Vorerst bleibt der Stier im deutschen Stall
Die Ukraine bittet in Berlin um den Marschflugkörper Taurus – und bekommt ihn nicht. Ein innenpolitischer Eiertanz.
Der Bundeskanzler ist nicht da. Das ist nicht ungewöhnlich, Olaf Scholz ist ja nicht nur Parlamentarier, sondern auch Regierungschef. Als solcher hat er qua Verfassung die sogenannte Richtlinienkompetenz; und qua Praxis in Fällen wie dem, der an diesem Donnerstag im Bundestag verhandelt wird, die abschließende Entscheidung. Es geht darum, ob Deutschland der von Russland überfallenen Ukraine zu Beginn des dritten Kriegsjahres eine neue Waffe liefern wird. Ihr Name lautet „Taurus“, das lateinische Wort für Stier; ihr Können besteht darin, eine Sprengladung in ein zuvor programmiertes Ziel zu fliegen, über bis zu 500 Kilometer hinweg. Militärtechnisch fällt der Taurus in die Kategorie Marschflugkörper. Militärpraktisch könnte im konkreten Fall der russische Nachschub empfindlich gestört werden.
Schon vor Monaten hat die Ukraine Deutschland um Taurus gebeten – und seitdem immer wieder; Scholz, der Sozialdemokrat, hat bisher weder Nein noch Ja gesagt. Öffentlich hat der Bundeskanzler
nichts über seine Bedenken gesagt. Man weiß aber, dass es um die hohe Reichweite geht, die den Taurus theoretisch auch Ziele im tiefen Russland erreichen ließe.
Am Ende forderte der Bundestag am Donnerstag die Regierung zwar mit den Stimmen der Ampelkoalition auf, der Ukraine zusätzliche „weitreichende Waffensysteme“zu liefern. Offen blieb aber, ob damit die Marschflugkörper Taurus gemeint sind. Grüne und FDP verstehen den von der Koalition beschlossenen Antrag zum Ukraine-Krieg überwiegend so, die SPD dagegen „nicht zwingend“. Scholz hatte bereits am Mittwoch über seinen Regierungssprecher Steffen Hebestreit ausrichten lassen, dass er derzeit weiterhin nicht beabsichtigt, die Marschflugkörper zu liefern.