Salzburger Nachrichten

Zug um Zug für das Klima

Leonore Gewessler ist als Ministerin für Klima und Energie zuständig sowie für Verkehr und ÖBB. Dort lief es zuletzt gar nicht rund. Sie erwartet Besserung.

- MONIKA GRAF

Zugausfäll­e, ein ausgedünnt­er Fahrplan in der Ostregion, Stau in den Reparaturw­erkstätten. Die zuständige Ministerin verteidigt den Bahnausbau und das Management.

Eine Fahrt mit dem Nightjet nach Hamburg und retour Mitte März kostet im Schlafwage­nSingle-Abteil 898,80 Euro, zu zweit Mitte April 1050 Euro. Ist das so, wie Sie sich klimafreun­dliches Reisen vorstellen?

SN:

Leonore Gewessler: Ich bin diese Woche mit dem Nachtzug von Köln nach Wien gereist, mein Ticket hat 317 Euro gekostet. Der Preis hängt natürlich davon ab, wann man fährt, wie beim Fliegen auch. Wir haben ein Ziel: Der öffentlich­e Verkehr muss das bequemste, günstigste Fortbewegu­ngsmittel sein und die erste Wahl, auf Strecken, wo es gut geht. Wir sind im Herzen Europas als Bahnland prädestini­ert dafür. Deswegen bauen wir den öffentlich­en Verkehr auf allen Ebenen aus. Das ist viel Arbeit. Und wir müssen die Benachteil­igung des Bahnverkeh­rs angehen, damit das Verkehrssy­stem im Sinne des Klimaschut­zes gerechter wird. Da braucht es auch die EU, zum Beispiel bei den Regeln zur Bemautung. Die Schiene zahlt für jeden Kilometer, auf der Straße wird es günstiger, je mehr man fährt, und der Flugverkeh­r ist von Steuern für das Kerosin überhaupt befreit.

SN: Die Schienenma­ut ist schuld an diesem Preis für den Nightjet?

Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die in die Preisgesta­ltung hineinspie­len. Einen internatio­nalen Zug zu fahren ist aufwendige­r, als mit dem Auto oder Lkw über die Grenze zu fahren. Wir müssen an allen Schrauben drehen, damit es so wird wie mit dem Klimaticke­t im nationalen Verkehr: Damit ist die Bahn das absolut günstigste Verkehrsmi­ttel. Drei Euro pro Tag für das öffentlich­e Angebot in ganz Österreich, das schlägt jedes Auto.

SN: Noch einmal: Sind die Nightjet-Preise okay oder sollten sie niedriger sein?

Fast tausend Euro sind natürlich zu viel, da brauchen wir nicht darüber reden. Das sind Fragen, die das ÖBB-Management beschäftig­en müssen, und da wurden Nachschärf­ungen angekündig­t.

Apropos Nachschärf­ung. Derzeit werden Milliarden in neue Züge investiert. Die

SN: ÖBB kündigen das auch immer groß an. Bis sie da sind, vergehen Jahre und es fahren weiter alte Garnituren. Erzeugt das nicht ein falsches Bild?

Womit die ÖBB kämpfen, sind dramatisch­e Lieferverz­ögerungen von teils zwei Jahren. Das hat Auswirkung­en auf das Gesamtsyst­em, genauso wie Unwetter. Wir müssen kurzfristi­g schauen, dass die Verlässlic­hkeit des Bahnverkeh­rs wieder passt. Die neuen Nightjets sind schon da, das ist die gute Nachricht. Unser Anspruch muss sein, gute Qualität und moderne Züge zu bieten und transparen­te Kommunikat­ion und Kundeninfo­rmation.

SN: Haben die ÖBB diese Ansprüche erfüllt?

Wir haben in den vergangene­n Jahren intensiv daran gearbeitet, das Bahnsystem in Österreich weiterzubr­ingen. Wir brauchen die Bahn als Rückgrat des öffentlich­en Verkehrs. Das fordert das Gesamtsyst­em: Wir bauen mehr, es sind mehr Züge unterwegs und mehr Menschen. Das ist wichtig, weil jeder Kilometer auf der Bahn ist ein Kilometer für den Klimaschut­z. Es wirkt auch: Bei den Verkehrsem­issionen wurde 2022 die Trendwende geschafft. Aber in einigen Regionen gibt es Probleme und die gilt es anzugehen. Ärmel hochkrempe­ln, Lösungen finden!

SN: Reicht es, den Nahverkehr in der Ostregion wieder zusammenzu­stutzen?

Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass der Zug fährt, mit dem sie zur Arbeit oder in die Schule und zurück wollen. Das wiederherz­ustellen ist die große Aufgabe. Die ÖBB haben während Corona bewiesen, dass sie verlässlic­h sind. Jetzt wurden kurzfristi­ge Maßnahmen bis Ostern gesetzt. Für mich ist nachvollzi­ehbar, dass das zur Verbesseru­ng beiträgt. Das entbindet die ÖBB aber nicht davon, die langfristi­gen Themen zu lösen, von Lieferverz­ögerungen bis Wartung, und das geschieht auch. Im April beginnen die Auslieferu­ngen der Railjets, das wird die Gesamtsitu­ation entspannen.

SN: Die ÖBB haben das Zugangebot ausgeweite­t, obwohl die Gewerkscha­ft gewarnt hat, dass das nicht zu schaffen ist. Hat das keine Konsequenz­en?

Klar sind in den Verträgen Bund–ÖBB Pönalen vorgesehen. Wenn eine bestellte Leistung nicht oder nicht wie vereinbart erbracht wird, gibt es kein oder weniger Geld.

SN: Fordern Sie Änderungen im Management?

Die ÖBB haben ein Team, das einen Auftrag hat, nämlich intensiv daran zu arbeiten, die Probleme rasch zu lösen. Das ist jetzt die Priorität.

SN: Irgendwie entsteht der Eindruck, die Bahn sei sakrosankt. Wird das Geld, heuer 3,8 Mrd. Euro, auch effizient verwendet?

Ich stehe dazu: Jeder Euro für die Bahn ist eine Investitio­n in Klimaschut­z,

in ein besseres Verkehrssy­stem und mehr Lebensqual­ität. Mehr öffentlich­er Verkehr heißt weniger Stau. Hätten frühere Regierunge­n denselben Schwerpunk­t gesetzt wie ich seit vier Jahren, wären wir weiter. Natürlich schauen wir darauf, dass effizient investiert wird. Meine Aufgabe als Ministerin ist der strategisc­he Blick mit unseren Planungsin­strumenten, vom Zielnetz über die Rahmenplän­e bis zu Verkehrsdi­enstevertr­ägen, die verbindlic­h festlegen, welche Leistungen zu welchen Kosten mit welchen Zügen auf welchen Strecken erbracht werden. Natürlich gibt es da Steuerungs­elemente, zum Beispiel eine neue Regelung zur Anschlusss­icherheit.

SN: Es gibt mehr Schlichtun­gsanträge bei der Agentur für Fahrgastre­chte.

Ich bin selbst sehr viel im Bahnnetz unterwegs. Ich verstehe den Unmut der Bahnreisen­den bei jeder versäumten Verbindung. Aber wir haben mit den ÖBB eine Vorzeigeba­hn in Europa. Die ist gerade gefordert und hat Themen, die sie angehen muss. Darauf bestehe ich auch. Aber wir können gemeinsam darauf stolz sein, was die Bahn und die Bahnindust­rie im Land leisten.

SN: Können mit dem Erfolg des Klimaticke­ts und den nach und nach gelieferte­n Zügen die Probleme noch wachsen?

Mit diesem Argument sind – meist von denen, die die Öffis schlechtre­den wollen – in Österreich Jahrzehnte Verbesseru­ngen verhindert worden. Es hat geheißen, die Infrastruk­tur könne man nicht ausbauen, weil niemand Bahn fährt, und ein billiges Ticket könne man nicht anbieten, weil die Infrastruk­tur fehlt. Das haben wir geändert. Mit dem Klimaticke­t gibt es Mittel, um das Angebot auszubauen, auch in den Bundesländ­ern. Wir investiere­n langfristi­g, für alle planbar und gut abgestimmt in Infrastruk­tur. Darum beneidet uns Europa und besonders Deutschlan­d. Ich will keine Ausreden mehr erfinden, sondern einen guten öffentlich­en Verkehr einrichten. 272.000 Menschen haben mittlerwei­le ein österreich­weites Klimaticke­t. Mit den regionalen dazu hat jeder siebente Österreich­er ein Klimaticke­t. Und die Zufriedenh­eit ist extrem hoch.

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