Steuerdebatte sorgt für Unruhe
Steuerexperten und Vermögensverwalter sind sich einig: Sollte Österreich eine Vermögenssteuer einführen, würden Reiche ins Ausland abwandern. Aber kaum jemand glaubt, dass die Steuer politisch umsetzbar ist.
Die SPÖ will, wenn sie politisch an die Macht kommt, Vermögen sowie Erbschaften und Schenkungen ab einer Höhe von einer Million Euro besteuern. Mit einer Vermögenssteuer sollen pro Jahr fünf Mrd. Euro eingenommen werden, die Erbschafts- und Schenkungssteuer soll 500 bis 800 Mill. Euro in die Staatskassen spülen. Ob die Wählerinnen und Wähler die SPÖ in die Lage versetzen werden, ihre Pläne umzusetzen, ist offen. Für Diskussion unter den potenziell Betroffenen sorgen die Vorschläge aber allemal.
„Ja, es gibt Unruhe bei Menschen, die etwas besitzen“, sagt der Wiener Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Cornelius Necas zur hochkochenden Debatte um neue Vermögenssteuern. Er mahnt aber zur Gelassenheit, weil die Umsetzung der Pläne noch unausgereift sei. Necas differenziert insofern, als er eine klassische Vermögenssteuer auf Substanzwerte für „kontraproduktiven Unfug“hielte. Das würde Jobs, Investitionen und Betriebsvermögen im Land vernichten. Bezüglich einer Erbschaftssteuer ist er aber ambivalent. Einerseits würde damit erarbeitetes Vermögen, für das schon Steuer bezahlt wurde, ein zweites Mal besteuert. Und sie würde nicht nur wirklich Reiche, sondern auch den klassischen Mittelstand treffen, selbst wenn sie erst ab einer Million Euro schlagend würde. Denn diese Grenze werde angesichts der stark gestiegenen Immobilienpreise beim Vererben von Häusern immer öfter schnell überschritten.
Andererseits erkennt Necas aber das Argument an, dass jene, die von einem arbeitslosen Vermögen profitieren, für die Gesellschaft einen Obolus leisten sollten. Im Zeitalter der Work-Life-Balance sieht er die Gefahr, dass Erben immer weniger zur Wertschöpfung beitragen werden. „Und das ist ein gesellschaftliches Problem.“Von der Politik erwartet sich Necas deshalb vor allem Impulse und Anreize, damit „Menschen wieder gern und mehr arbeiten“.
Vermögenden rät er, wegen der Steuerdebatte keine übereilten Schritte zu unternehmen. Es sei wichtig, Testamente und Verträge vorzubereiten. Das hart erarbeitete Vermögen aber vorzeitig zu übertragen und an die Kinder zu verschenken sollte man sich genau überlegen, sagt Necas. „Trotz eines möglichen Fruchtgenussvorbehalts bei der Schenkung ist das
Vermögen weg und man kann darüber nicht mehr verfügen, selbst wenn man im Alter doch etwas bräuchte.“
Die Debatte bringe natürlich Unruhe, sagt auch Werner Zenz, Vorstandssprecher beim Salzburger Bankhaus Spängler, und sie sei „nicht gut für den Wirtschaftsstandort und den Kapitalmarkt“. Aber es sei derzeit „auch nicht so,
Gottfried Schellmann, Steuerberater
dass bereits Heere von Steuerberatern dabei sind, den Transfer ins Ausland vorzubereiten“, relativiert der Banker. Man bereite sich in der Branche aber vor, führe Gespräche mit Steuerberatern und Rechtsanwälten, um im Fall des Falles gewappnet zu sein. Allerdings überwiege auch bei den Kunden noch die Einschätzung, dass die Einführung
einer Vermögenssteuer politisch nicht realistisch sei. Dennoch müsse man sich in der Politik dessen bewusst sein, „dass große Vermögen schnell in Bewegung geraten können“, sagt Zenz. Gerade die täten sich leicht, ihr Vermögen abzuziehen. Und man müsse kein Prophet sein, um zu sagen, dass es zu einem Abzug von Vermögen aus Österreich kommen werde. Damit werde eine Vermögenssteuer am Ende vor allem den Mittelstand treffen.
Das sieht Steuerexperte Gottfried Schellmann ähnlich. Richtig sei, dass in Österreich die vermögensabhängigen Abgaben im internationalen Vergleich niedrig seien. Das habe vor allem mit der Grundsteuer zu tun, die in Österreich fast homöopathische Züge aufweise. Während die Grundsteuer A und B rund 800 Mill. Euro bringe, liege das jährliche Steueraufkommen in Dänemark und den Niederlanden bei sechs bis sieben Milliarden Euro.
In den USA und Großbritannien stehe die Property Tax für rund zehn Prozent aller Steuereinnahmen.
Eine reine Vermögenssteuer gebe es nur in der Schweiz und in Norwegen. In Frankreich sei die von François Mitterrand eingeführte Steuer unter Präsident Macron wieder abgeschafft worden, weil man gesehen habe, dass die Familienunternehmen das Land verlassen hätten, sagt Schellmann. Und in Spanien gebe es eine Vermögenssteuer, bei der Unternehmen ausgenommen sind, das Aufkommen sei daher mit rund 1,5 Mrd. Euro entsprechend gering.
In der Schweiz sei die Vermögenssteuer je nach Kanton unterschiedlich hoch. In den französischen Kantonen der Westschweiz sei sie höher, was zur Folge habe, „dass in Genf kein Privatbanker wohnt“, sagt Schellmann. Norwegen habe mit einer Erhöhung der Vermögenssteuer, die dort auf Gemeindeebene eingehoben wird, ähnliche Erfahrungen gemacht.
Was Schellmann bei einer Vermögenssteuer zu bedenken gibt, ist die Tatsache, dass Reiche in Österreich das Vermögen mit ihren Unternehmen zum größten Teil im Ausland erwirtschaften. Wenn man hier zugreife, werde die Vermögenssteuer zu einer Wohnsitzabgabe. „Dann müssen die gehen“, sagt Schellmann. Am Beispiel von Mark Mateschitz rechnet der Steuerexperte die Wirkung einer Vermögenssteuer vor. Setze man seinen 49-Prozent-Anteil an Red Bull grob mit 20 Mrd. Euro an, fielen bei einem Satz von zwei Prozent rund 400 Mill. Euro Steuer an. Wollte Mateschitz das aus der Dividende zahlen, müssten rund 820 Mill. Euro ausgeschüttet werden. Dafür müsse der Konzern vor Abzug von Körperschaftssteuer auf den Gewinn und 27,5 Prozent auf die Dividende jedes Jahr rund zwei Milliarden Euro verdienen.
Anders sieht Schellmann eine Erbschaftssteuer. Die hält er grundsätzlich für gerechtfertigt, wenn das Rechts- und Gesellschaftssystem in einem Land den Aufbau, Erhalt und die Weitergabe von Vermögen ermögliche – und das treffe auf Österreich zu. Dann verdiene die Gesellschaft auch einen Anteil daran. Am SPÖ-Modell einer Erbschaftssteuer mit Steuersätzen von 25 bis 50 Prozent kritisiert Schellmann, dass nicht berücksichtigt werde, dass in Familien schon zu Lebzeiten in erheblichem Ausmaß Vermögen weitergegeben werde, etwa wenn Eltern ihren Kindern eine Wohnung finanzieren. Dann sei aber nicht einzusehen, warum man da noch 25 Prozent oder mehr abliefern solle. Zudem gebe es Absurditäten im Steuerrecht, etwa bei der Weitergabe von Grundstücken. Schenke man es Sohn oder Tochter, werde Grunderwerbssteuer fällig. „Wenn ich es dem Tierheim schenke, ist das steuerfrei. Der Hund zählt mehr als das Kind.“
Statt über neue Steuern nachzudenken, sollte die Politik mehr dafür tun, den Vermögensaufbau zu ermöglichen, sagt Zenz. Wegen der hohen Steuerlast sei es inzwischen selbst für Besserverdiener schwierig, sich Wohlstand zu schaffen. Um Arbeit steuerlich zu senken, brauche es keine neuen Steuern, sondern eine Ausgabenbremse.