Die Bären in Berlin wirken etwas müde
Resümee mit österreichischem Sieger: Preis für Kameramann Martin Gschlacht war eine der wenigen positiven Überraschungen in Berlin.
„Und der Silberne Bär für eine herausragende künstlerische Leistung geht an Martin Gchrch… Ghu…, uh, …schlacht!“BerlinaleJurypräsidentin Lupita Nyong’o tat sich entzückend schwer mit der Aussprache, als sie dem österreichischen Kameramann Martin Gschlacht seinen Preis übergab. Die Juryentscheidung war umso einfacher: Gschlachts poetische Bilder machen Veronika Franz’ und Severin Fialas Gothic-Gruselmär „Des Teufels Bad“zu etwas Besonderem. „Ehrfürchtig überrascht und dankbar habe ich von dieser Auszeichnung bei der Berlinale erfahren“, sagt der Preisträger, der mit seiner Arbeit viele österreichische Filme prägte. So war er bei Jessica Hausners Film „Club Zero“(auch als Produzent), bei „Ich seh Ich seh“und bei „Die Wand“von Julian Pölsler oder „Atem“von Karl Markovics für die Kamera verantwortlich. Auch bei zahlreichen TV-Sendungen wie „Tatort“oder „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“war er an der Kamera.
Der Goldene Bär in Berlin war dann eine logische Wahl. Auch heuer wurde, genau wie im Vorjahr, ein Dokumentarfilm als bester Film des Wettbewerbs gekürt, „Dahomey“von Mati Diop („Atlantique“). Die senegalesisch-französische Regisseurin berichtet von der Restitution geraubter Kunstschätze aus dem historischen afrikanischen Königreich Dahomey im Staatsgebiet des heutigen Benin, die in einem Pariser Museum gelagert waren. Eine kleine „große Geste“: Von den dort vorhandenen etwa 7000 Werken wurden bisher 26 zurückgegeben.
„Ich weiß nicht, was Sie an diesem Film so toll gefunden haben, ich bin wirklich neugierig“, kommentierte der koreanische Regisseur Hong Sang-soo den Großen Preis der Jury für seinen Film „A Traveler’s Needs“, und dieselbe Frage stellte sich in Berlin auch die internationale Filmkritik. Hongs dritte Zusammenarbeit mit Isabelle Huppert weiß zwar durchaus zu verzaubern, bleibt aber im Rahmen des Genres „Festivalfilm“: ein bisschen anstrengend, ein bisschen nett und bald vergessen.
Genauso rätselhaft war die Entscheidung für den zweiten JurySpezialpreis: Er ging an Bruno Dumonts Sci-Fi-Groteske „L’Empire“, die zwar mit einigen wirklich großartigen Ideen punktet, welche aber nicht davon ablenken können, dass es sich hier um ein Stück altmodisches und unangenehm wertekonservatives Kino handelt.
Aufgesetzt künstlerisch und reichlich altmodisch, das schien überhaupt die Perspektive der Jury gewesen zu sein: Nur so lässt sich der Drehbuch-Bär für Matthias Glasners überlanges Drama „Sterben“(mit Lars Eidinger und Corinna Harfouch in den Hauptrollen) erklären,
oder der Regiepreis für den flirrend langweiligen „Pepe“von Nelson Carlos De Los Santos Arias aus der Dominikanischen Republik – der hätte eher an Andreas Dresen für „In Liebe, Eure Hilde“gehen sollen, der eine präzise, sehr elegante Regiearbeit liefert, die sich allerdings nicht selbst in den Mittelpunkt stellt.
Seltsam konservativ war auch die Verleihung der Darsteller-Bären: Zur besten Nebendarstellerin wurde Emily Watson für „Small Things like These“ausgezeichnet – eine hinreißende Bösewichtin, klar, aber doch etwas zu eindimensional, um den Preis zu rechtfertigen. Ähnlich routiniertes Kunsthandwerk beim Bester-Hauptdarsteller-Bären: Er
ging an Sebastian Stan, der in „A Different Man“einen an Neurofibromatose erkrankten Mann spielt, dem auch die Heilung nicht das erwartete Glück bringt. Aber wenn der Film damit etwas Aufmerksamkeit für diese genetisch bedingte Krankheit – in Österreich leben etwa 4000 Betroffene – generieren kann, ist das auch kein Nachteil.
Die österreichische Regisseurin Ruth Beckermann bekam für „Favoriten“den Friedensfilmpreis der Heinrich-Böll-Stiftung. Die Musikdoku „Teaches of Peaches“von Judy Landkammer und dem Österreicher Philipp Fussenegger wurde mit dem Teddy Award ausgezeichnet.