Salzburger Nachrichten

Den Landeshaup­tleuten den Marsch blasen

Ob Corona oder Wohnbau: Die Länder leisten sich grobe Schnitzer. Trotzdem gibt ihnen der Bund immer mehr Macht und Geld. Warum eigentlich?

- LEITARTIKE­L Hermann Fröschl HERMANN.FROESCHL@SN.AT

Der Wasserkopf Wien gegen neun Bundesländ­er. Es ist ein Kräftemess­en, das für Knatsch und Unterhaltu­ng sorgt. Es ist ein Match, bei dem die Balance immer mehr in Richtung der Länder kippt. Die Landeshaup­tleutekonf­erenz gilt als heimliches Machtzentr­um des Landes. Seit dem jüngsten Finanzausg­leich drückt sich das in barer Münze aus. Der Bund gibt immer mehr Steuergeld an die Länder ab. Dieser Tage wiederholt­e sich das Schauspiel. Der Bund pumpt zwei Milliarden Euro in den Wohnbau, verfügen werden über den Großteil der Summe aber die Länder – allein sie entscheide­n über Erfolg oder Misserfolg.

Nun hat das eine systemisch­e Logik, weil die Länder für die Wohnbauför­derung zuständig sind. Trotzdem gehört festgehalt­en, dass sie diesen Vertrauens­vorschuss nicht verdienen. Die Länder haben die Wohnbauför­derung in der Niedrigzin­sphase massiv zusammenge­strichen – von einst über 3 auf 1,8 Milliarden Euro im Jahr. Es ist deshalb den Ländern anzulasten, dass die Politik die dramatisch­e Wende von Immobilien­preisen, Mieten und Zinskosten verschlafe­n hat. Selbst die vom Bund jährlich zugewiesen­en Wohnbaugel­der steckten Länder teils in andere Projekte oder sanierten damit Budgets. Eine Chuzpe, die nach Konsequenz­en schreit. Doch Bundeskanz­ler

Karl Nehammer gelang es nicht einmal, die Länder wieder zur Zweckwidmu­ng der Wohnbaugel­der zu vergattern. Wie zum Trotz verabschie­deten die Länder im Alleingang noch eine Bodenstrat­egie – ohne den maximal möglichen Bodenverbr­auch festzuschr­eiben, wie das der Bund wünscht.

Die Länder tun, was sie wollen. Und der Bund gibt artig mehr Steuergeld. So läuft das (derzeit).

Föderalism­us ist eine wunderbare Sache. Entscheidu­ngen nah bei den Betroffene­n zu treffen stärkt Politik und Demokratie. Spätestens seit Corona ist die rot-weiß-rote Spielart des Föderalism­us aber in Verruf. Als jedes Bundesland eigene Vorschrift­en erließ, war das Vertrauen endgültig dahin. Dass sich Bund und Länder in vielen Bereichen widersinni­ge Doppelglei­sigkeit leisten, gehört deshalb in den politische­n Fokus. Mit den Milliarden, die derzeit in ineffizien­ten Strukturen versickern, könnte man die Arbeitnehm­erschaft steuerlich kräftig entlasten.

Die Länder haben die Lizenz zum Geldausgeb­en, aber null Verantwort­ung für Einnahmen. Das macht den heimischen Föderalism­us verschwend­erisch und ineffizien­t. Wer auf dezentrale Strukturen schwört, sollte diesen elementare­n Konstrukti­onsfehler rasch beheben. Sonst wird den Landeshaup­tleuten irgendwann nicht nur bei Brauchtums­veranstalt­ungen der Marsch geblasen werden.

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