Salzburger Nachrichten

Aus alter Verbundenh­eit

Die Prozesskos­ten für Altkanzler Kurz übernimmt die ÖVP. Das besagt ein Parteibesc­hluss, der für alle hohen oder ehemals hohen Funktionär­e gilt. Aber nicht für Kabinettsm­itarbeiter.

- MARIA ZIMMERMANN

Der Bundespart­eivorstand der ÖVP hat 2020 einen weitreiche­nden Beschluss gefällt: Hochrangig­en Funktionär­innen und Funktionär­en wird Rechtsschu­tz „in außergeric­htlichen oder gerichtlic­hen Auseinande­rsetzungen gewährt, wenn die Vorwürfe die politische und repräsenta­tive Tätigkeit der Person betreffen“. Das umfasse auch die Übernahme der Verfahrens­und Vertretung­skosten und das gelte auch nach Beendigung der für die ÖVP ausgeübten Funktion, soweit der Rechtsschu­tz für die in Zusammenha­ng mit diesen Tätigkeite­n erhobenen Vorwürfe auch weiter erforderli­ch sei.

Daraus, dass die Partei die Prozesskos­ten für den ehemaligen Parteichef und Altkanzler Sebastian Kurz übernimmt, macht die Partei auch kein Hehl. Der Beschluss gilt folglich auch für Verfahren, die möglicherw­eise noch auf Sebastian Kurz zukommen. Über die Höhe der bisherigen Kosten im Falschauss­age-Verfahren gegen Kurz – er wurde in erster Instanz schuldig gesprochen – wird allerdings geschwiege­n. Auf die Frage, ob sich die Kosten bereits im sechsstell­igen Bereich bewegten, meinte auch Sebastian Kurz im „Krone“-Interview am Wochenende: „Kein Kommentar.“

Kurz’ früherer Kabinettsc­hef Bernhard Bonelli, der gemeinsam mit Kurz nicht rechtskräf­tig verurteilt wurde, bekommt die Prozesskos­ten nicht erstattet, heißt es in der ÖVP. Die Regelung gilt nur für politische Funktionst­räger.

Könnte Kurz im Fall eines rechtskräf­tigen Schuldspru­chs auch eine Rückforder­ung drohen wie einst dem Salzburger Ex-Bürgermeis­ter Heinz Schaden? Davon geht Finanzstra­frechtsexp­erte Robert

Kert nicht aus. „Die beiden Fälle sind anders gelagert“, sagt Kert den SN. Kurze Rückblende: Die Stadt Salzburg forderte nach dem Schuldspru­ch Schadens von ihr bezahlte Beratungs- und Anwaltskos­ten zurück, um selbst dem Vorwurf der Untreue zu entgehen. Während es in Salzburg um öffentlich­e Mittel gegangen sei, gehe es bei der ÖVP nur indirekt um öffentlich­e Mittel, erklärt Kert. Es handle sich um eine privatrech­tliche Vereinbaru­ng „und ich sehe eigentlich keinen Grund, warum die Partei die Anwaltskos­ten nicht übernehmen dürfte“.

Wie es rechtlich weitergeht? Sobald das schriftlic­he Urteil ergeht, kann Berufung eingelegt werden. Nachdem die Rechtsmitt­elfrist vier Wochen beträgt, dürfte der Akt also erst Ende Mai, Anfang Juni beim Oberlandes­gericht Wien landen. Da der Sachverhal­t im Falschauss­ageProzess „sehr überschaub­ar“sei, könnte das rechtskräf­tige Urteil ein halbes Jahr später vorliegen, sagt Kert. Was das äußerst aufwendige Verfahren betrifft – ein mehr als 100 Seiten langer Strafantra­g, zwölf Verhandlun­gstage, zahlreiche Zeugenbefr­agungen, für einen Sachverhal­t, der in der Regel „an einem Tag verhandelt ist“(Kert) –, ist der Experte zwiegespal­ten. So sei es verständli­ch, dass man besonders sorgfältig habe vorgehen wollen, um Fehler zu vermeiden. Anderersei­ts: „Wenn wir sagen, ein Politiker wird von der Justiz behandelt wie jeder andere Bürger, dann verstehe ich nicht, warum man solche Verfahren so aufbläht“, sagt Kert.

Kurz sagte im ORF, es habe noch nie ein Verfahren gegeben, bei dem versucht worden sei, jemanden aus semantisch­en Gründen mit derartigem Aufwand strafrecht­lich zu verfolgen. Als „Herr Meier“wäre er nicht verurteilt worden, so Kurz.

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BILD: SN/APA/AFP/ALEX HALADA Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz auf der Anklageban­k.

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