eleganter und moderner gewesen als die der Habsburger.
Der gestalterische Wurf war das Gartenpalais im heutigen 9. Bezirk.
Diese Gegend sei nach 30-jährigem Krieg und Abwehr der Türkenbelagerung in weiten Teilen zerstört gewesen, schildert Stephan Koja. Johann Adam I. habe dies als Gelegenheit erkannt, „eine Vorstadt zu gründen“. Um die Wirtschaft anzukurbeln, habe er ein Brauhaus – mit Wasserleitungen aus dem Alserbach – gegründet, dessen dunkles Bier bis Budapest geliefert worden sei. Dank Parzellierungen und Steuervorteilen in Lichtenthal hätten sich viele Handwerker angesiedelt.
Für das Gartenpalais „hatte der Fürst unglaublichen Anspruch“, stellt Stephan Koja fest. Für das damals in Wien größte Palais sei die Sichtachse von der Einfahrt durch das Gebäude und den Garten über den neuen Stadtteil hinaus bis zum Kahlenberg gelegt worden. Und um
diese zu betonen, wurde der soeben aus Rom zurückgekehrte Johann Bernhard Fischer von Erlach engagiert. Als dieser für das Wiener Gartenpalais das – heute nicht mehr erhaltene – Belvedere geschaffen hatte, das in der Ausstellung in Gemälden von Bernardo Bellotto zu sehen ist, holte ihn Erzbischof Johann Ernst von Thun nach Salzburg.
Johann Adam I. von Liechtenstein hat Stephan Koja zufolge italienische Künstler und Architekten bevorzugt. „Die römische Architektur galt als die modernste.“Da ihm Fischer von Erlachs Entwürfe für das Gartenpalais zu wenig repräsentativ erschienen seien, habe er einen Wettbewerb ausgeschrieben und Domenico Egidio Rossi aus Bologna und später Domenico Martinelli aus Rom engagiert. Auch
Stuck, Skulpturen, Wand- und Deckengemälde schufen vor allem Italiener. „Er holte die künstlerische Avantgarde nach Wien“, was viele Österreicher beeinflusst habe – wie Daniel Gran, Franz Anton Maulbertsch oder Georg Raphael Donner.
Vor allem der Herkulessaal im Gartenpalais habe „Dimensionen, die man damals nicht kannte“, sagte Stephan Koja. „Das Obere Belvedere ist eine Antwort des Prinzen Eugen von Savoyen auf diesen Raum.“
Hier endet der Rundgang mit einer Auswahl aus jenen 32 Gemälden, die die größte Peter-Paul-Rubens-Sammlung in Privatbesitz bilden. Die Schau beginnt mit der Vorstellung des Politikers, dessen Porträtbild mit Bronzeabgüssen römischer Kaiser und Feldherren umrankt ist. Im zweiten Raum wird an seine Sammelleidenschaft erinnert. In der Bibliothek wird der Bauherr vorgestellt. Dass nahe dem Gartenpalais ab 1718 die – nach Meissen – zweite europäische Porzellanmanufaktur war, bezeugen die von den Liechtensteins reichlich dort erworbenen Terrinen, Teller oder Schokoladetässchen sowie der Name der benachbarten Hauptstraße des 9. Bezirks: Porzellangasse.
Johann Adam I. war schon tot, als die Manufaktur ihren Betrieb aufnahm. Vermutlich hätte sie ihn begeistert. Denn 1711, im letzten Lebensjahr, zahlte er für einen Hochtemperaturofen an, um in der Anlage des Gartenpalais alchemistische Experimente durchzuführen.
Ausstellung: „Herkules der Künste. Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein und das Wien um 1700“, Gartenpalais Liechtenstein, Wien,
16. Februar bis 1. April 2024, Eintritt frei.