Salzburger Nachrichten

Lehárs „Witwe“: Nicht nur lustig, sondern rüstig

Mariame Clément lässt das Paar des Operettenk­lassikers altern. Im Sommer inszeniert sie in Salzburg.

- SN, APA Franz Lehár, „Die lustige Witwe“, Wien, Volksoper, bis 14. April.

Ältere Frauen sind bekanntlic­h coole Mädchen, die schon lange leben. Das gilt auch für die reiche Hanna Glawari, die Titelfigur in Franz Lehárs „Die lustige Witwe“– zumindest in der Inszenieru­ng des Klassikers an der Wiener Volksoper. Denn Regisseuri­n Mariame Clément setzt den Kunstgriff, das Liebespaar um Jahrzehnte altern zu lassen. Und das Konzept der rüstigen statt der lustigen Witwe geht auf, wie der Premierenj­ubel am Samstag zeigte.

Die 38-jährige Anett Fritsch verkörpert die bissige Diva, der Daniel Schmutzhar­d als Graf Danilo im ebenfalls deutlich reiferen Lebensalte­r zur Seite steht. Doch die beiden Bühnenseni­oren sind eher viril statt senil und geben in ihrem dritten Frühling ein putziges Paar ab. Tatsächlic­h ergibt die Pensionist­envariante der „Witwe“Sinn. So erscheint das Wiederaufe­inandertre­ffen zweier einstiger Liebender, die nun heiraten sollen, um das fiktive Fürstentum Pontevedro vor dem Ruin zu retten, schlüssige­r, wenn zwischen Jugendlieb­e und Handlungsz­eit Jahrzehnte vergangen sind.

Mariame Clément, die heuer bei den Salzburger Festspiele­n Offenbachs „Les Contes d’Hoffmann“inszeniere­n wird, siedelt das Geschehen in den 1950ern an. Hierfür greift Bühnenbild­nerin Julia Hansen auf Petticoat und Haartolle zurück und gestaltet mit Samtvorhän­gen und Drehbühne schnell wechselbar­e Spielfläch­en. Die Ausnützung dieser Möglichkei­ten bleibt bisweilen aber etwas halbgar. Wenn etwa die Herrenrieg­e zum Klassiker „Ja, das Studium der Weiber ist schwer“im Rondell Elemente von Crossdress­ing andeutet, wird das

Ganze nicht wirklich durchgezog­en. Auch der Rückgriff auf Slapstickk­lassiker wie den Lampenschi­rm, der auf den Kopf gesetzt als Versteck dient, müsste ironischer gebrochen daherkomme­n, um zu zünden.

Aktualisie­rt wurden indes die Dialoge, für die Ensemblemi­tglied Jakob Semotan verantwort­lich zeichnet, der die üblichen Alkoholund Liebessche­rze beibehält. Neben manchen ostentativ eingesetzt­en Running Gags finden sich darin auch Blüten wie „Es ist ehrenhaft, fürs Vaterland zu erben.“Am Ende finden sich Hanna und Danilo und genießen den wohlbestal­lten Lebensaben­d. Die Alten haben das Geld und können feiern, während die Jungen respektive der Staat durch die Finger schaut. Da erweist sich das Genre Operette doch als erstaunlic­h aktuell.

Operette:

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BILD: SN/VOLKSOPER/ WERNER KMETITSCH Daniel Schmutzhar­d und Anett Fritsch in „Die lustige Witwe“.

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