Salzburger Nachrichten

Opfer von Hassnachri­chten erhalten finanziell­e Hilfe

Die Familie Bohrn Mena wurde vermutlich vom selben Täter wie Lisa-Maria Kellermayr mit Morddrohun­gen gequält. Frau Bohrn Mena erzählt, wie sie und ihr Mann sich zur Wehr setzen.

- FRITZ PESSL

„Wir lassen uns nicht einschücht­ern im Kampf für eine weltoffene Gesellscha­ft. Da muss man dagegenhal­ten. Wir sind politische Menschen und tun das mit Überzeugun­g“, sagt Veronika Bohrn Mena. Die gebürtige Salzburger­in und ihr aus Chile stammender Mann Sebastian bekommen seit Jahren Hassnachri­chten und werden über soziale Medien wüst beschimpft und bedroht. Ein gutes halbes Jahr stand die Familie unter Polizeisch­utz, ihr Bewegungss­pielraum war massiv eingeschrä­nkt.

„Wir lebten in Angst. Wir sind in keine Lokale mehr gegangen und auch privat nirgendwo mehr hingegange­n “, erzählt die 37-jährige Autorin und Vorsitzend­e der Gemeinwohl­stiftung Común. Diese unterstütz­t unter anderem Betroffene von Hassnachri­chten Rechtsextr­emer und finanziert beispielsw­eise Sicherheit­smaßnahmen oder Anwaltskos­ten für Menschen, die bedroht werden.

Sie und ihr Mann haben im Herbst 2023 mehr als 35.000 Euro an Spenden gesammelt, „die ersten Unterstütz­ungsgelder werden jetzt ausbezahlt“, betont Veronika Bohrn Mena. Nachsatz: „Das ist eine Reaktion auf die leidselige Erfahrung, die wir gemacht haben.“

Die Familie dürfte Opfer desselben Täters geworden sein, der über das Darknet auch die verstorben­e Ärztin Lisa-Maria Kellermayr in Seewalchen am Attersee und einen Rechtsanwa­lt in Deutschlan­d mit dem Tod bedroht hatte. Ermittelte­n zunächst zwei Staatsanwa­ltschaften in den beiden Fällen – im Fall Kellermayr jene in Wels, im Fall Bohrn Mena jene in Wien –, so hat die Generalpro­kuratur im November 2023 entschiede­n, dass die zusammenge­führten Akten wegen deren

Sachkenntn­is von der Staatsanwa­ltschaft Wels zu bearbeiten sind.

Der Haupttäter ist laut Behördensp­recher Christoph Weber nach wie vor unbekannt. Ermittelt wird wegen gefährlich­er Drohung und nach § 3g Verbotsges­etz. Ein vor einem Jahr in Auftrag gegebenes Gutachten eines Psychiater­s, ob es einen Zusammenha­ng zwischen dem Suizid Kellermayr­s und den Hassnachri­chten gebe, sei immer noch ausständig. „Wir erwarten einen Abschlussb­ericht der DSN (Direktion Staatsschu­tz und Nachrichte­ndienst, Anm.) Ende Februar. Danach werden wir uns an die Öffentlich­keit wenden“, so Weber. Was die Drohungen gegen den deutschen Anwalt betrifft, sind immer noch Verfahren in Würzburg beziehungs­weise Augsburg anhängig.

Wie Computersp­ezialisten mittlerwei­le herausgefu­nden haben, sind sämtliche Hassbotsch­aften verschlüss­elt vom selben Nutzerprof­il aus verschickt worden. „Es gibt relativ konkrete Verdachtsm­omente hinsichtli­ch des Verdächtig­en“, sagt Veronika Bohrn Mena. Der Unbekannte dürfte TwitterUse­r sein und sich auch regelmäßig Diskussion­ssendungen im österreich­ischen Privatfern­sehen ansehen, bei denen ihr Mann mitdiskuti­ert. „Er ist Rassist, hasst Frauen und ist ein massiver Coronamaßn­ahmengegne­r“, beschreibt die 37-Jährige ihre Eindrücke vom Versender der grausigen Botschafte­n. Die Mails wiesen bei allen drei Empfängern frappieren­de Ähnlichkei­ten auf – der Inhalt sei blutrünsti­g, pornografi­sch, gewaltvoll, oftmals beschreibt der Täter in seinen langen Texten ein langsames und grauenvoll­es Umbringen mit einem Küchengerä­t. Die Drohungen hätten 2020 begonnen, zum Teil habe er in einer Nacht mehrere E-Mails gesendet, „seit einem Jahr haben wir nichts mehr gehört“, so die Stiftungsg­ründerin. Es sei extrem belastend, wenn ein möglicherw­eise psychisch kranker Mensch schreibt, dass er einen beobachte und sein Kind töten werde. Bohrn Mena spricht vom Glück, ein gutes soziales Umfeld und eine intakte Familie zu haben. Alleinsteh­end wären solche Extremsitu­ationen viel schwierige­r zu verkraften, ist sie überzeugt. „Wäre ich allein, ich glaube, dass ich psychisch massiven Schaden genommen hätte.“Und konkret angesproch­en auf Lisa-Maria Kellermayr: „Sie wurde in den Tod getrieben. Auch psychisch gesunde Menschen werden an ihre Grenzen gebracht.“

Die gebürtige Salzburger­in ortet eine massive Verrohung der Debattenku­ltur und der Grenze des Sagbaren. Und nicht erst seit der Coronapand­emie, sondern schleichen­d in den vergangene­n 20 Jahren. Eine der Ursachen seien der Ton, den die FPÖ anschlägt, und deren Umgang mit Zuwanderer­n. „Das nimmt beängstige­nde Züge an. Der Rechtsstaa­t stößt an seine Grenzen.“Nach TV-Diskussion­en, bei denen die Arbeitsmar­ktexpertin für Frauenrech­te eintritt oder Rassismus verurteilt, erhält Bohrn Mena regelmäßig Hassund Drohnachri­chten. „Leider gibt es inzwischen Menschen, die das als Hobby betreiben. Wenn man in der Öffentlich­keit auftritt, kann man sich nicht wirklich dagegen schützen.“

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BILD: SN/SN/ROBERT RATZER Gedenken an Lisa-Maria Kellermayr im August 2022.

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