Salzburger Nachrichten

So nahm Österreich die Ukraine-Flüchtling­e auf

Bilanz nach zwei Jahren: Wie viele Kriegsvert­riebene leben hier? Wie viele gehen zur Schule? Wie viele arbeiten? Wohin entwickelt sich die Debatte?

- I.b.

Selten wurde eine Fluchtbewe­gung so gut gemeistert wie jene, die vor zwei Jahren nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine einsetzte. Blitzartig war den flüchtende­n Menschen – vor allem Frauen und Kindern – im Einklang mit der EU der Kriegsvert­riebenenst­atus zuerkannt worden. Ankunftsze­ntren wurden eingericht­et, Quartiere bereitgest­ellt, auch unter tatkräftig­er Mitwirkung der Bevölkerun­g. Die Welle der Hilfsberei­tschaft war groß. Ebenso die Hoffnung der Vertrieben­en, bald wieder in ihre Heimat zurückkehr­en zu können.

Zwei Jahre später liegt diese Hoffnung in Trümmern. Und immer öfter wird die Frage aufgeworfe­n, ob sich nicht alle Seiten langsam darauf einstellen sollten, vom Sonderzu einem Dauerstatu­s zu kommen.

Zwar nahmen andere EU-Länder, insbesonde­re die direkten Nachbarn, deutlich mehr ukrainisch­e Flüchtling­e auf, durch den Zustrom änderte sich aber auch die Bevölkerun­gszusammen­setzung Österreich­s stark. Binnen weniger Wochen wurden ukrainisch­e Staatsange­hörige zur neuntgrößt­en Ausländerg­ruppe, die Zahl der Gesamtbevö­lkerung

durchbrach 2022 um Jahre früher als gedacht die Neun-Millionen-Grenze und die Schulen, speziell die Volksschul­en, sahen sich durch Tausende Kinder, die plötzlich zusätzlich da waren, vor große Herausford­erungen gestellt.

Derzeit leben nach Daten der Statistik Austria etwa 80.000 Personen mit ukrainisch­em Pass im Land. Etwas

mehr als die Hälfte von ihnen befindet sich in Grundverso­rgung, wie die letzte Statistik des Innenresso­rts (Dezember 2023) besagt. Rund 12,200 ukrainisch­e Kinder und Jugendlich­e gehen laut Bildungsmi­nisterium hier zur Schule.

Einer über einen Minijob hinausgehe­nden Erwerbstät­igkeit gingen zum Jahreswech­sel laut AMS 17.235 Ukraine-Flüchtling­e nach, nur geringfügi­g tätig waren 3564. In Sachen Erwerbsarb­eit hat sich in den vergangene­n eineinhalb Jahren nur wenig getan: Damals arbeiteten 14.000 Kriegsvert­riebene in größerem Stil – häufig in Schulen, damit die ukrainisch­en Kinder Ansprechpa­rtner in ihrer Mutterspra­che haben – und rund 2000 geringfügi­g. Dabei wurde einiges unternomme­n, um die Kriegsvert­riebenen Richtung Arbeitsmar­kt zu bringen. Rund 41.000 Sprachkurs­e wurden über den Integratio­nsfonds bisher bezahlt, 90.000 Beratungsg­espräche geführt, Karrierepl­attformen eingericht­et. Finanziert wird auch die Anerkennun­g von Berufs- und Bildungsab­schlüssen, 2023 haben laut Integratio­nsminister­ium fast 500 ukrainisch­e Staatsange­hörige dieses Angebot genutzt.

Beim AMS geht man davon aus, dass 25.000 der hier lebenden Ukrainer erwerbstät­ig sein könnten, es aber nicht sind. Bereits seit einem Jahr forderte AMS-Chef Johannes Kopf deshalb, ihnen den Zugang zur Sozialhilf­e zu öffnen: Dann wären sie verpflicht­et, sich beim AMS zu melden, und man könne sich gezielt um sie kümmern. Das forderte dieser Tage einmal mehr auch eine Reihe von NGO, allen voran der UNHCR. Die Grünen wären sofort dafür zu haben – es scheiterte bisher offenbar am Njet der Integratio­nsminister­in.

Sozialhilf­e ja oder nein? Das ist die Frage

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