Ein Job das ganze Leben lang?
Das ist immer seltener der Fall. Autos statt Kuchen, Särge statt Ski, Ton statt Labor: Salzburger erzählen über ihren Wechsel in einen völlig neuen Beruf.
SALZBURG, MITTERSILL. Im Skizirkus war der Mittersiller Horst Gschwandtner lang beruflich zu Hause. Als Servicemann betreute er ÖSV-Topathleten wie Petra Kronberger, Günther Mader oder Fritz Strobl. Erst war er für Blizzard, dann lang für Salomon tätig und sorgte dafür, dass die Skifahrer und Skifahrerinnen bei Rennen das richtige Material hatten. Nach einem Vierteljahrhundert schlug er eine völlig andere Laufbahn ein: Über einen Bekannten kam er 2008 zum Beruf des Bestatters. Seit acht Jahren leitet er sein eigenes Bestattungsunternehmen im Pinzgau. „Irgendwann muss man schauen, dass man aus dem Skizirkus herauskommt“, erzählt der heute 60-Jährige. Die Arbeit sei spannend gewesen, aber auch anstrengend. Er flog um die Welt und war immer dort, wo der Skitross gerade war. Die Sommer verbrachte er in Südamerika, bei Trainingscamps. „Ich war viel weg von zu Hause. Das wollte ich irgendwann nicht mehr.“
Herausfordernd war der Umstieg jedenfalls. „Am Anfang habe ich mich natürlich oft gefragt, was ich da tue“, erzählt er. Er habe aber bald festgestellt, dass ihm der Beruf des Bestatters liege. Er könne gut mit Menschen und ihnen in Trauersituationen zur Seite stehen. „Der Beruf ist für mich maßgeschneidert. Ich höre oft als Rückmeldung, dass sich die Leute gut aufgehoben fühlen.“Und hier sieht er auch Parallelen zu seinem alten Beruf im Skisport: „Ruhe auszustrahlen war auch damals wichtig. Die Läufer befinden sich ständig in Ausnahmesituationen.“
Erwerbsbiografien sind bunter geworden. Der Einstieg in einen völlig neuen Beruf ist heute keine Seltenheit mehr. Laut Arbeitsklimaindex
„Ruhe auszustrahlen war auch im Skizirkus wichtig.“Horst Gschwandtner, Bestatter (Bild: SN/GSCHWANDTNER)
der Arbeiterkammer hegten vor zehn Jahren nur 7 Prozent der Salzburger den Wunsch nach einer vollkommen anderen Tätigkeit. Im Vorjahr war ein Wechsel des Berufs indes für 13 Prozent vorstellbar. Das liegt etwas über dem Österreich-Schnitt von 12 Prozent. Laut einer Umfrage der Job-Plattform Hokify hat mehr als die Hälfte der 1000 Befragten in ihrer beruflichen Laufbahn schon einen Branchenwechsel hinter sich. Zudem würden 57 Prozent planen, mit dem nächsten Jobwechsel auch die Branche zu ändern.
„Wir haben jetzt bereits viel Flexibilität am Arbeitsmarkt“, sagt Ökonom Helmut Mahringer vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Viele der Arbeitskräfte arbeiten bereits in einer Tätigkeit, die nicht ihrer Erstausbildung entspricht. Dieser Trend werde eher noch zunehmen. Ein Grund dafür sei die Demografie: Es gibt aufgrund sinkender Geburtenraten weniger Jugendliche, die auf den Arbeitsmarkt kommen. Die Wirtschaft könne somit die anstehenden Pensionierungen nicht mehr nur durch Junge kompensieren – und müsse auch auf Quereinsteiger setzen. „Wenn wir zu wenige aus dem Erstausbildungssystem bekommen, braucht es mehr Leute, die von einem Job zum anderen wechseln.“Ein weiterer Faktor sei die Erhöhung des Pensionsalters. Wer einen körperlich fordernden Job habe, suche sich im höheren Alter vielleicht eher eine Tätigkeit, in der zwar die Erfahrung genutzt werden könne, aber die Belastung geringer sei.
Allerdings seien nicht alle Sparten betroffen. „Es gibt Bereiche, in denen Karrieren stabiler geworden sind“, sagt er. Gerade bei höherqualifizierten Frauen sei das der Fall. „Weil sie stärkere Karrierepositionen haben und deshalb eher in einem Beruf bleiben.“Zudem wechselten viele die
Tätigkeiten, ohne den Arbeitsplatz zu ändern: Denn durch den technologischen Wandel ändern sich die Aufgaben im gleichen Beruf über die Jahre oft deutlich.
An seinen ersten Autokäufer kann sich Max Wageneder noch gut erinnern: „Er war fünf Mal da, bis er sich entschieden hat.“Der 33-Jährige ist gelernter Konditor. Er absolvierte die Hotelfachschule
„Man muss fehlende Erfahrung kompensieren.“Max Wageneder, Autoverkäufer (Bild: SN/BURTSCHER)
und eine Konditorlehre im familieneigenen Hotel samt Konditorei und Café in Abtenau. Nachdem der jüngere Bruder mehr Interesse an der Betriebsübernahme gezeigt hatte, verließ Wageneder nach neun Jahren die Backstube. Leicht fiel ihm der Abschied nicht. „Da hat der Familienrat schon oft getagt.“Sein Entschluss stand aber fest: „Ich wollte mein eigenes Ding machen.“Er suchte einen Job mit mehr Kon
takten. Schließlich war er in der Backstube oft stundenlang allein. Einfach sei so ein Wechsel nicht. „Man muss es schon wollen und ehrgeizig sein, schließlich muss man viel Wissen aufholen und fehlende Erfahrung kompensieren.“Mit seinem neuen Beruf ist er glücklich – und mittlerweile geprüfter Automobilkaufmann.
Den alten Job hinter sich gelassen hat Miriam Yuen nicht. Die studierte Biologin hat sich einen zweiten gesucht: Zusätzlich zu ihrem Beruf in der Qualitätssicherung hat sie sich als Keramikkünstlerin selbstständig gemacht. In ihrem Atelier nahe der Panzerhalle formt sie Unikate aus Ton. Bekannt ist sie für ihre „Busentassen“: Weibliche Brüste zieren die Häferl. „Die Tassen kommen irrsinnig gut an. Manche finden sie zu anzüglich. Solange es zu Diskussionen führt, bin ich zufrieden. Kunst soll zu Debatten führen.“Kreativ war sie immer schon. Früher zeichnete sie viel, vor fünf Jahren entdeckte sie den Ton. „Seitdem hat er mich nicht mehr losgelassen“, sagt die 31Jährige. Aus einem Hobby wurde ein kleines Unternehmen. „Es
wächst kontinuierlich. Mir gefällt, dass ich mich selbst verwirklichen und eigene Ideen ausprobieren kann.“Zwei Jobs unter einen Hut zu bringen, auch abends und am Wochenende zu arbeiten sei herausfordernd. „Aber ich mache es gerne und brauche die Abwechslung.“
Neben dem Verkauf der Tassen und Vasen gibt sie Töpferkurse – die bereits bis in den Sommer ausgebucht sind. Ab April wird man bei ihr stundenweise Plätze an den Töpferscheiben buchen können. Aktuell teilt sie sich das Atelier nur mit ihrem Mann Philip Yuen, der nebenberuflich als Fotograf arbeitet. Auch er hat einen Jobwechsel hinter sich: Der Marketingexperte hat das chinesische Restaurant seiner Eltern in der Getreidegasse übernommen.