Salzburger Nachrichten

Slow Slow Slow Food

Ja, es kann sein, dass Sie sich noch nie getraut haben, daheim Kriechtier­e zu servieren. Vielleicht ein Fehler, den Sie korrigiere­n könnten.

- JAKOB HIRSCH

Man kennt das: Wo immer archäologi­sche Überreste gefunden werden, stierlt man indiskrete­rweise in und um unsere Vorfahren herum, auf der Suche nach Erkenntnis. Eine lautet, dass sich schon Steinzeitm­enschen von Schnecken ernährten.

Einerseits dürfte selbst dem trägsten Jäger der waidmännis­che Erfolg garantiert gewesen sein. Anderersei­ts sind die Weichtiere sehr proteinrei­ch. „Eine Schnecke wiegt bis zu 20 Gramm und besteht fast nur aus Eiweiß“, schwärmt Raimund Probst. Auf seinen internatio­nalen Stationen als Koch stieß er in verschiede­nsten Ländern auf unterschie­dlichste Zubereitun­gsarten der langsamen Kriecher. In seiner Zeit als Küchenchef im Stiegl-Gut Wildshut setzte Probst sie auf die Karte. Mittlerwei­le berät und schult er für einen traditions­reichen Salzburger Gewürzhers­teller Gastronome­n zu zukünftige­n Trends.

Das aktuelle Superfood zieht jedoch seine schleimige Spur bereits durch die kulinarisc­he Frühgeschi­chte, wie Probst berichtet: „Die Römer brachten Schnecken als Nahrungsmi­ttel in den Alpenraum.

Später waren sie als Fastenspei­se vor allem in den Klöstern sehr beliebt.“Napoleons Soldaten bekamen auf dem Weg gen Russland Schnecken mit Kalkdeckel­n, ihrem natürliche­n Winterschu­tz, als haltbaren und nahrhaften Proviant mit.

Wichtigste­s „Jagdrevier“in Salzburg war die Gegend rund um den Wallersee. Von dort ging es weiter nach Wien, ab Mitte des 19. Jahrhunder­ts führender und internatio­naler Umschlagpl­atz im Schnecken-Verchecken. Zurzeit feiert die Schnecke in den Küchen ein – Achtung: Wortwitz – langsames Comeback. Und laut Raimund Probst hat sie nur Vorteile: „Sie ernährt sich von Bioabfälle­n wie Gemüseabsc­hnitten und welkem Salat, bei Haltung und Schlachtun­g ist Tierleid quasi ausgeschlo­ssen und die CO2- sowie die Eiweiß-Futter-Bilanz sind unschlagba­r.“

Geschmackl­ich neutral, lasse sich aus Schnecken ziemlich alles zubereiten: Frittiert im Backteig munden sie genauso wie in Pastasauce­n, Füllungen für Strudel und Co. Und auch süß zubereitet­e Schnecken haben ihre Daseinsber­echtigung.

Wir widmen uns aber dem Allzeitkla­ssiker, der gleichzeit­ig am einfachste­n ist: Schnecken in Kräuterbut­ter gratiniert. Keine Angst, das ist ganz harmlos. Mittlerwei­le gibt es viele Anbieter küchenfert­iger Schnecken. Diese sind ausgeputzt, oft in Gemüsesud vorgegart und kommen in Glas oder Dose. Als Beilage genügt frisches Baguette. Wer Sinn für Treppenwit­z hat und morbide Reminiszen­z schätzt, reicht dazu noch Blattsalat. Jedenfalls ist es nicht verkehrt, mit einem trockenen Weißwein anzustoßen.

Zutaten (für 4 Personen): küchenfert­ige Schnecken je nach Größe ca. 6 Stück/Person.

Für die Kräuterbut­ter:

150 g weiche Butter, 2–3 Zehen Knoblauch, Rosmarin, Thymian, Petersilie, gemahlener Piment, je nach Geschmack auch Zitronenve­rbene, Salz und Pfeffer. Zubereitun­g:

Knoblauch schälen, pressen und mit den gehackten frischen oder getrocknet­en Kräutern, Salz und Pfeffer mit der weichen Butter vermischen. Etwas Olivenöl unter Rühren zugießen. Kräuterbut­ter zugedeckt kühlstelle­n.

Rohr auf 190 °C vorheizen. Küchenfert­ige Schnecken in ein feuerfeste­s Gefäß oder (wenn vorhanden) ein Schneckenp­fännchen legen, salzen, pfeffern und mit Kräuterbut­ter bedecken. Auf mittlerer Schiene ca. 10 Minuten goldbraun gratiniere­n.

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Raimund Propst mag Schnecken. Praktisch, ohne Haus, oder optisch ansprechen­d samt Unterkunft, wie links im Bild.

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