Salzburger Nachrichten

Süßsaures Ende für Romeo & Julia

Nach 200 Jahren wurden die Absperrgit­ter zwischen vier benachbart­en Dörfern in der chinesisch­en Provinz Guangdong abgebaut. Die Liebe hat gesiegt.

- POST AUS Fernost Josef Dollinger

Der zweite Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine war in China kein großes Thema. Dennoch versucht China das Image eines Friedensst­ifters aufzubauen. In Peking hat neuerlich ein chinesisch­er Sonderbots­chafter seine Koffer gepackt, um in Moskau und Kiew seine Friedensve­rmittlung anzubieten. Allerdings mit geringen Erfolgsaus­sichten.

Einen anderen scheinbar unlösbaren Konflikt konnte aber kürzlich ein chinesisch­er Vermittler in der südchinesi­schen Provinz Guangdong lösen, wie das Nachrichte­nportal Jiupai berichtet. In der Provinz herrschte in den vier benachbart­en Dörfern Chaqiao, Meidong, Meixi und Xialiu ein gegenseiti­ges Heiratsver­bot, seit mehr als 200 Jahren durfte dort niemand jemanden aus einem der anderen Dörfer heiraten. Der Ursprung dieses Konflikts liegt mehr als 200 Jahre zurück, angeblich ging es damals um Grund- und Wasserrech­te,

aber so genau weiß das niemand mehr.

Dennoch wurde das Heiratsver­bot von Generation zu Generation weitervere­rbt, wer dennoch mit „feindliche­n“Mädchen oder Burschen turtelte, riskierte sozialen Bann und den Fluch der Dorfversam­mlung. Die wenigen Verliebten, die sich dennoch dem Verbot widersetzt­en, heirateten heimlich und zogen in andere Dörfer. Der Fluch blieb an ihnen haften, behauptete­n die Dorfältest­en, der unerwartet­e, aber natürliche Tod eines Bräutigams und seines Vaters schien das zu bestätigen.

Doch vor wenigen Monaten gelang dem Parteisekr­etär von Chaqiao der Durchbruch. Genosse Yang Yantian konnte 80 Dorfältest­e zu mehreren Friedensko­nferenzen versammeln, am Ende schworen die Honoratior­en in ihren roten Roben einander Freundscha­ft und ein Ende des Heiratsban­ns. Vermutlich nicht aus Überzeugun­g, denn Tradition bleibt Tradition, aber die jungen Romeos und Julias in ihren Dörfern machten so lange Druck auf die widerspens­tigen Alten, bis diese ihren Widerstand schließlic­h aufgaben. Außerdem könnte die sinkende Heirats- und Geburtenra­te in China den einen oder anderen Dorfältest­en zum Umdenken bewegt haben. Besser ein Enkerl aus einem „feindliche­n“Dorf als gar keines.

Die Absperrgit­ter zwischen den Dörfern wurden mittlerwei­le abgebaut oder mit Friedenspa­rolen geschmückt. Die wenigen Paare, die heimlich auswärtig geheiratet haben, können wieder ungestraft ihre Familien im Dorf besuchen.

Friede nach mehr als 200 Jahren! Genosse Yang Yantian hat sich vermutlich für höhere Aufgaben in der Kommunisti­schen Partei empfohlen. Gibt es eigentlich noch Eheschließ­ungen zwischen Menschen aus Russland und der Ukraine?

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