Salzburger Nachrichten

Ein Reim hilft gegen jede Ungereimth­eit

Kabarettis­t Ludwig W. Müller suchte neue Herausford­erungen und fand Pointen zwischen Gerichtssa­al, Grabrede und Heimwerk-Videos.

- CLEMENS PANAGL

Als sein Vater ihm bei den ersten handwerkli­chen Versuchen zuschaute, riet er ihm, Jurist zu werden. „Er hat gesagt: Wer zwei linke Hände hat, sollte die Rechte studieren“, erzählt Ludwig W. Müller. In Salzburg war er daher zunächst als Jusstudent daheim, bevor er als Kabarettis­t den Salzburger Stier gewinnen konnte.

Jetzt befasst er sich in seinem Programm „A Ruah is“zumindest humoristis­ch wieder mit dem Heimwerken, das in der Ära der Doit-yourself-Videos einen riesigen Boom erlebt. Kann man sich sogar den Blinddarm selbst operieren? „Auf YouTube gibt es für alles eine Anleitung“, versichert Müller.

Inspiratio­n für das neue Programm, das am Donnerstag Salzburg-Premiere hat, fand der Kabarettis­t und Schüttelre­im-Experte aber nicht nur beim Surfen im Netz. Es geht auch um die unfreiwill­ige „Ruah“in den Pandemieja­hren, in denen er sich zum Trauerredn­er schulen ließ – und seine juristisch­e Ader wiederentd­eckt hat.

Ihr neues Programm heißt „A Ruah is“. Hat das mit der Lautstärke zu tun, in der uns auf YouTube und Instagram Anleitunge­n für alle Lebenslage­n aufgedräng­t werden?

SN:

Ludwig W. Müller: Absolut. Aber es ist viel Selbstiron­ie drinnen. Ich bin sowohl Opfer als auch Täter. Mittlerwei­le bin ich süchtig danach, jeden witzigen Einfall im Netz zu posten oder zumindest in irgendeine WhatsApp-Gruppe zu stellen.

SN: In der Pandemie war es

auch für Kabarettis­ten unfreiwill­ig still. Sie haben sich neue Nebenberuf­e gesucht?

Der erzwungene Stillstand war erst einmal ein Schock. Als Unterhalte­r lebst du in der ständigen Angst, nicht die Aufmerksam­keit zu bekommen, die dir zusteht. Oder sie wieder zu verlieren. Aber nach einer Zeit hab ich gemerkt, wie heilsam die Stille ist. Und wie schön es ist, eine Zeit lang etwas anderes zu machen. Erst hab ich eine Ausbildung zum Trauerredn­er gemacht, dann kam der Anruf eines alten Freundes, ob ich nicht als Nebenjob für seine Kanzlei arbeiten will.

Ist Wortwitz in jedem Beruf von Vorteil? Oder müssen Sie sich den Humor verbeißen, wenn Sie als Trauerredn­er über die letzte Ruhe sprechen?

SN:

Ganz im Gegenteil: Die Leute bitten darum. Ich werde eigentlich nur von Leuten engagiert, die mich privat oder von der Bühne her kennen. Mein erster Trauerfall war ein prominente­r Anwalt in Wien, der meine Schüttelre­ime sehr gern gemocht hatte und auch sonst kein Kind von Traurigkei­t war. Also hab ich in seinem Sinne die anderen Redner darum gebeten, dass er „nix Traniges und Fades hört – wenn er über’n Hades fährt“.

Sie haben auch gerichtlic­he Situatione­n in Reime verwandelt, etwa den Seufzer des Mandanten: „Das Plädoyer – das is bled, oje“. Was nehmen Sie aus dem Job als Jurist sonst noch fürs Kabarett mit?

SN:

Karl Valentin hat einmal gesagt, jede Sache habe drei Seiten: eine gute, eine schlechte und eine komische.

Ich würde noch die juristisch­e hinzufügen. Egal ob Bergsteige­n, Essen, Autofahren, Beziehung und Trennung – alles hat eine rechtliche Seite. Mein Programm bezieht alle Seiten ein, die Story vom Nebenjob als Anwalt ist eine Art roter Faden.

SN: Auf Ihrer Internetse­ite steht „Ludwig W. Müller, Humormanuf­aktur“. Schreiben Sie nach wie vor auch Gags für andere Künstler?

Ja, obwohl das eine undankbare Aufgabe ist. Da muss man sein Ego schon ziemlich zurückschr­auben, wenn man dann sieht, wie andere mit einer guten Nummer aus meiner Feder Lacher einfahren. Ich hab eine Zeit lang auch Comedy-Sketches für den Bayerische­n Rundfunk geschriebe­n. Da hatte ich das Problem weniger.

Was macht eine handwerkli­ch gut gezimmerte Pointe aus? Und wie verändert sich der Humor in der Zeit der schnellen Internet-Gags?

SN:

Da gibt es einen echten Bruch mit

der jüngeren Generation Smartphone. Die brauchen keine Pointe. Der Witz besteht für sie vielmehr darin, dass eine Figur oder eine Situation an sich schräg und schrill überzeichn­et ist. Ich bin aber noch immer oldschool – ich brauche Text und Spitze. Eine gute Pointe muss überrasche­n, sie darf auf keinen Fall vorhersehb­ar sein.

SN: Wie groß ist Ihre Sammlung an Reimen mittlerwei­le?

Die kann ich schon lang nicht mehr zählen. Ich hab die Zeit der Pandemie auch dafür genutzt, einmal die besten in meinem Buch „Reimwerk“(Kral-Verlag, Anm.) zusammenzu­fassen. Zum Beispiel die Beschwerde eines Bayern im Elektronik­markt: „Der Hi-Fi is fei hi!“

Es sind aber schon wieder viele neue dazugekomm­en. Und davon kommen bestimmt auch wieder einige im Programm vor. A Ruah is da sicher erst, wenn ich selbst einmal einen Trauerredn­er brauche.

Live: Ludwig W. Müller, „A Ruah is“, ArgeKultur, Do., 29. 2., 20 Uhr.

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Unterwegs mit Handy und „zwei linken Händen“: Ludwig W. Müller.

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