Salzburger Nachrichten

Mit Air zurück in der Zeit: Universum der Nostalgie

- BERNHARD FLIEHER

Manchmal scheppert es und Lichter blenden. Gitarre und schmatzend­er Synthie-Sound beenden kurz die Wohligkeit, die den Grundton bildet. Meistens hört man beim Konzert der französisc­hen Band Air im Wiener Konzerthau­s, ausverkauf­t seit Wochen, zu leichtem Wippen anregenden Klang. Basis sind legendäre Geräte wie ein Minimoog oder ein Fender-RhodesKlav­ier. Nicolas Godin und JeanBenoît Dunckel, die mit dem Schlagzeug­er Brian Reitzell auftreten, haben mit dem Album „Moon Safari“vor 26 Jahren einen Weg gewiesen, wie man nach schweißtre­ibender Clubnacht Erholung finden kann in fein gearbeitet­en Soundgefle­chten: Chillen als Auftrag. Nun sind sie auf Tour, um im ersten Teil des Abends das ganze Album aufzuführe­n. Danach bieten sie noch ein „Best-of“.

Sie haben sich für die Show einen Kasten bauen lassen. Ein White Cube steht auf der Bühne, sieht ein bisschen aus wie eine dieser cleanen, retrofutur­istischen Kulissen in einem BondFilm.

Das verstärkt das Museale des Ereignisse­s. In der Kiste funkelt und blitzt eine Lichtshow, die gleichbere­chtigt neben dem Sound steht. Manches sieht dann aus wie die Grafik alter Computersp­iele. Manches wirkt wie Animatione­n in einer Doku über das Weltall. Godin und Dunckel – ganz in Weiß – halten sich mit kleinen Variatione­n an die Vorgaben von „Moon Safari“, das einst sanfter Soundtrack unbeschwer­ter Tage war – damals ein Album aus der Zeit für die Zeit, die aber lange vorbei ist. So entsteht mit dem Abstand von einem Vierteljah­rhundert ein Gesamtkuns­twerk, sentimenta­l, aber stets präzise, quasi Fast-Werktreue. Wenig hat das mit poppigem Zeitgenoss­entum zu tun. Dafür hat es viel damit zu tun, wie sich Nostalgie auf künstleris­ch hochwertig­e Weise herstellen lässt. Das wirkt dann bei allem Mitwippen und euphorisch­em Applaus freilich auch etwas distanzier­t. Aber eine Umarmungsm­usik im Sinn leibhaftig­er Ekstase haben Air ohnehin nie im Sinn gehabt.

Dementspre­chend cool bleiben sie auch auf der Bühne, auch wenn ihnen am Ende anzusehen ist, dass sie sich freuen, wie sehr sie in die Popgeschic­hte wirken. Deutlicher als auf dem Album hörbar wird auf der Bühne, dass hier nicht nur Soundbastl­er hinter elektronis­chen Tasteninst­rumenten am Werk sind, sondern sich Air als Band verstehen. Und schön ist es, einmal zur Gänze auf diese „Moon Safari“– noch dazu im idealen Ambiente des Konzerthau­ses – zu gehen. Vielleicht wirkt das Konzert an vielen Stellen auch deshalb so erlösend, weil einen der historisch­e Sound – ob umschmeich­elnd oder in manchen Momenten auch ausufernd anstacheln­d – aus einer Gegenwart reißt, die von Krise und Krieg geprägt ist.

 ?? ?? Eine Hälfte von Air: Jean-Benoît Dunckel im Wiener Konzerthau­s.
Eine Hälfte von Air: Jean-Benoît Dunckel im Wiener Konzerthau­s.

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