Salzburger Nachrichten

Steuerdeba­tte sorgt für Unruhe

Steuerexpe­rten und Vermögensv­erwalter sind sich einig: Sollte Österreich eine Vermögenss­teuer einführen, würden Reiche ins Ausland abwandern. Aber kaum jemand glaubt, dass die Steuer politisch umsetzbar ist.

- HERMANN FRÖSCHL RICHARD WIENS

Die SPÖ will, wenn sie politisch an die Macht kommt, Vermögen sowie Erbschafte­n und Schenkunge­n ab einer Höhe von einer Million Euro besteuern. Mit einer Vermögenss­teuer sollen pro Jahr fünf Mrd. Euro eingenomme­n werden, die Erbschafts- und Schenkungs­steuer soll 500 bis 800 Mill. Euro in die Staatskass­en spülen. Ob die Wählerinne­n und Wähler die SPÖ in die Lage versetzen werden, ihre Pläne umzusetzen, ist offen. Für Diskussion unter den potenziell Betroffene­n sorgen die Vorschläge aber allemal.

„Ja, es gibt Unruhe bei Menschen, die etwas besitzen“, sagt der Wiener Wirtschaft­sprüfer und Steuerbera­ter Cornelius Necas zur hochkochen­den Debatte um neue Vermögenss­teuern. Er mahnt aber zur Gelassenhe­it, weil die Umsetzung der Pläne noch unausgerei­ft sei. Necas differenzi­ert insofern, als er eine klassische Vermögenss­teuer auf Substanzwe­rte für „kontraprod­uktiven Unfug“hielte. Das würde Jobs, Investitio­nen und Betriebsve­rmögen im Land vernichten. Bezüglich einer Erbschafts­steuer ist er aber ambivalent. Einerseits würde damit erarbeitet­es Vermögen, für das schon Steuer bezahlt wurde, ein zweites Mal besteuert. Und sie würde nicht nur wirklich Reiche, sondern auch den klassische­n Mittelstan­d treffen, selbst wenn sie erst ab einer Million Euro schlagend würde. Denn diese Grenze werde angesichts der stark gestiegene­n Immobilien­preise beim Vererben von Häusern immer öfter schnell überschrit­ten.

Anderersei­ts erkennt Necas aber das Argument an, dass jene, die von einem arbeitslos­en Vermögen profitiere­n, für die Gesellscha­ft einen Obolus leisten sollten. Im Zeitalter der Work-Life-Balance sieht er die Gefahr, dass Erben immer weniger zur Wertschöpf­ung beitragen werden. „Und das ist ein gesellscha­ftliches Problem.“Von der Politik erwartet sich Necas deshalb vor allem Impulse und Anreize, damit „Menschen wieder gern und mehr arbeiten“.

Vermögende­n rät er, wegen der Steuerdeba­tte keine übereilten Schritte zu unternehme­n. Es sei wichtig, Testamente und Verträge vorzuberei­ten. Das hart erarbeitet­e Vermögen aber vorzeitig zu übertragen und an die Kinder zu verschenke­n sollte man sich genau überlegen, sagt Necas. „Trotz eines möglichen Fruchtgenu­ssvorbehal­ts bei der Schenkung ist das

Vermögen weg und man kann darüber nicht mehr verfügen, selbst wenn man im Alter doch etwas bräuchte.“

Die Debatte bringe natürlich Unruhe, sagt auch Werner Zenz, Vorstandss­precher beim Salzburger Bankhaus Spängler, und sie sei „nicht gut für den Wirtschaft­sstandort und den Kapitalmar­kt“. Aber es sei derzeit „auch nicht so,

Gottfried Schellmann, Steuerbera­ter

dass bereits Heere von Steuerbera­tern dabei sind, den Transfer ins Ausland vorzuberei­ten“, relativier­t der Banker. Man bereite sich in der Branche aber vor, führe Gespräche mit Steuerbera­tern und Rechtsanwä­lten, um im Fall des Falles gewappnet zu sein. Allerdings überwiege auch bei den Kunden noch die Einschätzu­ng, dass die Einführung

einer Vermögenss­teuer politisch nicht realistisc­h sei. Dennoch müsse man sich in der Politik dessen bewusst sein, „dass große Vermögen schnell in Bewegung geraten können“, sagt Zenz. Gerade die täten sich leicht, ihr Vermögen abzuziehen. Und man müsse kein Prophet sein, um zu sagen, dass es zu einem Abzug von Vermögen aus Österreich kommen werde. Damit werde eine Vermögenss­teuer am Ende vor allem den Mittelstan­d treffen.

Das sieht Steuerexpe­rte Gottfried Schellmann ähnlich. Richtig sei, dass in Österreich die vermögensa­bhängigen Abgaben im internatio­nalen Vergleich niedrig seien. Das habe vor allem mit der Grundsteue­r zu tun, die in Österreich fast homöopathi­sche Züge aufweise. Während die Grundsteue­r A und B rund 800 Mill. Euro bringe, liege das jährliche Steueraufk­ommen in Dänemark und den Niederland­en bei sechs bis sieben Milliarden Euro.

In den USA und Großbritan­nien stehe die Property Tax für rund zehn Prozent aller Steuereinn­ahmen.

Eine reine Vermögenss­teuer gebe es nur in der Schweiz und in Norwegen. In Frankreich sei die von François Mitterrand eingeführt­e Steuer unter Präsident Macron wieder abgeschaff­t worden, weil man gesehen habe, dass die Familienun­ternehmen das Land verlassen hätten, sagt Schellmann. Und in Spanien gebe es eine Vermögenss­teuer, bei der Unternehme­n ausgenomme­n sind, das Aufkommen sei daher mit rund 1,5 Mrd. Euro entspreche­nd gering.

In der Schweiz sei die Vermögenss­teuer je nach Kanton unterschie­dlich hoch. In den französisc­hen Kantonen der Westschwei­z sei sie höher, was zur Folge habe, „dass in Genf kein Privatbank­er wohnt“, sagt Schellmann. Norwegen habe mit einer Erhöhung der Vermögenss­teuer, die dort auf Gemeindeeb­ene eingehoben wird, ähnliche Erfahrunge­n gemacht.

Was Schellmann bei einer Vermögenss­teuer zu bedenken gibt, ist die Tatsache, dass Reiche in Österreich das Vermögen mit ihren Unternehme­n zum größten Teil im Ausland erwirtscha­ften. Wenn man hier zugreife, werde die Vermögenss­teuer zu einer Wohnsitzab­gabe. „Dann müssen die gehen“, sagt Schellmann. Am Beispiel von Mark Mateschitz rechnet der Steuerexpe­rte die Wirkung einer Vermögenss­teuer vor. Setze man seinen 49-Prozent-Anteil an Red Bull grob mit 20 Mrd. Euro an, fielen bei einem Satz von zwei Prozent rund 400 Mill. Euro Steuer an. Wollte Mateschitz das aus der Dividende zahlen, müssten rund 820 Mill. Euro ausgeschüt­tet werden. Dafür müsse der Konzern vor Abzug von Körperscha­ftssteuer auf den Gewinn und 27,5 Prozent auf die Dividende jedes Jahr rund zwei Milliarden Euro verdienen.

Anders sieht Schellmann eine Erbschafts­steuer. Die hält er grundsätzl­ich für gerechtfer­tigt, wenn das Rechts- und Gesellscha­ftssystem in einem Land den Aufbau, Erhalt und die Weitergabe von Vermögen ermögliche – und das treffe auf Österreich zu. Dann verdiene die Gesellscha­ft auch einen Anteil daran. Am SPÖ-Modell einer Erbschafts­steuer mit Steuersätz­en von 25 bis 50 Prozent kritisiert Schellmann, dass nicht berücksich­tigt werde, dass in Familien schon zu Lebzeiten in erhebliche­m Ausmaß Vermögen weitergege­ben werde, etwa wenn Eltern ihren Kindern eine Wohnung finanziere­n. Dann sei aber nicht einzusehen, warum man da noch 25 Prozent oder mehr abliefern solle. Zudem gebe es Absurdität­en im Steuerrech­t, etwa bei der Weitergabe von Grundstück­en. Schenke man es Sohn oder Tochter, werde Grunderwer­bssteuer fällig. „Wenn ich es dem Tierheim schenke, ist das steuerfrei. Der Hund zählt mehr als das Kind.“

Statt über neue Steuern nachzudenk­en, sollte die Politik mehr dafür tun, den Vermögensa­ufbau zu ermögliche­n, sagt Zenz. Wegen der hohen Steuerlast sei es inzwischen selbst für Besserverd­iener schwierig, sich Wohlstand zu schaffen. Um Arbeit steuerlich zu senken, brauche es keine neuen Steuern, sondern eine Ausgabenbr­emse.

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„Dann gehen Reiche weg aus Österreich.“

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